Plastik vergiftet die Meere

Das moderne Material vermüllt die Meere, den Meeresgrund und die Strände und könnte gefährlicher sein, als man bislang vermutet

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Plastik ist vielleicht das paradigmatische Material der Moderne und das Pendant zu den virtuellen Bits. Beide sind billig zu produzieren, im Grunde neutral, die aus ihnen hergestellten Produkte dienen vielen Zwecken, sind beliebig formbar und mit unterschiedlichen Eigenschaften ausstattbar. Während aber Bits verschwinden können (allerdings die Hardware zurücklassen), wird die Welt mit Plastik überflutet.

Plastik wird in immer kleinere Teilchen zerrieben. Bild: NOAA

Allein 600 Milliarden Plastikbeutel werden jährlich hergestellt und weggeworfen. Wieviel Plastik jährlich weltweit hergestellt wird, ist unbekannt, Schätzungen gehen von mehr als 200 Millionen Tonnen aus. Vielfach wird der wertlose Plastikmüll wild entsorgt und landet in den Meeren. Die UNEP spricht von mehr als 6 Millionen Tonnen, die zu großen Teilen von den Flüssen in die Meere gespült werden und dort in den Wirbeln riesige Müllhalden bilden, aber auch den Grunde der Meere unter sich begraben oder die Küsten zumüllen, in Sizilien gibt es etwa 231 Teile pro Meter. Um die 13.000-18.000 Plastikteile aller Größen sollen sich in jedem Quadratkilometer der Meere finden, in manchen Wirbeln wie dem im Pazifik zwischen Kalifornien und Hawaii sogar bis zu einer Million – auf einer riesigen Fläche. Auf dem Boden sieht es nicht viel besser aus. Bis zu 100.000 Plastikteile wurden auf europäischem Meeresboden gefunden, bei Indonesien sogar 690.000 Teile.

Bislang ging man davon aus, dass Plastik sich nur langsam zersetzt, vor allem durch mechanische Kräfte würden die Plastikteile zerbröselt zu immer kleineren Stückchen. Der Sand, auf dem die Touristen sich sonnen, könnte schon zum großen Teil aus Plastikteilchen bestehen. Die Gefahr sah man vorwiegend darin, dass in dem treibenden Plastikteppich Fische und Meeressäuger gefangen würden. Überdies würde Plastik Gifte, z.B. POPs, "aufsaugen", die sich dann in Tieren anreichern, wenn sie nicht an dem Plastikfutter sterben. Der Plastiksand, der den Meeresgrund bedeckt, könnte dort das Leben auslöschen.

Japanische Wissenschaftler haben nun, wie sie auf dem Jahreskongress der American Chemical Society berichteten, herausgefunden, dass Plastik sich überraschend schnell zersetzt und keineswegs harmlose Substanzen freisetzt. Plastik wäre also nicht nur Müll, sondern Gift, das durch die Einwirkung von Regen und Sonne entsteht. Polystyrol würde sich so schon in einem Jahr zersetzen. Bei der Zersetzung von Plastik entstehe beispielsweise Bisphenol A, das ähnlich wirkt wie das weibliche Hormon Östrogen und die Grundlage für die Herstellung von Polykarbonat-Kunststoffen und Kunstharzen ist. Entstehen können auch OS-Oligomere.

Normalerweise wird Plastik nicht weiter zersetzt, wenn es von Tieren gefressen wird, aber BPA und PS-Oligomere können aufgenommen werden und das Reproduktionssystem erheblich beeinträchtigen. Die japanischen Wissenschaftler sind auf die Spur des Risikos von Plastikmüll gekommen, weil sie eine Methode entwickelt haben, um den Zerfall von Plastik bei normalen Temperaturen zu simulieren. Bei der Zersetzung von Styropor würden drei Arten von Styrol entstehen, die natürlicherweise nicht vorkommen und vermutlich Krebs verursachen können.