Immer mehr Alte und Kranke überfordern das Gesundheitssystem

Mit der Vergreisung der Gesellschaft steigen Krankheiten und damit die Kosten für das Gesundheitssystem drastisch an

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Eine Studie des Kieler Fritz-Beske-Instituts (IGSF) malt ein düsteres Bild von der Gesundheitslage der Deutschen in der Zukunft, vor allem vom Gesundheitssystem, das an der zunehmenden Vergreisung der Bevölkerung zerbrechen werde, wenn es nicht bald grundsätzlich reformiert würde. "Die jüngste Gesetzgebung im Gesundheitswesen hat nicht einmal im Ansatz eine Orientierung an Problemen der Gesundheitsversorgung von morgen erkennen lassen“, so geißelte Prof. Dr. med. Fritz Beske vom IGSF die Gesundheitspolitik der schwarzroten Regierung.

Die projektierten Zahlen der demografischen und gesundheitlichen Entwicklung sind tatsächlich dramatisch. Bis 2050 soll demnach die Gesamtbevölkerung um 16 Prozent zurückgehen. Am stärksten bricht die Altersgruppe unter 20 Jahren mit 35 Prozent ein, die Altersgruppe der Erwerbstätigen schrumpft um 29 Prozent, dafür wächst die Altersgruppe der Menschen über 65 Jahre um 38 Prozent. "Die Altersgruppe im erwerbsfähigen Alter und damit diejenige Altersgruppe, die überwiegend das Bruttosozialprodukt erarbeitet, Steuern und Versicherungsbeiträge zahlt und das Arbeitskräftepotenzial für alle Berufe und damit auch für die Berufe im Gesundheitswesen stellt, geht von 49,8 auf 35,5 und damit um 14,3 Millionen zurück." Ob sich das alles durch steigende Produktivität auffangen lässt, ist fraglich, andererseits könnte die Gesellschaft auch irgendwann so weit sein, die Einwanderung zu erleichtern und so die demografische Entwicklung zumindest stärker als bislang zu kompensieren.

Parallel zur Vergreisung steigt die Zahl der Erkrankungen nach Angaben des Instituts teilweise explosiv an. Zwar sollen die chronischen Rückenschmerzen weniger werden, aber bei den Augenerkrankungen soll die altersbedingte Makuladegeneration bis 2050 um 125 Prozent steigen. Osteoporose legt um 23 Prozent zu, Oberschenkelhalsfrakturen steigen um 26 Prozent an. Diabetes, Schwerhörigkeit, Herzinfarkte, Schlaganfälle, Krebserkrankungen (v.a. Darm- und Prostatakrebs), Lungenentzündungen: ein einziges Schlachtfeld bei den alternden Körper, die behandelt werden sollten – und entsprechend finanziell zu Buche schlagen. Die Demenz legt um 100 Prozent zu. Und das sind nur wenige Krankheiten. Es gibt unzählige leichtere und schwerere.

Die Planung für die Jahrgänge mit den hohen Erkrankungsrisiken müsse heute beginnen, heißt es vom Institut. Vorschläge für die Finanzierung werden nicht gemacht. Das dürfte auch kaum möglich sein, weil es bis dahin zu viele Unbekannte gibt. Vermutlich muss man aber davon ausgehen, dass dann, wenn diese Entwicklungen etwa in so wie vorhergesagt eintreten, das Gesundheitssystem nicht mehr finanzierbar ist. Reinen Wein einzuschenken hieße daher womöglich, den Menschen jetzt klar zu machen, dass sie 2050 im Alter nur noch wirklich versorgt werden, wenn sie reich sind, ansonsten werden Sparmaßnahmen greifen. Vieles wird nicht mehr gemacht werden können, je älter der Patient ist, desto eher.

Vermutlich wird die jetzt junge Generation in ihrer Mehrzahl – die Reichen ausgenommen – damit rechnen müssen, dass sie nicht mehr auf Fortschritt setzen können, der technisch weiter läuft, aber für viele nicht mehr bezahlbar ist, sondern dass sie davon ausgehen müssen, schlechter behandelt zu werden, als dies jetzt der Fall ist. Vielleicht auch gar nicht. Das muss nicht in jedem Fall schlecht sein, schließlich produziert das Gesundheitssystem auch seine eigenen Patienten, verpulvert Geld und hat einiges an Leerlauf. Aber gleichwohl ist das auch ein Grund, die Voraussetzungen der Moderne, zu deren Grundlagen die Fortschrittsidee gehörte, zu überdenken. Das steht auch wirtschaftlich längst an, da die Wirtschaft nicht immer wachsen kann.