Schweine im Weltkrieg

Bild: Disney Enterprises, Inc.

Mit "G-Force" machen Jerry Bruckheimer und die Disney-Studios das Thema Waffentechnologien kompatibel fürs Kinderzimmer - Eine Polemik

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Was nicht alles eine Waffe sein, kann, obwohl es wie ein unauffälliger Haushaltsgegenstand oder sogar wie ein Kinderspielzeug aussieht – diese leidvolle Erfahrung haben tausende Spielzeug-Minen-Opfer in aller Welt bereits machen dürfen. Dass im wohl friedfertigsten Haustier, dem Meerschweinchen, und der wohl alltäglichsten Küchenmaschine, dem Kaffeeautomat, durchaus auch kriegerisches Potenzial steckt, sollte daher vielleicht nicht verwundern. Dass das Thema von der Filmindustrie zum 3D-Klamauk für Kinder aufgebläht wird, schon.

Es ist wie immer ein eigentlich recht gutmütig und schrullig aussehender Erfinder, der die neue Waffengattung auf ihre vier bzw. sechs Beine gestellt hat und die Reichweite seiner Erfindung nicht abzuschätzen vermag. Der vollbärtige Dr. Ben Kendall (Zach Galifianakis) hat die drei Meerschweinchen Darwin, Blaster und Juarez, den Sternmull Speckles und die Stubenfliege Mooch zu einer Spionage-Einheit ausgebildet, die ihre tierischen Fähigkeiten in den Einsatz des FBI stellen sollen. Doch just, als die tierische Truppe eine Weltverschwörung aufdecken will und dazu bei einem Haushaltswarenkonzern in die Computer-Datenbanken einbricht, passiert ein Fauxpas und der zuständige FBI-Beamte Kip Killian (Will Arnett) löst das Forschungsprojekt auf. Kurz bevor er die Tiere, die zu viel wissen und seine Karriere gefährden können, zur Weiterverwendung an Tierversuchsanstalten abgeben kann, büchsen sie aus und versuchen die Verschwörung hinter der Verschwörung im Alleingang aufzudecken.

Bild: Disney Enterprises, Inc.

Zunächst stoßen sie dabei auf „normale“ Artgenossen in einer Zoohandlung mit denen sie ihre Flucht fortsetzen und die ihnen auf der Suche nach dem Mastermind der Verschwörung helfen. Dazu gehört vor allem das etwas tollpatschige Meerschweinchen Hurley, das zunächst mehr Belastung als Hilfe ist. Die zeitweise gespaltene Truppe macht sich nun auf die Suche nach ihrem ehemaligen Ausbilder, um an Waffen und Ausrüstung zu gelangen, während die anderen in das Firmengebäude des Haushaltsgeräte-Konzerns einbrechen, um dort festzustellen, dass all die Kaffeemaschinen, Toaster, Mixer und Waffeleisen nur deshalb als „neuartige, vernetzte Haushaltsgeräte“ angepriesen werden, weil sie sich per Fernbedienung in tödliche Roboter transformieren können, mit deren Hilfe der Konzern die Weltherrschaft an sich reißen will.

Kriegsfauna

Sicherlich, eine reichlich abstruse Geschichte, die hier im Fahrwasser von „Dr. Dolittle“ und „Transformers“ daher kommt. Und dennoch schwebt die Fiktion um tierische Waffentechnologien nicht völlig im luftleeren Ideen-Raum. Die Abrichtung von Tieren zu Kriegszwecken ist seit der Antike bekannt. Elefanten wurden zum Entsetzen der Gegner in die feindlichen Reihen geritten und konnten erst wirksam bekämpft werden, als man ihnen Hausschweine entgegen jagte, deren Schreie sie panisch in die entgegen gesetzte Richtung laufen ließ (was wiederum die Elefantenreiter mit Durchtrennung der Halswirbelsäule der Elefanten zu verhindern wussten). Gänse wurden als lebende Alarmanlagen eingesetzt, Tauben als Kuriere, bissige Hunde wurden im Schlachtfeld als die ersten und die letzten Waffen auf den Gegner losgehetzt und seit je her sind Pferde bevorzugte Transporttiere für Mensch und Material genutzt worden.

Bild: Disney Enterprises, Inc.

Selbst in der modernen Kriegsführung wird nicht auf den Einsatz von Tieren verzichtet. Im ersten und zweiten Weltkrieg wurden Hunde abgerichtet, um Granaten unter die empfindliche Unterseite von Panzern zu transportieren. Im Vietnam-Krieg hatte man Delphine darauf trainiert, feindlichen Tauchern die Atemmasken vom Gesicht zu reißen um sie so zum Auftauchen zu zwingen und derzeit sind vor allem Robben im Militärdienst, um die unterschiedlichsten Unterwasseraktionen – vom Minenaufspüren bis zum Tauchermarkieren – durchzuführen. Dass also Nagetiere und Insekten – etwa als ferngesteuerte Waffen – durchaus auch auf kriegerische Einsätze geschickt werden könnten, ist so unwahrscheinlich längst nicht mehr.

Kindermund tut Wahrheit kund

„Die Entstehung des Films ist wirklich ungewöhnlich“, wird Hoyt H. Yeatman Jr., der Regisseur von „G-Force“, zitiert: „die Idee dafür steuerte letztlich mein fünfjähriger Sohn bei. Er brachte das Meerschweinchen seiner Vorschulklasse mit nach Hause und fantasierte von Meerschweinchen, die Soldaten seien, mit Uniformen und kleinen Helmen.“ Und Produzent Bruckheimer ergänzt: „Kindermund tut Wahrheit kund. Die Idee war völlig durchgeknallt, aber damit hatten wir kein Problem“ und verweist auf den realistischen Hintergrund und ein „streng geheimes“ US-Regierungsprogramm, in denen Tiere zur Verteidigung ausgebildet werden. Die realistische Anmutung wird in „G-Force“ durch überaus wirklichkeitsnahe Computeranimationen erzeugt und durch die jüngst wieder verstärkt in Kinos drängende 3D-Technologie unterstrichen.

Die Meerschweinchen des Autors – vielleicht doch auch waffentauglich? Bild: Stefan Höltgen

So mag vielleicht nur der porkophile Haustierfreund Unterschiede zwischen den virtuellen Meerschweinchen im Film und ihren realen Vorbildern erkennen (etwa, dass sich wohl keiner der sich rein vegetarisch ernährenden Nager über eine Salamipizza freuen würde oder über eine grüne Wiese liefe und gleichzeitig unter Hunger litte). Für die Kinder, die eigentliche Zielgruppe des Films, dürften die Unterschiede nur schwer erkennbar sein. Und dieses Realitätsanscheins wegen wäre vielleicht sogar ein Warnhinweis angebraucht, um vorzubeugen, dass – wie einst nach 101 Dalmatiner – es die Kinder im Kino den Kindern im Film gleichtun, in die nächste Zoohandlung laufen und sich Meerschweinchen kaufen, die sie dann vielleicht ebenfalls wie Püppchen verkleiden, in ferngesteuerte Rennautos stecken oder aus mehreren Metern Höhe fallen lassen, in der Annahme da sei schon irgendwo ein kleiner Fallschirm, der sich rechtzeitig öffnet.

Creative Warfare

Vielleicht sollte man Filme wie „G-Force“ nicht, nur weil der Verleiher sie als solche apostrophiert, auch grundsätzlich als Kinderfilme goutieren. Kritik an der heteronormativen Unterhaltung aus dem Hause Disney gibt es ja bereits seit Jahrzehnten. „G-Force“ passt da perfekt ins Bild, wenn er seinen Kleintier-Klamauk nicht nur mit verspielter Kriegsästhetik aufmotzt, sondern darüber hinaus auch noch die ewig gleichen Wertvorstellungen zum Thema Freundschaft, Familie, Liebe, Gut und Böse repetiert.

Bild: Disney Enterprises, Inc.

Man merkt dem Film nämlich ab der zweiten Hälfte förmlich an, dass er sich an diesen Zutaten verschluckt. Als sich herausstellt, wer der Mastermind im Weltverschwörungsplot ist und dieser – anders als im „erwachsenen“ Action- und Kriegsfilm – eben nicht einfach durch Töten für sein Tun bestraft werden kann. Da zerplatzt die Genrefilm-Blase, weil sie die notwendige Dichotomie von Gut versus Böse nicht bis ans bittere Ende treiben kann. Das hinterlässt nicht nur einen faden Nachgeschmack in Hinblick auf die Erzählqualitäten des Films, sondern wirft abermals einen Schatten auf dessen inszenierte Diskurse: Dass es nämlich auch ein hoch gezüchtetes Kriegs-Tier ist (richtig: nach Disney-Logik muss es natürlich das hässlichste sein), das schlussendlich als geläuterter Bösewicht dasteht, hätte ja auch den Schluss zulassen können, dass die Prämisse des Films ein Anlass zur Kritik desselben sein könnte: Wer Tiere in den Krieg schickt, muss damit rechnen, dass sie auch wieder zurückkommen.