Der Böse ist überall

Rhianna Pratchett, Autorin der Overlord-Geschichten:
"So I've been into games from a young age. The platforms have changed, the games have come and gone, but my passion has always been there."

Codemasters bringt drei neue "Overlord"-Titel

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Auf der PS3, XBox 360 und PC setzt Codemasters mit "Overlord II" das Originalspiel von 2007 fort. Der Spieler schickt als Fürst der Unterwelt seine Schergen gegen eine Art römisches Reich. Auf der Wii streift der dämonische Herrscher mit seinen Kreaturen in "Overlord: Dark Legend" durch ein skurriles Märchenreich. Die Handheld-Variante für den DS "Overlord Minions" macht vier der Schergen zu den Hauptfiguren, während der Regent selbst unsichtbar bleibt.

Um es gleich vorwegzunehmen: Wer nach einem pädagogisch wertvollen, politisch korrekten Spiel sucht ist bei den Overlord-Titeln an der falschen Adresse. Seit Jahren spielen in Fantasyspielen vor allem Elfen, Zwergen und ähnlich nette Kreaturen die Hauptrolle und besiegen die Mächte des Bösen. Codemasters versetzt den Spieler in die Rolle eines Dämonenfürsten und als solcher darf und muss er auch zerstörerisch agieren. Dabei gehen nicht nur zahlreiche Gutwesen wie eben die Elfen, die in "Overlord II" als rastabelockte Hippies die Natur verteidigen, oder die Zwerge, die als versoffene, dicke Raufbolde gezeigt werden, zu Grunde. Auch die Tierausbeute ist besonders niedlich - vom netten Schaf bis zu Robbenbabies machen die Schergen des Overlords alles nieder.

Auch wenn die drei neuen Overlord-Titel unterschiedliche Geschichten haben und besonders die DS-Version ein gänzlich anderes Spielkonzept verwendet, gibt es diverse Gemeinsamkeiten. Die Geschichten zu allen drei Spielen stammen von Rhianna Pratchett, der Tochter des "Scheibenwelt"-Autors Terry Pratchett - das Parodieren von Fantasy-Klischees liegt scheinbar in ihren Genen. Allerdings hat sie auch die Geschichte zum letztjährigen Electronic-Arts-Game "Mirror's Edge" (vgl. Heldinnen im Pixelkörper) geschrieben hat, das ein kühles, futuristisches Setting hat. Das Konzept, den Spieler in die Rolle des Bösen zu versetzen, ist nicht neu, aber die Autorin der Overlord-Spiele bringt ihren eigenen Humor mit ein. Videospiele haben Rhianna Pratchett von klein auf fasziniert, wie sie in einem Interview auf Ars erzählt:

Der Spieler übernimmt in allen Titeln die Rolle des namengebenden Overlords. Nur auf dem DS tritt er nicht persönlich in Erscheinung, sondern kontrolliert lediglich seine Schergen. Diese Kreaturen, die wie eine Kreuzung aus Goblins und Gremlins wirken, spielen überhaupt die wichtigste Rolle in allen Overlord-Titeln. Sie sind die aktiven Figuren, sind dem Dämonenfürsten grenzen- und willenlos ergeben und führen alle seine Befehle ohne Nachfrage aus, auch wenn der Befehl die Selbstopferung zugunsten der Heilung des Herrschers ist. Meist schickt der Spieler sie jedoch gegen Gegner oder zum Sammeln und Tragen von Objekten. Eine weitere Gemeinsamkeit der unterschiedlichen Titel sind die vier Koboldarten: Braune sind besonders kräftig, rote werfen Feuerbälle und rennen unbeschadet durch Flammen, blaue können heilen und schwimmen, grüne schließlich sind immun gegen Gift, können schleichen und Gegner so effizient von hinten attackieren. Das Spielprinzip ist im Wesentlichen dasselbe wie das von Nintendos Pikmin (vgl Würfelspiele).

Nachfolger im Kampf gegen die Römer

"Overlord II" für PS3, XBox360 und den PC ist der direkte Nachfolger des ersten Overlords-Titels und kommt wie dieser von den holländischen Triumph Studios. Der Herrscher selbst ist eine neue Figur und muss zunächst einmal das Vertrauen der Schergen gewinnen, die sehnsüchtig nach einem neuen Meister suchen. In der ersten Episode tritt er als Kind auf, das anderen, die im Schnee spielen, den Spaß verderben und ihre Schneemänner zerstören muss. Die Einführung dient gleichzeitig als Tutrorial und erklärt dem Spieler, wie er die Kobolde kommandiert und auch selbst in den Kampf eingreift.

Auch ein dunkler Fürst fängt klein an

Die eigentliche Handlung beginnt mit dem erwachsenen Dämonenfürsten, der den Kampf gegen ein Kaiserreich aufnimmt, das eindeutig an das römische angelehnt ist. Die imperialistischen Kämpfer sehen aus, als seien sie aus einem Asterix-Comic entsprungen. Die Kobolde mischen wie die unbeugsamen Gallier im Comic die Legionärsformationen auf.

Zu Beginn der Kampagne kann der Overlord nur auf die braunen Helfer, die Hau-drauf-Kämpfer, zurückgreifen, findet aber schon recht bald die roten Schergen, deren Fähigkeit zum Fernkampf die taktischen Möglichkeiten verbessert. So lernt der Spieler schnell, dass die Legionäre nach Besiegen ihres Anführers aus der Formation ausbrechen, kopflos, geschwächt umher rennen und leichte Beute für die Nahkämpfer werden.

Für die Steuerung des Gefolges gibt es drei unterschiedliche Möglichkeiten: Durch das direkte Losschicken in Richtung auf ein anvisiertes Ziel, durch das Setzen von Markern, zu denen die Schergen rennen und von denen aus sie alle erreichbaren Gegner angreifen, und schließlich über die direkte Steuerung via Gamepad, bei der sie ebenfalls alles in Reichweite angreifen beziehungsweise zerstören. Für alle Aktionen schickt der Spieler entweder nur einen Schergentyp oder die gesamte Schar los. Dem optimalen Taktieren steht jedoch leider in der getesteten PS3-Version regelmäßig die Steuerung im Weg: Die Auswahl des passenden Ziels wird bei einer größeren Zahl an Gegnern zur wahren Herausforderung. Auf die automatische Wahl kann sich der Spieler äußerst selten verlassen, da mit deren Hilfe die Kobolde gerne beispielsweise auf eine gegenüber stehende Kiste statt auf den angreifenden Gegner stürmen.

Große strategische Entscheidungen verlangt "Overlord II" jedoch ohnehin nicht: Der massive Angriff ist öfter als wünschenswert das Mittel zum Zweck. Wenn dabei einige Schergen in den Styx springen, warten genügend frische am nächsten Tor zur Unterwelt: Durch das Besiegen von Gegnern sammeln die Schergen Lebensenergie für frischen Nachwuchs. Allerdings nimmt die Stärke der Kobolde in den Kämpfen zu, sodass ein Frischling nie die Kraft eines alten Haudegens hat. Gestorbene Recken darf der Spieler im Tausch gegen ein paar Frische Koboldseelen plus Goldstücke in seinem Reich wieder beleben.

Anders als beispielsweise in "Little King's Story", überwiegt im Codemasters-Titel die Action gegenüber der Strategie. An den wenigen Stellen, in denen die Wahl der richtigen Kobolde entscheidend ist, bekommt der Spieler es direkt mitgeteilt, statt dass er es selbst erarbeiten muss oder darf. Echte Rätselelemente auf Basis der spezifischen Fähigkeiten der Schergenrassen fehlen nahezu völlig. Die Stellen, an denen nur eine bestimmte Sorte weiter kommt, sind zu offensichtlich.

Beritten gegen Rasta-Elfen

Statt Rätseln und Strategie auf Basis der vorhandenen Möglichkeiten, setzt die "Overlord"-Fortsetzung auf ein paar neue Spielelemente. Der dunkle Herrscher kann sich an vorgegebenen Stellen direkt in einen Schergen versetzen und so Hindernisse überwinden, an denen er selbst zunächst nicht weiter kommt. So kann er beispielsweise als grüner Kobold an übermächtigen Gegnern vorbei schleichen. Zusätzlich haben die Kobolde jetzt die Fähigkeit Schiffe und Maschinen wie Katapulte zu bedienen, was das Spielgeschehen auffrischt, aber zu linear in den Verlauf eingebunden ist. Schließlich können alle außer den blauen Schergen jetzt reiten, wodurch sie schneller und effizienter über die Gegner herfallen. Die Reittiere stehen allerdings nur an bestimmten Stellen zur Verfügung, stellen also nicht wie gefundene Waffen oder errungene Erfahrung eine permanente Verbesserung dar.

Obwohl die Erweiterungen die strategischen Anforderungen kaum erhöhen, bringen sie eine angenehme Portion Abwechslung ins Spielgeschehen ein. Eine eher untergeordnete Rolle spielt die Ausrichtung des Herrschers, der die unschuldige Bevölkerung wahlweise töten oder unterjochen und so zur Unterstützung seiner Schergen einsetzen kann. Die präferierte Spielart wirkt sich weit weniger aus als die Entscheidung zwischen Gut und Böse in Sonys inFamous (vgl. Wahlkampf in Ruinen).

Hinsichtlich der Grafik gibt es zwar deutlich besser ausgefeilte Spiele auf der PS3, aber "Overlord II" überzeugt vor allem mit den abwechslungsreichen, liebevollen Animationen. Alleine die Koboldgeschöpfe besitzen ein breites Repertoire einer Boshaftigkeit im Detail wie einst die Gremlins im gleichnamigen Film von 1984.

Märchenhaftes Debut auf der Wii

Auch in "Overlord Dark Legend" bringt der Overlord Schrecken über Zwerge und Elfen. Die Geschichte ist jedoch eine ganz andere als die von "Overlord II": Der dunkle Fürst beginnt als Hänfling, dessen Schwester mit den Zwergen und dessen Bruder mit den Elfen paktiert. Das Setting ist märchenhaft: In einer Aufgabe begleitet der Overlord mit seinen Schergen Rotkäpchen durch den Wald, ein anderes Mal nimmt er es mit einer Armee von Lebkuchenmännern auf.

Die Wahl des Ziels ist auf der Wii einfach

Die Umgebung und Figuren sind auch auf der Wii abwechslungsreich und interessant. Das Böse wird milder und gewaltärmer dargestellt als bei "Overlord II", was sich in der Altersfreigabe widerspiegelt: Letzteres ist ab 16, das Wii-Spiel ab 12 Jahren. Leider hat die für die Entwicklung von "Overlord: Dark Legend" verantwortlichen Climax Group den Schwierigkeitsgrad zu sehr herunter geschraubt. Lange vor Spielende stehen alle verfügbaren Aufrüstungen für den düsteren Herrscher und seine Schergen zur Verfügung, das Gold zur Bezahlung dafür ist ebenso reichlich vorhanden. Auch die Kämpfe selbst sind - inklusive der Bossgegner - sehr leicht gehalten. Dabei gibt es für die Wii mit den Pikmin-Titeln und "Little King's Story" (vgl. Der König im Schafshermelin) sehr ähnliche, aber spielerisch deutlich anspruchsvollere Spiele. An Puzzles, die auf die unterschiedlichen Koboldtypen ausgerichtet sind, mangelt es ebenso wie in "Overlord II".

Sehr gut gelungen ist die Steuerung auf der Wii, die ähnlich zu den für Wii unter "New Play Control!" neu aufgelegten "Pikmin"-Spielen ist. Der Spieler wählt die Gegner durch direktes Zeigen mit der Wii Mote auf den Bildschirm aus, ebenso setzt er die Marker, an denen sich die Schergen versammeln. Auf diese Weise kann er prinzipiell besser strategisch handeln als in "Overlord II", indem er beispielsweise einen Marker mit roten Schergen auf einer Anhöhe platziert, bevor er die braunen in den Kampf schickt. Leider ist dieses Taktieren aufgrund der geringen Schwierigkeit gar nicht nötig, da der massive Angriff effizient genug ist.

Das Wii-Spiel ist recht kurz. Bis zum Ende der Story vergehen keine zehn Stunden und danach warten auch keine Extras oder - was hier wirklich schön gewesen wäre - ein erhöhter Schwierigkeitsgrad. Zwar gibt es ein paar optionale Side Quests, da diese aber vor allem mit Goldstücken belohnt werden, die dem Spieler ohnehin reichlich zur Verfügung stehen, ist die Motivation dafür lediglich die Verlängerung der Spielzeit.

Schergen werden durch Schütteln zur lebenden Bombe

Die Grafik ist gut, an einigen Stellen sogar beeindruckend - allerdings trüben gelegentliche Clipping- und andere Grafikfehler und das Einbrechen der Bildrate in größeren Kämpfen das optische Vergnügen. Die Animationen sind zwar wegen der geringeren grafischen Möglichkeiten der Wii einfacher, aber ebenso liebevoll wie bei "Overlord II" und unterstreichen den charmant bösartigen Humor des Spiels.

Schergenquartett in der Hand

Das DS-Spiel "Overlord Minions" beschränkt sich auf vier Schergen - im Englischen Minions und damit für den Namen verantwortlich. Der ebenfalls von den Climax Studios entwickelte Titel ist stärker auf die Puzzles ausgerichtet, die den Konsolen- und PC-Titeln fehlen. Jeweils ein Kobold der vier Arten steht dem Spieler zur Verfügung: Der braune Gunther, der rote Brutus, der grüne Stinker und der blaue Sepp stürzen sich in die Dungeons. Ihre Fähigkeiten entsprechen denen der anderen Versionen. Die Geschichte ist viel dünner als bei den "großen" Geschwistern. Das Spiel ist kaum noch böse und hat eine Altersfreigabe ab 6 Jahren.

Viele Hindernisse erfordern einen bestimmten Koboldtyp und an einigen Stellen muss der Spieler die Typen kombinieren. So sprengt er beispielsweise rissige Wände, indem zunächst Stinker eine Pflanze frisst und dadurch Abgase erzeugt, die Brutus mit seinem Feuerball entzündet. Zudem gibt es klassische Schiebe- und Schalter-Rätsel. Die Gegner spielen in den meisten Levels eine untergeordnete Rolle, da sie keine Herausforderung sind. Gelegentlich dienen sie ebenfalls als Grundlage für Puzzles: An übermächtigen Gegnern kann Stinker vorbei schleichen, andere Feinde sind ohne bestimmte Vorarbeit unbesiegbar.

Insgesamt funktioniert das Rätselprinzip sehr gut und ist konsequent bis in die Bosskämpfe hinein umgesetzt. Auch bei "Overlord Minions" hält sich Climax allerdings mit dem Schwierigkeitsgrad zu sehr zurück. Viele Schieberätsel verdienen die zweite Worthälfte nicht, da Gunther lediglich eine offensichtlich herumstehende Kiste von einem Ende zum anderen bewegen muss. Wird ein Puzzle auch nur ein wenig komplexer, erklärt Schergenmeister Gnarl dem Spieler genau, was er tun muss. Für ein Spiel, das auf Puzzles ausgelegt ist, mangelt es an Herausforderung.

Die DS-Version setzt auf Puzzles

Die Steuerung erfolgt rein über den Touchscreen des DS, was in den meisten Fällen recht gut funktioniert. Wenn das Geschehen sich allerdings auf einen Bereich konzentriert, kommt das System an seine Grenzen. Der Spieler bewegt die Figuren einfach mittels Ziehen, greift mit einem schnellen Strich Gegner an, aber heilt auf dieselbe Art auch die Schergen und führt eine Aktion wie das Herunterlassen einer Brücke aus. Das führt dann beispielsweise dazu, dass Gunther einen Hebel nimmt und den Zwerg daneben ignoriert, weil der Spieler eben beide mit dem Strich erwischt. An einigen Stellen reagiert die Engine nicht korrekt auf die Eingabe und der Spieler muss mehrfach eine Kiste berühren, bevor Gunther sich bequemt sie zu bewegen.

Aller bösen Dinge sind drei

Vermutlich wird es wenige geben, die alle Konsolen ihr Eigen nennen und sich zwischen den drei Overlord-Titeln entscheiden wollen oder müssen. Die drei Spiele sind auch unterschiedlich genug, ihre jeweiligen Stärken zu haben, leider aber auch ihre jeweiligen Schwächen. Alle drei Titel glänzen mit ihrem bösartigen Charme und - abgesehen von der kaum vorhandenen Geschichte von "Overlord Minions" - den lustigen Hintergrund-Stories.

"Overlord II" ist das anspruchsvollste, detaillierteste und bösartigste der drei. Spielerisch ist es völlig auf Action ausgelegt, Strategie und Rätsel kommen zu kurz. Die Steuerung ist eine echte Krücke, aber dennoch bekommt der Spieler dank der Neuerungen einiges an Abwechslung geboten.

"Overlord Dark Legend" hat dank der Einbindung der Wii Mote als Zeiger die optimale Steuerung, fordert den Spieler aber zu wenig. Auf Nintendos Konsole ist zudem die Konkurrenz groß: Neben dem Platzhirsch Pikmin ist das im Frühjahr erschienene "Little King's Story" sehr ähnlich. Beide bieten mehr strategische Tiefe und der kleine König hat eine ähnlich abgedrehte Geschichte zu bieten. Dennoch hat Codemaster's Wii-Titel seinen ganz eigenen, bösartigen Charme und macht während der - leider zu kurzen - Spielzeit richtig Spaß.

"Overlord Minions" ist ein nettes Action-Puzzle, das von der Idee ein wenig an den Klassiker "Lost Vikings" erinnert, in dem der Spieler drei Wikinger mit unterschiedlichen Fähigkeiten zum Überwinden von Hindernissen und Besiegen von Gegnern einsetzt. Leider erreicht Codemasters Spiel nicht die Tiefe des Wikinger-Spiels. Die Kämpfe sind zu trivial und die Rätsel zu oberflächlich, sodass der Action Puzzler weder wirklich Action noch echte Puzzles bietet.

Alle drei Spiele nutzen das Potenzial nicht aus, das die sehr gute - wenn auch bei Pikmin abgeschaute - Spielidee, die liebevoll gestalteten und umgesetzten Charaktere und nicht zuletzt die witzige Story bieten würden. Die "Overlord"-Titel machen Spaß, aber die jeweiligen Mängel verhindern, dass aus netter Unterhaltung großartige Spiele wurden.