"Die Grünen pflanzen Bäume, wir pflanzen Nodes"

Die Piraten-Partei engagiert sich im Freifunk

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Piraten können ihrer Partei-Metaphorik, zu der vor allem Übernahmen aus dem Klabautermann-Jargon gehört („Setzt den Änderhaken am 27. September!“), nun ein weiteres Wortspiel hinzufügen, denn seit kurzem unterstützt sie Freifunknetze und kooperiert mit der global arbeitenden Initiative freifunk.net. Also: Freies Surfen auf allen Wellen der Weltmeere – zumindest im 2,4 GHz-Band.

Am gestrigen Dienstag Abend haben die Berliner Piraten und freifunk.net das gemeinsame Projekt vorgestellt. Mit Hilfe von modifizierten WLAN-Routern sollen Areale geschaffen werden, in denen für jeden freier Drahtlos-Zugang zum Internet besteht. Je mehr Nachbarschaften sich daran beteiligen, desto größer und leistungsfähiger werden diese Netze.

Alexander Morlang (links) und Mario Behling. Bilder: Stefan Höltgen

Mario Behling von freifunk-net benennt die Vorteile: zensurfreier Zugang zum Internet, schließen der Digitalen Kluft und nicht zuletzt die Mithilfe bei der Umsetzung des EU-Vorhabens , breitbandiges Internet flächendeckend zur Verfügung zu stellen. Freifunk.net operiert allerdings nicht nur in unseren Breiten sondern hat sogar bereits in afghanischen Dschalalabad ein freies Netz eingerichtet, von dem z. B. eine Schule profitiert, die ihren Schülern über 1000 digitalisierte Bücher anbieten kann.

Die Piraten-Partei tritt in dieser Kooperation im Wesentlichen als PR-Partner auf. Zunächst habe man, so Alexander Morlang, der Projektverantwortliche der Partei, die Einwahlsoftware der mit der neuen Freifunk-Firmware gehackten Router etwas komfortabler und chicer gestaltet. Nun sei es an jedem Piraten, sein WLAN zu öffnen und weitere Nodes anzulegen.

Dass die Angelegenheit mit Gefahren verbunden ist, verschweigen Behling und Morlan nicht: Abhörsicher ist das Netz nur in dem Maße, wie jeder Teilnehmer sich selbst schütze und sichere Protokolle wie https und SSL benutze. Und auch der Missbrauch etwa durch kriminelle Up- und Downloader sein nicht auszuschließen. Hier können jedoch, Mario Behling zufolge, nicht die Betreiber Polizei spielen, sondern müssen im konkreten Fall den Strafverfolgungsbehörden die Ermittlung überlassen. Zu ernsthaften Probleme sei es bislang aber nicht gekommen und für den Fall der Fälle ist freifunk.net mit einem wissenschaftlichen Gutachten (in dem die Legalität des Netz-Öffnens belegt wird) und guter anwaltlicher Unterstützung gerüstet.

Modifizierte WLAN-Router

Die gesetzlich vorgeschriebene Speicherung von Verbindungsdaten stellt aber noch eine Hürde vor allem für junge Unternehmen, die Freifunk-Netzwerke ins Leben rufen, dar. Nicht nur widerspricht dieser Aspekt des TKG der Zensurfreiheit des Freifunks, auch verlange die Speicherung eine größere Hardware-Infrastruktur und bedeute damit Kosten. Für alle nicht-kommerziellen Freifunk-Enthusiasten ist dieser Aspekt jedoch zweitrangig. Wer teilnehmen will, benötigt lediglich einen gehackten WLAN-Router – am besten mit neuer großer Antenne (die Piraten-Partei hat beides auf der Pressekonferenz vorgestellt) und eine Nachbarschaft, die sich beteiligt. Das zumindest stärkt dann auch den real-sozialen Aspekt des virtuellen Miteinanders.

Die Initiative der Partei bei freifunk.net zeigt, dass die Piraten auch schon vor der Bundestagswahl „bereit zum Ändern“ sind. Und man kann hoffen, dass sie, selbst wenn sie im September nicht in Berlins Mitte anlanden , mit derartigen Projekt-Kooperativen weiter auf Fahrt bleiben werden.