Öl und Gas aus dem Erdmantel?

Wie sich Erdöl- und Erdgas-Lagerstätten über anorganische Prozesse im oberen Erdmantel bilden könnten. Die Ergebnisse der in Nature Geoscience beschriebenen Reaktion könnten durch Spalten und Verwerfungen in die obere Erdkruste aufsteigen. (Bild: A. Kolesnikov und V. Kutcherov)

Forscher zeigen, dass Erdöl und -gas sich theoretisch auch aus anorganischen Zutaten im Erdmantel bilden könnten. Unerschöpfliche Reservoirs dann gar nicht fossiler Brennstoffe wären damit denkbar

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Vergessen wir doch einmal kurz die traurigen Szenarien, die das baldige Ende von Erdöl und später auch Erdgas vorhersagen. Stellen wir uns eine Zukunft vor, in der keine Tankstellen mit unbeschäftigt vor sich hin rostenden Benzinpumpen vorkommen, und die nicht von dauernd steigenden Rohölpreisen geprägt ist. Malen wir uns Ingenieure aus, die endlich aufhören könnten, aus jedem Tropfen Sprit noch einen weiteren Kilometer Fahrleistung herausholen zu müssen, und phantasieren wir Ministerinnen herbei, die sich auch 5000 Kilometer lange Überführungsfahrten nicht mehr vorwerfen lassen müssten.

Was klingt wie der feuchte Traum eines amerikanischen Automanagers, hat anscheinend durchaus reale Grundlagen. Die hängen damit zusammen, dass wir bisher womöglich noch nicht die ganze Wahrheit kennen - der Wahrheit über die Entstehung von Erdöl und –gas. Diese Wahrheit, erster Teil, wird im Schulunterricht gelehrt: Abgestorbene Meeresorganismen wurden als Teil einer Sedimentschicht unter Sauerstoffausschluss hohen Drücken und Temperaturen ausgesetzt. Die langkettigen Kohlenwasserstoffe, aus denen sie bestehen, werden dadurch zu kurzkettigen Formen gecrackt. Die sammeln sich an undurchlässigen Gesteinsschichten – und bilden mit der Zeit ausgedehnte Lagerstätten.

Die Wahrheit, Teil 2, wird von den meisten Forschern derzeit als pseudowissenschaftlich abgetan. Sie war lange Zeit vor allem in der russischen Wissenschaft verbreitet und vermutet, dass die Kohlenwasserstoffe in Erdöl und –gas aus anorganischen Bausteinen entstanden sein könnte, irgendwo im Erdmantel, und dann nach oben wanderten. Das hauptsächliche Argument gegen diese These besteht darin, dass alle bisher gefundenen Brennstoffe sich fossiler Entstehung zuordnen ließen.

Allerdings spricht das nicht dagegen, dass zumindest ein Teil der Vorräte aus dem Erdinneren stammen könnte. Dass dort auf nichtbiologischem Wege Methan entstehen kann, hatten Forscher schon früher nachgewiesen. Fraglich war bisher allerdings, ob dort auch die Bedingungen für die Entstehung von Ethan (einem weiteren Hauptbestandteil von Erdgas) und höheren Kohlenwasserstoffen existieren.

Dafür haben nun drei russische Forscher der amerikanischen Carnegie Institution for Science den Beweis angetreten. Ihre Ergebnisse veröffentlicht das Fachmagazin Nature Geoscience vorab online. Die Wissenschaftler setzten demnach Methan in einer lasergeheizten Druckzelle Bedingungen aus, wie sie im oberen Erdmantel in einer Tiefe von 70 bis 150 Kilometern herrschen: Temperaturen zwischen 1000 und 1500 Kelvin und Drücken über 2 GPa nämlich.

Unter diesen Voraussetzungen reagierten Methanmoleküle miteinander zu Ethan, Propan und Butan – und umgekehrt verwandelte sich Ethan wieder in Methan. Die Reversibilität des Prozesses zeigt, dass offenbar keine Katalysatoren beteiligt sind und der Prozess nur thermodynamisch gesteuert wird.

Einen kompletten Beweis für eine mögliche Entstehung „fossiler“ Brennstoffe im Erdinneren haben die Forscher damit allerdings noch nicht erbracht. Zunächst wäre zum Beispiel zu klären, ob es möglich ist, dass die Kohlenwasserstoffe auf ihrem Weg in die Erdkruste stabil bleiben und nicht zu Kohlendioxid oxidieren. Außerdem würden auch nie versiegende Lagerstätten ein viel größeres Problem nicht lösen: Die zunehmende Anreicherung unserer Atmosphäre mit den Produkten ihrer Verbrennung. Die Menschheit könnte dann nur eben mit Vollgas in die Klimakatastrophe rasen.