Erneuerbare Energien? Aber Sicher!

Risiken und Nebenwirkungen der grünen Energieversorgung

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"Im Oktober 1973 erschütterte die auf stetes Wachstum programmierte westdeutsche Gesellschaft der Ölschock. Als Folge des Jom-Kippur-Krieges zwischen Israel und den arabischen Staaten hatten die Erdöl produzierenden Länder Arabiens die Förderung drastisch gedrosselt. Binnen Tagen schoss der Ölpreis pro Barrel von drei auf fünf US-Dollar, später auf zwölf Dollar", berichtet ein Chronist des Deutschen Bundestages.

Seither sind fast 36 Jahre vergangen. Verändert hat sich energietechnisch nichts Wesentliches. Es waren ja auch nur Otto und Liese Müller, die's gern "grüner" gehabt hätten. Um die Mächtigen in Politik und Wirtschaft von einer nachhaltigen Energiewirtschaft zu überzeugen, mussten schon andere kommen: Etwa Herr Putin mit seinen seit Jahren andauernden Machtspielchen mit dem Öl. Oder Herr Ahmadinedschad, der den Ölpreis vor einem Jahr mit einem Raketentest auf ein Allzeithoch von 147 US-Dollar geschossen hat.

Doch schließlich ließen sich auch hierzulande die Wirtschaftsbosse und Politiker eines Besseren belehren. Früher ging das eben nicht - woran hätten sie denn auch erkennen sollen, dass fossile Energieträger tatsächlich irgendwann zur Neige gehen? Doch jetzt ist die Erkenntnis da und schon geht's - zack-zack! - voran: Jetzt werden allein in Deutschen Hochseegewässern Milliarden versenkt, um Deutschlands Energieversorgung aus Putins Klauen zu befreien. In einer noch viel gewaltigeren Aktion will Desertec die Welt mit Hilfe der Sonne Afrikas elektrifizieren. Und das ist gut so!

E-Energy ist das Projekt der Bundesregierung, mit dessen Hilfe der Saft in Deutschland grün werden soll. Damit sollen dann künftig nicht nur Kühlschränke und Industrieanlagen laufen, sondern auch Autos flüsterleise angetrieben werden. Die Wirtschaft wird umgekrempelt wie seit der Erfindung des Rads nicht mehr!

Doch wir wollen auch die Risiken und Nebenwirkungen dieser süßen Medizin nicht verschweigen: Auf dem Energiemarkt der Zukunft herrscht Transparenz, denn die Verbraucher sollen die Waschmaschine erst dann laufen lassen, wenn der Preis wirklich günstig ist. Diesen müssen Energieangebot und -nachfrage per Internet bilden. Das Risiko besteht also darin, dass Dritte versuchen könnten, über die Brücke ins Stromnetz reinschauen, um womöglich gar Unfug anzustellen. So wie das Stromnetz in den USA kürzlich "penetriert" wurde, wie das Wallstreet Journal schreibt.

Die Transparenz der "intelligenten" Stromzähler

Und - da wären wir bei den Nebenwirkungen - es droht Transparenz, wo wir sie uns gar nicht wünschen - etwa bei dem künftigen "intelligenten" Stromzähler: Dieses Teil soll bei den Kunden schlicht und einfach messen, wann der Strom zu welchem Preis genutzt wurde. Das Messergebnis soll zum Stromanbieter übertragen werden, damit der die Rechnung schreiben kann. Nicht mehr, aber auch nicht weniger: Es wäre tödlich für das Vertrauen von Otto und Liese, wenn der Anschein entstünde, dass irgend ein Daten-Junkie mit Hilfe des Zählerstands Verbraucherprofile erstellen könnte.

Derart apokalyptischen Ideen leistet die Energiewirtschaft aber selbst Vorschub: So wirbt EnBW Mann Frey im Gespräch mit JJ's Datensalat dafür, Backofen, Waschmaschine und andere Haushaltsgroßgeräte künftig mit eigener "Intelligenz" auszustatten. Auf Nachfrage bestätigt er, dass auf diese Weise ein präzises Profil des Haushalts erstellt werden könnte. Wie präzise das sein könnte, lässt sich der Laudatio zum Big Brother Award 2008 entnehmen, den die EnBW Tochter Yellow Strom 2008 erhalten hat: Mit Hilfe eines Chips, der stellt wohl die zu Hardware geronnene "Intelligenz" dar, die Frey anpreist) lässt sich feststellen, ob die Wohnung bewohnt ist, wann aufgestanden wird, welches Haushaltseinkommen verfügbar ist und vieles mehr.

Auch wenn so unnötig Misstrauen geschürt wird, bleibt festzuhalten: Keiner der Beteiligten vermittelt diese Pseudo-Souveränität, die andere Telematik-Projekte regelmäßig zur Schau stellen. Das ermöglicht zumindest mal eine zwanglose Kommunikation. Wie angenehm!.

Die gute Kommunikation hilft bei der weiteren Debatte: Wie können wir garantieren, dass kein Schadcode in die Software von Trafos und Smartmetern gelangt? So wie der Computerwurm Conficker zu Jahresbeginn die Französische Luftwaffe in die Knie zwang. In erhöhter Gefahr sind die softwareaufgemotzten Stromzähler etwa bei den Aktualisierungen, die sie regelmäßig erhalten sollen: Wer kann solche Updates auslösen? Welche Funktionen werden aktualisiert? Welche bleiben, wie sie sind?

Diese speziellen Überlegungen führen zu allgemeineren Fragen: Sind die neuen Funktionen tatsächlich sicher? Wer haftet für Softwarefehler? Muss der Kunde den Nachweis führen, dass die Abrechnungsfunktion der Software fehlerhaft war? Ich finde auch die Vorstellung durchaus schick, von der Skipiste aus zu prüfen, ob ich tatsächlich den Backofen ausgeschaltet habe. Nur: Wenn ich den Backofen ausschalten kann - kann ich trotzdem sicher sein, dass kein Dritter ihn wieder anmacht? Weiter geht es damit: Wie können wir sicherstellen, dass Kundendaten nicht massenhaft kopiert werden? Schließlich sind solche Daten ein Vermögen wert! Und Menschen sind bestechlich. Oder - etwa bei Kündigung des Arbeitsvertrags - rachsüchtig.

Die Sensibilität von Projektmanagement und Projektleitern allein reicht offenbar nicht! Es muss in den Unternehmen klare, eindeutige Prozeduren geben, die den Menschen helfen, ihren Job zu erledigen. Jede einzelne Softwareentwicklerin, jeder Monteur, jeder rechnungsschreibende Sachbearbeiter muss sich seiner Verantwortung bewusst sein. Dieses Bewusstsein kann aber nur durch entsprechende Schulung entstehen.

Sie meinen, der Autor sei paranoid und das würde doch in jedem Fall bei Projekten dieser Größe bedacht und Vorsorge getroffen? Von wegen! Lesen Sie mal, welche Klöpse sich zum Beispiel die Arbeitsagentur beim Einführen neuer Software erlaubt. Da geht es nicht mehr nur um Schulung, sondern auch darum, ob womöglich gegen geltendes Recht verstoßen wurde. Sollte sich E-Energy sowas leisten, können sie den Laden gleich dichtmachen.

Und schließlich muss überlegt werden, mit welchen (Betriebs-)Systemen die Mitarbeiter in der Energiewirtschaft umgehen sollen. Denn Eines ist offensichtlich: Diese Branche strebt nach Vernetzung wie keine Zweite. Es kann also nicht angehen, dass ein Mitarbeiter des Energieversorgers sich über eine infizierte Internetseite einen Computerschädling einfängt und dieser sich von selbst an das gesamte digitale Adressbuch kopiert und so eine Kettenreaktion in der ganzen Branche auslöst. Oder dass ein Virus von Otto Müllers Wohnzimmer auf den Stromzähler überspringt und von da aus das gesamte Stromnetz infiziert und letztlich eine Armada von Elektroautos lahmlegt.

Die Runderneuerung der Wirtschaft kann nur mit weisen Führern und sensibilisierten Mitarbeitern gelingen. Die gesamte Gesellschaft muss debattieren, wie groß die Risiken sein dürfen, denen sie sich aussetzen will.