Frisches Blut

Die deutsche Bundeswehr sucht Nachwuchs und bedient sich dabei massiv ziviler Jugendmedien

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„Liebst du das Abenteuer? Bist du topfit?“ – Mit diesen Fragen wirbt die Bundeswehr seit einiger Zeit auf einer Webseite von Deutschlands größtem Jugendmagazin BRAVO für „tolle Tage im Ausbildungscamp der Einzelkämpfer“ in der Luftlande- und Lufttransportschule der Bundeswehr im oberbayerischen Altenstadt. Nicht das erste Mal, dass sich die Bundeswehr ziviler Medien bedient um neuen Nachwuchs zu gewinnen.

Ab dem 3. August können 30 Teilnehmer ab 16 Jahren am dreitägigen Geländespiel „Bundeswehr Adventure Games“ (BAG) teilnehmen. Präsentiert wird der Event vom Personalamt der Bundeswehr und dem Jugendmagazin BRAVO: Die eine Hälfte der jungen Teilnehmer rekrutiert sich dabei aus Mitgliedern der „Community“ des Bundeswehr-Rekrutierungsforums treff.bundeswehr.de, die andere Hälfte musste sich über ein Gewinnspiel auf der BRAVO-Website bewerben.

Screenshot der Werbung auf Bravo.de

Das deutsche Jugendmagazin verspricht auf seiner Website „Fußmärsche und Orientierungsläufe, [einen] Seilgarten, Schlauchboot fahren & mehr“, und wer sich vom „Sprungturm der Fallschirmjäger“ stürzen möchte kann auch dies bei den „Adventure Games“ erleben. Die Jugendlichen sollen – ganz nach militärischem Drill - in drei Teams in einem Vergleichswettkampf gegeneinander antreten. Bei den „BAG’09“ soll aber auch die Lagerfeuerromantik nicht zu kurz kommen, versprechen die Veranstalter. Kosten entstehen für die jungen Teilnehmer nicht: „Ihr bekommt sogar Gutscheine für die Bahn, mit denen ihr von eurem Wohnort nach Schongau und wieder zurück fahren könnt“, heißt es dazu auf der Bundeswehr-Website.

Seit 2007 führen Armee und Jugendmagazin das Spektakel gemeinsam durch – die Olivgrünen zahlen dabei allerdings drauf. Laut BRAVO-Pressesprecherin handelt es sich bei dem Gewinnspiel auf der BRAVO-Website um einen von der deutschen Armee bezahlten Promotion-Artikel in redaktionellem Gewandt. Das kleine Wort „Promotion“ über dem Artikel soll dann auch darauf hinweisen, dass es sich nicht um einen normalen Artikel auf der bunten Website handelt. Dass sich die BRAVO durch die Werbung zum Steigbügel für die Rekrutierung Minderjähriger macht, wird von dem im Bauer-Verlag erscheinenden Jugendmedium nicht kritisch gesehen – bei den „Bundeswehr Adventure Games“ gehe es um „Spaß und sportlichen Wettkampf“, so die BRAVO-Sprecherin. Die Verantwortlichen der Bundeswehr waren für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Die Nutzung von zivilen Jugendmedien zur Nachwuchsgewinnung ist kein Einzelfall: auch in der bundesweit mit einer Auflage von einer Million Exemplaren erscheinenden Schülerzeitung SPIESSER wirbt die Bundeswehr regelmäßig (Armee umwirbt Kinder). Zwar heißt es im Redaktionsstatut, dass der SPIESSER „Gewalt als Mittel zum Erreichen sozialer, politischer oder gesellschaftlicher Ziele“ ablehnt, das hindert die Schülerzeitung jedoch nicht daran mit ganzseitigen Bundeswehr-Anzeigen für den Dienst an der Waffe zu werben – sogar mit Afghanistan-Motiv (SPIESSER 116, November 2007). Stellung dazu möchte die SPIESSER-Redaktion nicht nehmen. Mit dem Studierendenmagazin der Wochenzeitung DIE ZEIT, der ZEIT-Campus, hat die Bundeswehr sogar gleich eine dauerhafte „Partneranzeige“ auf der Website vereinbart. Auch in der gedruckten Ausgabe (Nr. 4, Juli/August 2009) wirbt die Armee zielgruppengerecht für eine höhere Armee-Laufbahn bzw. ein Bundeswehr-Ingenieursstudium um später für das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung zu arbeiten.

Massive Bundeswehr-Werbung findet sich ebenfalls in Medien für Schüler, die kurz vorm Abitur stehe und oft noch nicht wissen was sie danach machen wollen: das bundesweite Schülermagazin Unicum brachte in ihrer Ausgabe zum Abitur 2009 eine Werbeanzeige der Bundeswehr und auch auf der Website der Zeitschrift wird ausführlich für eine vermeintliche „Karriere mit Zukunft“ geworben – dabei scheint es sich um bezahlte Werbung in redaktionellem Gewandt zu handeln, die aber nicht als solche gekennzeichnet ist. Das wäre ein Verstoß gegen den Pressekodex. Gekennzeichnete Bundeswehr-Werbung findet sich außerdem noch in der Abiturienten-Ausgabe des Handelsblatt-Magazins „Junge Karriere“ (Juni-Ausgabe), in dem „Karriere-Magazin für die Klassen 11, 12 + 13“, absolut karriere (Ausgabe 02 - 2009) und im Magazin der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen für das kommende Wintersemester.

Auch im Radio bemüht sich die Bundeswehr um Präsenz: „Das Personalamt der Bundeswehr möchte durch den Einsatz von bundesweiten HF[Hörfunk]-Spots qualifizierten Nachwuchs gewinnen“, ist seit einigen Monten auf der Website der Solinger Werbeagentur „Von Mannstein“ zu lesen. Die Agentur ist vom Erfolg ihrer Radioproduktion überzeugt:

Der Hörfunkspot nutzt akustische Signale um Aufmerksamkeit zu erregen: Rotorgeräusche moderner Helikopter, Code-Wörter über Funk. Die Botschaft lautet "Action". Die Schlagwörter "Leistung", "Verantwortung", "die Besten für unser Team" sorgen für die notwendige polarisierende Ansprache.

Im vergangenem Dezember hatte die Agentur den Millionen Euro teuren Auftrag zusammen mit dem Unternehmen „Zenithmedia“ vom deutschen Verteidigungsministerium erhalten. Das Düsseldorfer Unternehmen „Zenithmedia“ wurde erst im November 2008 zusammen mit einer weiteren „Kreativagentur“ für einen Rekrutierungsradiospot der Bundeswehr prämiert. Ausgestrahlt werden die Bundeswehr-Radiospots der jungen Zielgruppe entsprechend auf Sendern wie Einslive, dem Jugendradio des Westdeutschen Rundfunk, oder Radio Fritz vom Rundfunk Berlin-Brandenburg.

Neben Printanzeigen und Hörfunkspots übt sich die Bundeswehr auch an der Eroberung von Kinos um einige der jährlich benötigten "20.000 jungen Frauen und Männern" vom Dienst an der Waffe zu überzeugen. Besonders an Hubschrauber- und Kampfflugzeug-Piloten scheint es der Armee zu mangeln.

Die Bundeswehr zieht immer öfter in Auslandseinsätze und soll – geht es nach einigen Regierungspolitikern – bald auch im Inland verstärkt zum Einsatz kommen. Für die immer umfassenderen Aufgaben benötigt das Militär immer mehr Soldatinnen und Soldaten. Der Konkurrenzkampf um neue Köpfe – besonders um Akademiker – mit der zivilen Wirtschaft ist groß. Daher wirbt die Armee mittlerweile massiv in Jugendmedien für den Dienst an der Waffe – dabei werden auch Kinder umworben. Wann die ersten Bundeswehr-Rekrutierungsspots im alltäglichen Fernsehprogramm laufen werden scheint nur noch eine Frage der Zeit.