Der Erfinder der Schreibmaschine

Schreibmaschine von Peter Mitterhofer im Technisches Museum Wien. Bild: Reinraum

Der Südtiroler Tischler Peter Mitterhofer tippt 1869 den ersten Brief - auf einer Maschine aus Holz

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Der erste Brief, der jemals auf einer Schreibmaschine geschrieben wurde, war ein Dankes- und Bettelbrief. Der Brief trägt ein Datum, den 8. August 1869, und geschrieben hat ihn der Südtiroler Tischler, Lebenskünstler und Erfinder Peter Mitterhofer an seinen Freund und Gönner, den Landadligen Ritter Franz von Goldegg.

Besagter Brief ist in hohem Maße selbstbezüglich, denn das Problem, für das Mitterhofer die ritterliche Unterstützung erbat, hatte viel mit dem Zustandekommen des Maschinenbriefes zu tun: 1869 gab es nämlich noch gar keine Schreibmaschinen, der Tiroler Dorfhandwerker hatte sie eben erst erfunden und benötigte Unterstützung, um ein verbessertes Modell bauen zu können. Die erste Schreibmaschine, auf der ein Brief getippt wurde, war noch aus Holz und hatte viele Macken. Aber das Grundprinzip war erkannt, und die Vielzahl von Ideen, Entwicklungen und Problemlösungen, auf die Mitterhofer gekommen war, lässt ihn in einer Reihe stehen neben den großen Erfindern der Menschheitsgeschichte, neben Gutenberg, Edison oder Daimler. Doch leider ist der Südtiroler Handwerker außerhalb von Fachkreisen nahezu unbekannt.

Die Geschichte des Schreibmaschinenerfinders Peter Mitterhofer erinnert stark an den Erfinder der ersten sekundengenauen Uhr, mit der auf hoher See der Längengrad bestimmt werden konnte, den englischen Tischler John Harrison. Wie Harrison kam Mitterhofer ohne fremden Sachverstand oder Hilfe aus, wie der Engländer konstruierte Mitterhofer seine ersten Prototypen aus Holz und wie jener ernteten Ruhm und Anerkennung für die Erfindung andere. Peter Mitterhofer wurde 1822 im Dörfchen Partschins nahe Meran geboren. Er war Sohn eines Zimmermanns und lernte den väterlichen Beruf1. Er ging „auf die Walz“, kam durch Österreich, Frankreich, Deutschland und den Balkan, bevor er, in seinen Heimatort zurückgekehrt, die sechs Jahre ältere Marie Steidl ehelichte und Haus und Zimmermannsbetrieb von den Schwiegereltern übernehmen konnte.

Peter Mitterhofers Geburtshaus

Immer schon war Peter Mitterhofer ein Querulant, ein Selbstdenker, der mit den örtlichen Autoritäten, dem Pfarrer, dem Dorfpolizist und dem Bürgermeister, in Konflikt geriet. Und immer schon war ihm der Horizont, nur Zimmermann und Handwerker zu sein, zu beschränkt. Er macht Musik, zieht als Unterhaltungskünstler und Bauchredner durch die Dorfgaststätten. Zu den wenigen schriftlichen Lebenszeugnissen des Peter Mitterhofer zählt ein Anschlagzettel, mit dem der Tausendsassa zu einer „Abend-Unterhaltung“ einlädt, bei der er sich als „Tonkünstler und Bauchredner“ anpreist und ankündigt, sich „im künstlichen Blasen mit freiem Munde“, Singen und Pfeifen zu „producieren“2. Die Instrumente, auf denen er spielt, baut Mitterhofer sich selbst. Dazu zählt das „hölzerne Glachter“, also Gelächter, eine Art Xylophon, das anstatt mit Klöppeln mit Tasten angeschlagen wurde, die über Verbindungshebel die Hämmerchen in Bewegung setzen konnten.

Einige sehen darin den Ursprung der Erfindung seiner Schreibe-Maschine. Ältere Partschinser dagegen wussten noch zu berichten, dass Mitterhofer, als er sechs Wochen Arrest im Gefängnis von Meran absitzen musste, auf die Idee gekommen sei. Von 1864 bis 1870 baut der Zimmermann fünf Schreibmaschinen3. Nach der Fertigstellung des, verschollenen, dritten Modells muss Peter Mitterhofer das Geld ausgegangen sein.

Peter Mitterhofer

Es lässt sich daraus schließen, dass aus der Schreibmaschinenleidenschaft eine Manie geworden war und der Erfinder so zurückgezogen an seinen Konstruktionen werkelte, dass er darüber das Tagwerk vernachlässigte. Beim Bau des dritten, sogenannten Wiener Modells kommt Mitterhofer darum auf die vielleicht verrückteste Idee: Er beschließt, nach Wien zu gehen und seine Erfindung dem österreichischen Kaiser Franz Joseph vorzuführen, um ihn, den Kaiser, um finanzielle Unterstützung zu bitten. Womöglich benötigte er die Finanzhilfe aber auch, um weitere Verbesserungen an seinen Modellen durchzuführen: die ersten drei Maschinen waren nämlich noch aus Holz gefertigt, vor allem für die Anschaffung eines Typenschriftsatzes aus Metall waren weitergehende Investitionen nötig.

„Nach Wien gehen“ ist übrigens wörtlich zu verstehen: Die über 600 Kilometer von Partschins nach Wien musste der Handwerker auf Schusters Rappen zurücklegen. Dabei kam dem Tüftler eine weitere seiner Erfindungen zugute: Die „Buckelkraxe“ war eine Art Schubkarre, die sich durch Ausspannen des Rads in eine Rückentrage verwandeln ließ. Mit diesem Gerät schaffte Mitterhofer seine Schreibmaschine nach Wien. Im Dezember 1866 kam er in der Kaiserstadt an. Von einem Bekannten ließ er sich ein „Gesuch“ schreiben, mit dem er um einen „kleinen Subventionsbeitrag aus Staatsmitteln bis zur Verfertigung eines korrekten Apparats“ ersuchte. In diesem Schreiben finden sich bereits alle Vorzüge zusammengefasst, die einer Schreibmaschine nachzusagen sind:

  • „Es wird durch die Anwendung desselben durch die schnellere Herstellung der Schrift an Zeit gewonnen;
  • die Schrift ist immer gleich schön und gleich deutlich und gleichmäßig, und erfordert beiläufig den vierten Teil an Raum von der gewöhnlichen Kanzleihandschrift; daher ein bedeutendes Ersparnis an Papier erzielt wird und ist die Druckschrift für Jedermann leserlich; (…)
  • selbst Blinde können mittels dieses Apparates ohne besondere Anstrengung in einigen Tagen das Schreiben mit selben erlernen; (…)
  • Da die Anwendung dieses Apparates fast ohne Anstrengung vonstatten geht, wird derselbe auch allen jenen vorzüglichen Dienste leisten, welche mit geistiger Kraft arbeiten, wie zum Beispiel Diplomaten, Konzeptbeamten, Advokaten, Notaren, Schriftstellern, Dichtern usw., denn diese können ihre ganze Aufmerksamkeit ihrer geistigen Arbeit zuwenden;
  • Dieser Apparat wäre auch zum Gebrauche ambulanter Feldkanzleien aus dem Grunde sehr praktisch, weil er alles, was zum Schreiben gehört, in sich vereinigt, leicht transportabel ist, einen geringen Raum einnimmt, Feder und Tinte ganz entbehrlich macht, und mittels selben in allen Witterungsverhältnissen schnell geschrieben werden kann; (…)
  • Endlich ist derselbe auch für den Geschäftsverkehr und in ökonomischer Beziehung wichtig für jene Individuen, welche beim Licht entweder gar nicht oder nur schwer schreiben können, oder eine schwere Hand besitzen, von großem Vorteil“4.

Außerdem erlaubte sich Mitterhofer den Hinweis, „der Bittsteller ist arm, und besaß nicht die Mittel zur Anschaffung feiner Werkzeuge“. Das nächste Wunder: Der „einfache Mann“ aus Südtirol findet tatsächlich am kaiserlichen Hof Gehör. Die staatliche Kabinettskanzlei übergibt dem Polytechnischen Institut in Wien Mitterhofers „Schreibapparat“ und lässt ein Gutachten erstellen. Zwei Monate muss Mitterhofer in Wien ausharren. Januar 1867 bescheinigt das Institut der Erfindung, dass „ein tadelloses Funktionieren bei präziser Ausführung außer Zweifel stehe und die Überwindung der eigentlichen Schwierigkeiten dem Erfinder in sehr vollkommener Weise gelungen ist“. Kaiser Franz Joseph gewährt daraufhin tatsächlich eine Subvention von 200 Gulden, eine „stattliche Summe“, und zwar „als Anerkennung eines mühsamen und unverdrossenen Strebens“.

Schreibmaschine von Peter Mitterhofer. Bild: Hektor Haarkötter

Peter Mitterhofer baut nun Jahr um Jahr ein neues Modell. Vom Buchdrucker aus Meran besorgt er sich gebrauchte metallene Typen, auch Konstruktionsrahmen und Tastatur werden nun aus Metall gefertigt. Im August 1869 kann er auf seinem neuen Modell den bereits erwähnten Brief an Ritter von Goldegg schreiben. Ende des Jahres zieht er neuerdings nach Wien, um dem kaiserlichen Hof die Frucht seiner Arbeit zu präsentieren. Mitterhofer hofft auf Unterstützung bei einer „fabrikmäßigen Erzeugung“ seiner Schreibmaschinen, die er für „40 Gulden“ an den Mann bringen will.

Doch der Ort seines bislang größten Triumphs wird nun zum Schauplatz seiner bittersten Niederlage. Mitterhofer muss feststellen, dass er mit seiner Erfindung gar nicht ernst genommen wird. Er hätte es bereits ahnen können. Als er 1867 erstmals einer Öffentlichkeit seine Schreibmaschine vorgestellt hatte, schrieben die „Innsbrucker Nachrichten“ einen hochironischen Artikel, der sich über den Erfinder lustig machte. Ein „schlichter Zimmermann“ habe „eine Schreibmaschine, welche die Bewunderung des Besuchers in hohem Grad erregt und nach dem Urtheile vieler eine weittragende Zukunft für sich hat, erfunden. Jetzt fehlt nur noch eine Denkmaschine, die mit der Schreibmaschine in Verbindung gebracht werden kann, und wir haben keine Schulen mehr nöthig“5.

Ähnlich muss man wohl auch in Wien gedacht haben. Nicht mehr die Wissenschaftler vom Polytechnischen Institut beschäftigen sich mit der Neuentwicklung, sondern das Präsidium der Polizeidirektion Wien, das Mitterhofer am „3. Jänner 1870“ eine Art Führungszeugnis ausstellt: „Das Resultat, welcher der schlichte, aller Vorbildung entbehrende Landmann durch richtige Kombination und staunenswerte Ausdauer erzielt hat, sei anerkannt, und das vorliegende, in allen seinen Details musterhaft ausgeführte Modell würde (…) strebsamen Schülern zum anregenden Beispiel dienen können, wie weit es der denkende und fleißige Mensch bringen kann“6. Da aber „eine eigentliche Anwendung dieses Apparates wohl nicht zu erwarten stehe“, wird Peter Mitterhofer mit weiteren 150 Gulden aus der Staatskasse abgefunden. Er geht, zu Fuß, zurück nach Partschins und beschäftigt sich fortan nicht weiter mit Schreibmaschinen.

Remington Nr. 2 (USA 1878). Bild: Hektor Haarkötter

Zu seinem Schaden tritt, wie sollte es anders sein, noch der Spott: Nur vier Jahre später stellen die US-Amerikaner Latham Sholes, Carlos Glidden und Samuel Soulé aus Milwaukee den ersten, vom Waffen- und Nähmaschinen-Hersteller Remington kommerziell produzierten „type-writer“ vor7. Die „Sholes&Glidden“, so die Typbezeichung, hat so viele Konstruktionsmerkmale mit Mitterhofers Erfindung gemeinsam, dass gemutmaßt wurde, die Amerikaner hätten bei der Wiener Weltausstellung 1873 den Tiroler Prototyp zu Gesicht bekommen. Jedoch lässt sich ihre Anwesenheit in Wien auf keine Weise belegen. Auch Remington hatte anfangs große Schwierigkeiten, seine Schreibmaschine zu vermarkten. Es mussten erst berufliche Einsatzmöglichkeiten ersonnen und bekannt gemacht werden, um den jahrhundertelang handschriftlichen Kanzlei- und Büroschriftverkehr auf die neue Maschinenschrift umzustellen. Ein ganz neues Berufsbild brachte die Schreibmaschine hervor: die (weibliche) Sekretärin. Es wurde gemutmaßt, dass der Klavierunterricht höherer Töchter die Fingerfertigkeit vermittelte, die Frauen für die Bedienung von Schreibmaschinen prädestinierte:

Es wird überraschen, hier einen praktischen Nutzen der zur wahren Landplage gewordenen Ausbildung junger Mädchen im Klavierspielen zu finden: die hierbei gewonnen Fingerfertigkeit ist für die Handhabung der Schreimaschine sehr wertvoll.

Die Arbeit, die die Frauen in ihrer neuen Berufstätigkeit zu verrichten hatten, war auch in physikalischer Hinsicht nicht zu unterschätzen. So hat Ewald Jarz vom Institut für Wertprozessmanagement und Wirtschaftsinformatik in Innsbruck ausgerechnet, dass „je nach Art der verwendeten Schreibmaschine (…) eine Anschlagarbeit von 250 bis 400 cmp (p=pound=Krafteinheit) notwendig, wobei ein Tastentiefgang von 12 bis 17 mm zu überwinden ist“. Umgerechnet auf die Tagesleistung bedeutet das: „Bei einer Schreibleistung von etwa 50000 Anschlägen/Tag bewegt ein Schreiber mit seinen Fingern etwa 2,5t“8.

Bild: Hektor Haarkötter

Im privaten Schriftverkehr dagegen hat die Schreibmaschine sich eigentlich nie wirklich durchgesetzt. So stellte auch der Medienwissenschaftler Friedrich Kittler fest, „getippte Liebesbriefe sind keine“, und zieht daraus den Umkehrschluss: „Textverarbeitung ist heute das Geschäft von Paaren, die miteinander schreiben, statt miteinander zu schlafen“9. Eine der bleibenden Errungenschaften des Sholes & Glidden-Modells ist die Tastaturanordnung nach dem QWERTY-Layout, benannt nach den Buchstaben der ersten sechs Tasten (im Deutschen QWERTZ), die mit wenigen Änderungen bis heute auch noch für Computerkeyboards gültig ist. Dabei kam es zu dieser Anordnung aufgrund eines gravierenden technischen Mangels: Die Typenhebel verhakten sich schnell ineinander, weswegen häufig benutzte Buchstaben nicht nebeneinander liegen durften. Eine Finesse erlaubte sich Christopher Latham Sholes bei dem Layout: Alle Buchstaben des Worts „typewriter“ finden sich in der ersten Zeile10.

Bild: Hektor Haarkötter

Was war das Besondere an Mitterhofers Erfindung? In seinem Bittschreiben an den Kaiser notierte Mitterhofer selbstbewusst, „indem ich ein schlichter tiroler Landmann aus Partschins bei Meran, nie etwas gesehen habe, was meiner Erfindung auch nur im Entferntesten zum Vorbild gedient hätte“. Zwar gab es auch vor Mitterhofer schon Versuche, den Vorgang des Schreibens zu mechanisieren. Der Engländer Henry Mill bekam bereits 1714 ein königliches Patent für den Vorläufer einer Schreibmaschine, von dem sich allerdings weder Zeichnungen noch konstruktive Einzelheiten überliefert haben. Der deutsche Karl Drais (1821), die Italiener Turri (1808) und Novara (1855) sowie der Franzose Jean Bernard Léon Foucault (1855) bauten Maschinen zum Schreiben. Ihre konstruktiven Mängel lassen diese Geräte aber weniger als Vorläufer der späteren Schreibmaschinen, denn als experimentelle Vorversuche erscheinen. Einzig die „Skrivekugle“ des dänischen Pastors Malling Hansen brachte es zeitgleich mit Mitterhofers Erfindung zur Marktreife. Ihre Bedienung mit dem als Halbkugel angeordneten Tastenfeld war aber so kompliziert, dass selbst ihr glühendster Anhänger, der halbblinde Philosoph Friedrich Nietzsche, die Arbeit mit ihr wieder einstellte. Sein Apercú: „unser Schreibzeug arbeitet mit an unseren Gedanken“ beschäftigt dennoch bis heute eine Armada von Literatur- und Medienwissenschaftlern11.

Tatsächlich war Mitterhofers Schreib-Apparat selbst den ersten Typewriter-Modellen von Sholes & Gliden um 30 Jahre voraus. Schon Mitterhofers Maschine besaß einen Typenhebelkorb, eine dreireihige Blocktastatur und Mehrfachschaltung. Anders als die ersten Typewriter aus dem Hause Remington beherrschten Mitterhofers Schreibmaschinen bereits Groß- und Kleinschreibung und produzierten beim Schreiben sichtbare Schrift. Da es sich bei den Remington-Geräten um Unteranschlagmaschinen handelte, verdeckten die Typen das eben Geschriebene. Erst 1896 verkauft die Fa. Underwood die erste Schreibmaschine, die Schrift wieder sichtbar macht. Es wird die erfolgreichste Maschine aller Zeiten, über 12 Millionen mal verkauft.

Peter Mitterhofer und seine Schreibmaschinen gerieten vollständig in Vergessenheit. Mitterhofer selbst beschäftigte sich nicht mehr mit ihnen. Drei seiner Prototypen fand Alois Gstrein, eine Neffe Mitterhofers, nach dessen Tod 1911 zwischen zwei Holzwänden auf dem Dachboden versteckt. Ein Gedenkstein an der Dorfkirche von Partschins rühmt den mittlerweile berühmtesten Sohn des Dorfes historisch nicht ganz korrekt mit den Worten:

„Hier ruhet Peter Mitterhofer
Der erste Erfinder der Schreibmaschine
Die Andern, die von ihm lernten,
durften die Früchte seines Talentes ernten“.

Das Erfinden allerdings ließ Mitterhofer bis zu seinem Tod nicht sein. Als seine Frau schwer erkrankte, wollte er ihr die körperlich harte Hausarbeit erleichtern und erfand die Waschmaschine. Natürlich aus Holz.