Schweinegrippe breitet sich mit "unglaublicher Geschwindigkeit" aus

WHO-Direktorin Chan ist beunruhigt, die Deutschen wollen sich mehrheitlich nicht impfen lassen

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Nach der WHO-Direktorin Margaret Chan breitet sich die Schweinegrippe A(H1N1) vier Mal schneller als andere Viren aus. Der französischen Zeitung Le Monde gegenüber sagte sie, dass sich das Virus "mit einer unglaublichen, fast unerhörten Geschwindigkeit" ausbreite.

Alarmierend sei, dass 40 Prozent der Todesfälle junge Erwachsene in guter Gesundheit betreffen, die innerhalb von 5-7 Tagen sterben. Bei den restlichen 60 Prozent liegen bereits Gesundheitsprobleme vor. "Das ist die beunruhigendste Tatsache", sagte sie. In dicht bevölkerten Ländern könnten bis zu 30 Prozent der Menschen infiziert werden. Die WHO weist offiziell im letzten Bericht darauf hin, dass die meisten Todesfälle bei Menschen unter 50 Jahren zu finden seien, während die Älteren im Unterschied zur saisonalen Grippe kaum betroffen sind.

Der Virus führt bei den jungen Menschen direkt, so die WHO, zu Lungenkrankheiten, die auf Intensivstationen behandelt werden müssen. In manchen Städten hätten 15 Prozent der Infizierten auf Intensivstationen behandelt werden müssen. Das sei vor allem für ärmere Länder ein Problem, in denen die Gesundheitssysteme nicht gut ausgestattet sind. Gefährdet seien neben den jungen und gesunden Menschen nicht nur Schwangere, sondern auch Menschen mit Lungenerkrankungen, Asthma, Diabetes und Herzerkrankungen. Die Schweinegrippe habe sich mittlerweile weltweit zur dominanten Grippeinfektion entwickelt. Weiterhin ist die Mortalität aber gering und die Verlaufsform der Grippe meist mild.

Bislang sind seit April nach Chan mindestens 2.185 Menschen an der neuen Grippe gestorben und über 200.000 in 177 Ländern erkrankt. Chan weist darauf hin, dass das erste Mal eine Pandemie fast von Beginn an beobachtet werden konnte. Früher sei man davon überrascht worden, weswegen man schlechter reagieren konnte. Allerdings sei das Verhalten des Schweinegrippenvirus neu. Praktisch niemand sei gegenüber ihm immun. Er verbreite sich schnell, aber verursache bei den meisten Menschen keine schwere Erkrankung. Das passe nicht zu den vorbereiteten Notfallplänen, die man deswegen anpassen müsse. Gleichwohl fragt sie, was passieren würde, wenn 20-30 Prozent der 6,8 Milliarden Menschen auf der Welt infiziert würden, und wenn die Pandemie gefährlicher würde. Hergestellt werden könnten, allerdings erst in Monaten, 900 Millionen Impfdosen.

Die Deutschen sind jedenfalls noch nicht beunruhigt. Die Schweinegrippe lässt sich ebensoi kalt wie die Wirtschaftskrise. Nach einer Spiegel-Umfrage will sich die Mehrheit der Deutschen auch gar nicht impfen lassen. Gerade einmal 13 Prozent sagen, sie würden sich impfen lassen, sobald der Impfstoff verfügbar ist. 25 Prozent neigen dazu und sagen, dies sei wahrscheinlich. Auch bei einer der Risikogruppen, den 18- bis 29-Jährigen, stehen nur 28 Prozent der Impfung positiv gegenüber.

Ab Oktober soll geimpft werden. Der Vizepräsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, geht allerdings, konform mit der Umfrage, von einer niedrigen Beteiligung an der Massenimpfung aus. „Die Impfaktion wird kein Renner“, sagte Montgomery dem Focus: „Von jenen, denen das Vakzin empfohlen wird - Übergewichtige, chronisch Kranke, Einsatzkräfte – wird die Hälfte Folge leisten, in der Gesamtbevölkerung 15 bis 20 Prozent.“ Mehr Impfstoff würde es auch gar nicht geben. Montgomery zeigte sich auch über die Qualität des Impfstoffs beunruhigt, der nicht nach den normalen Kriterien getestet werde.

In Deutschland gibt es bislang über 15.000 Infektionsfälle, aber noch keinen Todesfall. Das Robert Koch Institut in der neuesten Lageeinschätzung: "Angesichts der aus betroffenen Staaten eingeschleppten Infektionen und den auch in Deutschland („autochthon“) erworbenen Infektionen ist die Bedeutung der persönlichen Hygienemaßnahmen unverändert hoch, insbesondere bei Kontakt zu Reiserückkehrern und bei vielen Kontakten zu anderen, etwa in Schulen. Es ist bekannt, dass sich die Influenza unter Kindern und Jugendlichen besonders rasch ausbreiten kann. Daher sollten kranke Kinder nicht in die Schule oder den Kindergarten gehen."