Zum Mond oder zum Mars?

Trotz aller Euphorie zum 40. Jubiläum der ersten Mondlandung bleibt vor allem in Zeiten der Wirtschaftskrise die Frage, warum Menschen in lebensfeindliche Wüsten fliegen sollten

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Ob unter US-Präsident Obama die Nasa tatsächlich die Gelder erhalten wird, um wieder in eine bemannte Fahrt zum Mond, den Bau einer Mondbasis und schließlich eine Fahrt zum Mars zu unternehmen, steht in den Sternen. Schon Bush hatte sich lieber darin gefallen, die großen Pläne anzukündigen, als sie wirklich mit Geld anzuschieben. Das hat er seinem Nachfolger überlassen, der aber mitten in der Wirtschaftskrise andere Probleme und einen wachsenden Schuldenberg hat.

Das würde Menschen erwarten, wenn sie auf den Mars fliegen. Beispiel Iani Chaos. Bild: ESA/DLR/FU Berlin (G. Neukum)

Armstrong, Aldrin und Collins von Apollo-11 und andere ehemaligen Astronauten, die auf dem Mond waren, setzen sich dafür ein, dass die bemannte Raumfahrt im Rahmen des Constellation-Programms umgesetzt wird. Vorgesehen ist eine Mondlandung bis zum Jahr 2020, bis 2025 ein Aufenthalt von sechs Monaten auf dem Mond, um dann die Möglichkeiten für eine weitere Fahrt zum Mars zu eruieren und vorzubereiten, die irgendwann nach 2030 stattfinden soll. Bis 2020 waren für den ersten bemannten Flug zum Mond ursprünglich Kosten von 100 Milliarden Dollar vorgesehen. Das sind zwar angesichts der Milliarden- und Billionen-Beträge, die im Zuge der Rettungspakete und Konjunkturprogramme ausgegeben wurden, Peanuts. Aber natürlich wird es sehr viel mehr Geld kosten, als man 2004 ausrechnete. Und auch wenn andere Nationen ebenfalls Missionen zum Mond planen, herrscht derzeit kein Kalter Krieg mehr, wo die Menschen bereit waren, 1,4 Billionen Dollar nach heutigem Stand in die Weltraumfahrt zu pumpen. Bis zu 4 Prozent des Staatshaushalts gingen während des Apollo-Programms jährlich zur Nasa, jetzt ist es nur noch 1 Prozent. 1969 arbeiteten fast 220.000 Menschen bei der Nasa, heute sind es noch 170.000.

Die Mehrheit der US-Bürger will zumindest die Gelder für die Nasa und deren Weltraumprogramm nicht kürzen, auch wenn nur 14 Prozent für eine Erhöhung sind – Tendenz fallend. Die Zustimmung war schon einmal viel höher. Das geht zumindest aus Gallup-Umfragen hervor. 58 Prozent sagen, die Ausgaben für das Weltraumprogramm vor 40 Jahren seien gerechtfertigt gewesen und hätten sich gelohnt. 1980 hatten das nur 41 Prozent gesagt. Seitdem stieg die Zustimmung langsam, aber kontinuierlich. Man verklärt die Vergangenheit. Die Zustimmung ist bei den Jüngeren größer als bei den Zeitgenossen der Mondlandung.

US-Präsident Obama empfängt die Apollo-11-Astronauten Buzz Aldrin, Michael Collins und Neil Armstrong. Bild: Nasa

Bezeichnend jedenfalls ist, dass US-Präsident Obama zum Empfang der Apollo-11-Astronauten nicht davon sprach, wie er die bemannte Raumfahrt fördern will: "one of the things that I've committed to doing as President is making sure that math and science are cool again, and that we once again keep the goal by 2020 of having the highest college graduation rates of any country on Earth, especially in the maths and science fields." Das wird die Fans der Weltraumfahrt vermutlich ernüchtern.

Aufnahme des Lunar Reconnaissance Orbiter. Bild: NASA/GSFC/Arizona State University

Jean-Jacques Dordain, der Generaldirektor der Europäischen Weltraumbehörde ESA, gab sich ebenfalls eher zurückhaltend. Man werde sicherlich einmal wieder Menschen zum Mond schicken, ob und in welcher Form die Europäer mitmachen sollten, sagte er nicht. Die nächste Mondmission werde auf jeden Fall nicht mehr darin bestehen, eine Flagge aufzustellen. Man werde nicht mehr in Konkurrenz den Mond aufsuchen, der aufgrund seiner Nähe einfach zu einer Erweiterung der irdischen Umgebung werden wird. Den Mond könne man nutzen zum wissenschaftlichen Fortschritt oder für eine Warnstation vor Meteoriten oder zur Ausbeutung von Ressourcen. Es sei aber relativ unwichtig, wann man tatsächlich wieder eine Mondmission starte. Bemannte Missionen seien mitsamt den wissenschaftlichen und technischen Herausforderungen aber eine Möglichkeit, junge Menschen für Natur- und Ingenieurwissenschaften zu interessieren. Letztlich wäre die Fahrt zum Mond also ein Event zur Standortsicherung und zur Bildungspolitik.

Andere versuchen schon mehr hineinzupacken, wenn Menschen wüste Himmelskörper besuchen sollen. So sagte John Olson, der bei der Nasa für die Integration der Erkundungssysteme zuständig ist, dass man doch letztlich auf die geplante Sicherheit verzichten könne. Weltraumfahrer könnten doch auch so gestimmt sein wie Abenteurer der Neuzeit, die sich auf Schiffe begeben haben, um neue Kontinente zu entdecken. Auch heute könne man solche Abenteuerer en masse für die Erkundung der "final frontier" finden, die auf eine Rückfahrkarte verzichten und sich gewissermaßen – das sagte er natürlich nicht – auf eine mögliche Selbstmordmission begeben.

Berufsmäßig gibt sich der Mann wohl hoch optimistisch, dass viele Menschen bereit wären, sich für längere Zeit in eine enge Kiste zu sperren und dann etwa auf einer Marswüste zu landen, wo bestenfalls weitere Gefangenschaft in einer gefängnisartigen Klause wartet. "You would find no shortage of volunteers", meint Olson, "It's really no different than the pioneering spirit of many in past history, who took the one-way trip across the ocean, or the trip out west across the United States with no intention of ever returning." Das ist natürlich Schmarrn. Auch wenn die Pioniere, Eroberer und Migranten von einst nicht damit rechnen konnten, zurückzukehren, haben sie doch darauf gehofft, ein anderes Land zu finden, in dem sie leben konnten, weil es dort Luft, Wasser, Pflanzen und Tiere gibt.

Heute wissen wir, was uns erwartet, wenn wir auf den Mond oder den Mars fliegen. Auf Terraforming werden die Abenteurer da nicht warten wollen, wenn nicht zumindest eine Kolonie oder eine Art Biosphäre vorhanden ist oder realistisch aufgebaut werden, in der es sich leben und überleben lässt. Und für die Militärtechnologie ist der Mars sowieso uninteressant. Da reicht es, Raketen zu haben, die Satelliten mit Waffen in eine Umlaufbahn um die Erde zu bringen, um andere Satelliten zu stören oder auf der Erde Unheil anrichten zu können.