Boni bei den Top-Bankern haben nichts mit Leistung zu tun

Der New Yorker Generalstaatsanwalt Cuomo hat die Bonuspraktiken der Wall Street analysiert und festgestellt: "Die Art, wie die Banken ihre Mitarbeiter bezahlen, hat weder Hand noch Fuß"

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Andrew M. Cuomo, der Generalstaatsanwalt von New York, hat am Freitag einen Bericht veröffentlicht, der die Bonuszahlungen der größten US-Banken im Krisenjahr 2008 analysiert. Nicht dass dabei allzu viel Neues heraus gekommen wäre, allerdings macht Coumo, der sich damit wohl auch für das New Yorker Gouverneursamt empfehlen will, schon im Titel "Heads I Win, Tails You Lose" klar, dass er mit der Kompensationspraxis der Wall Street nicht viel Freude hat: "Eines ist aus der Untersuchung eindeutig hervorgegangen: Die Art, wie die Banken ihre Mitarbeiter bezahlen, hat weder Hand noch Fuß. Die letzten drei Jahre boten so etwas wie ein virtuelles Laboratorium, um die Hypothese zu testen, die Gehaltszahlungen in der Finanzindustrie würden auf der Leistung basieren. Aber selbst eine oberflächliche Analyse macht klar, dass die Gehälter der Bankangestellten völlig vom finanziellen Erfolg der Bank losgelöst sind."

Ein konsistenter, prinzipiengeleiteter Ansatz würde verlangen, dass die Bonuszahlungen, die nötig sind, um erfolgreichere Mitarbeiter zu belohnen und im Unternehmen zu halten, mit der allgemeinen Ertragslage der Bank ausbalanciert werden müssten, meint Coumo. Und derartiges behaupten laut Cuomo ja generell auch die Banken, wenn sie die eigenen Bonus- Usancen erläutern. Jedoch: "Als es den Banken sehr gut ging, wurden auch die Mitarbeiter sehr gut bezahlt. Als es den Banken schlechter ging, wurden sie dennoch gut bezahlt. Als es den Banken dann sehr schlecht ging, mussten sie zwar von den Steuerzahlern gerettet werden, die Mitarbeiter wurden aber weiterhin sehr gut bezahlt. Die Boni und die Gesamtkompensationen haben sich jedenfalls nicht signifikant geändert, als die Profite zurückgingen."

Im Detail hat Coumop dabei die "Big Nine" analysiert, die neun mächtigsten US-Banken, denen von Bush-Administration und Notenbank vergangenen Oktober staatliche Gelder unterschiedslos aufgezwungen wurden, wobei etwa Bank of New York/Mellon und State Street Financials bis heute behaupten, die staatliche Kapitalbeteiligung nicht freiwillig angenommen und insbesondere nicht nötig gehabt zu haben.

Das gilt freilich nicht für die anderen Geldhäuser, die den letzten Herbst ohne Staatshilfe wohl großteils nicht überlebt hätten. Dennoch sind diese zur Rettung des Finanzsystems bestimmten Gelder laut Coumo dann zu einem gewichtigen Teil in die Kompensation der Top-Mitarbeiter geflossen. So erlitten Citigroup und Merrill Lynch im Jahr 2008 Verluste von jeweils mehr als 27 Mrd. USD, Citigroup zahlte aber dennoch erfolgsabhängige Boni in Höhe von 5,33 Mrd. USD, während es bei der schon zuvor in die Fast-Pleite geschlitterten Merrill immerhin 3,6 Mrd. USD waren. "Zusammen verloren sie also rund 54 Mrd. USD, erhielten 55 Mrd. An Staatshilfen und zahlten fast neun Mrd. USD an Boni."

Bei Goldman Sachs, Morgan Stanley und JP. Morgan Chase waren die Boni im Vorjahr immerhin substantiell höher als der jeweilige Nettogewinn: Goldman, die zehn Mrd. USD vom Staat erhielt, verdiente 2,3 Mrd. Dollar und zahlte 4,8 Mrd. an Boni. Morgan Stanley, die gleichfalls zehn Mrd. Dollar vom Staat erhielt, verdiente 1,7 Mrd. USD und zahlte 4,475 Mrd. USD. JP. Morgan Chase machte 2008 dank 25 Mrd. USD an Staatshilfe immerhin 5,6 Mrd. USD an Gewinn, zahlte gleichzeitig aber satte 8,69 Mrd. Dollar an erfolgsabhängigen Boni.

Am ehesten in Einklang mit den Ertragszahlen waren diese "Leistungsvergütungen" der "Big Nine" bei State Street und Bank of New York Mellon, die jeweils zwei Milliarden Dollar an Staatshilfe bekommen hatten. State Street verdiente im Vorjahr beispielsweise 1,811 Milliarden USD und zahlte 470 Millionen Dollar, während Bank of New York/Mellon bei 1,4 Mrd. USD an Gewinn 945 Millionen an Bonuszahlungen leistete.

Generell sind die Kompensationszahlungen in den Boomjahren von 2003 bis 2006 bei den meisten Banken massiv und stetig angestiegen, um dann auf diesen hohen Niveaus zu verharren, obwohl die Subprimkrise bereits 2007 ausgebrochen war und die Gewinne schmelzen ließ. Bei der Bank of America stiegen die Bonuszahlungen zwischen 2003 und 20006 beispielsweise von rund zehn auf 18 Mrd. USD. Obwohl die ausgewiesenen BoA-Gewinne 2008 von 14 Mrd. auf 4 Mrd. USD einbrachen, verharrten die Boni dennoch auf dem nunmehr gewohnten 18-Mrd.-Dollar-Niveau. Ähnliches konstatiert Cuomo für die Citigroup. Dort stiegen die Leistungskompensationen in den Boomjahren von 20 Mrd. auf 30 Mrd. Dollar und verblieben auf diesem Niveau selbst als die zeitweise größte Bank der Welt im Krisenverlauf nur knapp an der Zahlungsunfähigkeit vorbeigeschrammt war.

In gewisser Weise, meint Coumo, wurden diese extrem hohen Bonuszahlungen für die Banken zu einer „kulturelle Erwartung und einem Wettbewerbsfaktor“. Als beispielsweise bei Merrill Lynch die Erträge wegbrachen, orientierte das einst weltgrößte Brokerhaus seine Bonuszahlungen nicht mehr an den eigenen Gewinnen, sondern daran, was Merrill annahm, dass die Konkurrenz ausschütten werde. Folglich zahlte Merrill im Jahr 2007, als ein Verlust von sieben Milliarden Dollar eingefahren wurde, dennoch fast 16 Mrd. Dollar an Boni. Im Folgejahr, als Merrill praktisch pleite ging und seine Unabhängigkeit an die Bank of Amerika verlor, wurden dennoch fast 15 Mrd. USD ausgeschüttet – das obwohl die Verluste in diesen beiden Jahren die Gewinne der Boomjahre um ein mehrfaches überstiegen.

Dazu hatte Merrill freilich seine Kompensations-Systematik ändern müssen, „um die Mitarbeiter in den profitablen Abteilungen belohnen zu können“, wie der Chef des Bonus-Komitees bei Merrill gegenüber Coumo erläuterte. Man habe befürchtet die künftige Performance zu gefährden, würden die Mitarbeiter, wie zuvor, abhängig von der gesamten Ertragslage des Geldinstituts entlohnt. „Denn die Verluste waren nur in einigen wenigen Geschäftsbereichen aufgetreten, während andere durchaus profitabel geblieben sind. Um nun die Abwanderung der besten Leute zur Konkurrenz zu vermeiden, sei es unumgänglich gewesen, deren Kompensationen auf den üblichen Niveaus zu belassen“ - trotz insgesamt massiver Verluste.

Laut Coumo gelte diese Rationalität freilich nicht nur bei Merrill, sondern ganz allgemein. Es sei eine systemweite Praxis, so dass laut Coumo keine einzelnen Institute dafür verantwortlich gemacht werden könnten, sondern eine allgemeine Lösung angestrebt werden müsse – was nun ja auch Präsident Obama versucht zumindest für jene Banken umzusetzen, die Staatsgelder erhalten haben. So ganz kann Cuomo die Erklärung aber auch nicht gelten lassen, denn er fand „jede Menge an Beispielen, in denen auch an verantwortliche Mitarbeiter von Abteilungen, die hohe Verluste erzielten, hohe Boni ausgeschüttet wurden.