Der Traum vom Hyperteleskop

Eines von vier Teleskopen der Darwin-Flotte. Bild: ESA

Das futuristische Interferometer-Teleskop Exo Earth Imager (EEI) bleibt bloßes Wunschdenken

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Noch bleibt es ein unerfüllter Traum. Noch ist nicht absehbar, ob die Interferometrie-Superteleskope Darwin, Terrestrial Planet Finder oder Exo Earth Imager (EEI) eine reelle Chance haben, einmal als reale Gebilde im Weltraum zu enden. Gute Ideen, hoffnungsvolle Zukunftsprojekte gibt es zu Genüge. Finanzierbar sind sie indes nicht, weil das Geld in Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise an allen Ecken und Enden fehlt. Derweil kontern die Ingenieure und Wissenschaftler mit abgespeckten Versionen, um ihre Projekte und Ideen zu retten. Aber auch diese finden keine Sponsoren.

Nein, keiner weiß, ob die ambitionierte ESA-Mission Darwin jemals ein neues Zeitalter in der Astronomie einläuten wird. Das steht allenfalls in den Sternen, deren Exoplaneten das Weltraumteleskop im Idealfall zuhauf nachweisen soll.

Darwin und TPF: Missionen der Zukunft ohne Zukunft

Ursprünglich als stolze Observationsflotte mit acht Satelliten angedacht, führt Darwin seit einiger Zeit als abgespeckte Schmalspur-Version nur noch ein Schattendasein. Das inzwischen aus nur vier einzelnen Raumfahrzeugen bestehende "Flottillchen" läuft sogar Gefahr, infolge der fast schon chronisch angespannten finanziellen Lage in der Raumfahrt und Astronomie dem Rotstift vollends anheimzufallen.

Sollte eine Ariane-V oder Soyuz-Fregat-Rakete in naher Zukunft dennoch das Quartett ins All entführen und dieses den 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernten Lagrange-Punkt L2 erreichen (an dem sich die Gravitationskräfte die Waage halten), würde die Ausbeute dennoch beachtlich sein. Schließlich haben die einzelnen drei Infrarotteleskope jeweils einen leistungsstarken Hauptspiegel mit einem Durchmesser von drei bis vier Metern. Nicht zu vergessen die Muttersonde, die das Licht des Trios bündeln und als Zentralstation den Kontakt mit dem blauen Planeten aufrecht erhalten soll. Die eingefangene Strahlung wird gemäß dem Prinzip des Nulling-Interferometers dergestalt kombiniert, dass die Bildschärfe eines 50 Meter großen Fernrohr entsteht, was Darwin wiederum erlaubt, nicht allein erdähnliche Planeten aufzuspüren, sondern auch in deren Atmosphären nach chemischen Spuren von Leben, sprich nach Biosignaturen, zu suchen.

Auch die NASA-Mission Terrestrial Planet Finder (TPF) steht schon seit Jahren auf der Kippe. Sollte sie wirklich - wie vorgesehen - um das Jahr 2020 ins All starten, würde sie fünf Jahre lang im optischen und Infrarotspektrum nach erdähnlichen Planeten suchen - dies 100 Mal genauer als Hubble. Einmal fertig gestellt, könnte der TPF mit zwei sich ergänzenden Teleskopsystemen bis zu 50 Lichtjahre tief ins All blicken. Der TPF besteht aus einem optischen Spiegel, der die zirka 10-fache Auflösung des heutigen Hubble-Weltraumteleskops hat und das Licht der vier zusammen geschalteten drei bis vier Meter großen Interferometer-Spiegel bündelt.

Selbst bei der Suche nach außerirdischen Laserblitzen könnte der TPF helfen. Schließlich versetzt er Astronomen in die Lage, zwischen dem von Sternen emittierten und dem von deren Planeten reflektierten Licht zu unterscheiden.

Zukunftsmission ohne Zukunft: Terrestrial Planet Finder. Bild: NASA

Labeyries Traum

Ein anderes Projekt könnte die Darwin-Mission, aber auch das NASA-Pendant überflügeln und weit in den Schatten stellen, sofern es jemals gebaut wird. Antoine Labeyrie träumt von einem aus vielen Einzelspiegeln bestehenden gigantischen Superteleskop, welches das Licht erdnaher sowie erdähnlicher Exoplaneten einfangen soll, um Ozeane, tropische Wälder, Gebirgsketten und Wüsten ferner Welten aufzulösen und zu fotografieren - und in den dortigen Atmosphären, bestenfalls sogar auf den Oberflächen, direkte Spuren von Leben nachzuweisen.

Der französische Astronom, der 100 Kilometer nördlich von Marseille am Observatoire de Haute-Provence arbeitet, ist kein Fantast oder Esoteriker, der mit seinem vermeintlich abgehobenen Plan bewusst gegen den Mainstream schwimmt. Vielmehr hat er sich als Spezialist für "optische" Fragen in der beobachtenden Astronomie einen Namen gemacht und sogar einem Asteroiden seinen Namen verliehen (Asteroid 8788 Labeyrie). Er entwickelte die Speckle-Interferometrie, ein Verfahren, das atmosphärische Störungen ausgleicht und die Qualität von Bildern erdgebundener Teleskope erheblich steigert.

Dass er nunmehr seit Mitte der 1980er Jahre konsequent an der Verwirklichung seines Traumes arbeitet und 1999 seine Idee der Fachwelt erstmals detailliert vorstellte, diese sieben Jahre später modifizierte und erneut in die Diskussion einbrachte, hat Ziel und Methode. Bislang existiert sein Konzept jedoch nur auf dem Zeichenbrett, auch wenn er bereits einige Probeläufe mit kleinen Prototypen durchgeführt hat.

Künstlerische Darstellung eines Hyperteleskops. Bild: Laboratoire d’Interféromètrie Stellaire et Exoplanétaire (LISE)

Das Hyperteleskop, das ihm vorschwebt, trägt den vorläufigen Namen Exo Earth Imager (EEI) und soll einmal als überdimensional großes Interferometer-Teleskop in der Erdumlaufbahn seine Kreise ziehen, wo es auch zusammengesetzt werden soll. Basierend auf Kalkulationen und Simulationen traut Labeyrie seinem Traumteleskop zu, einen 30 Lichtjahre entfernten Exoplaneten aufzuspüren und detaillierte Strukturen auf dem Zielplaneten auszumachen.

Sein ursprünglicher Entwurf sieht ein Hyperteleskop mit einem Durchmesser von 100 Kilometern vor, das aus 150 kleinen separaten, frei schwebenden Spiegelelementen mit jeweils drei Meter Durchmesser besteht. Ein jüngerer Plan hingegen geht sogar von 10.000 Drei-Meter-Spiegeln aus, die sich in einer sphärischen Blase verteilen, welche einen Durchmesser von sage und schreibe 400 Kilometern hat. Alle Teilspiegel sollen im Orbit dermaßen geschickt zueinander positioniert werden, dass sich das gesammelte Licht in einem Brennpunkt bündelt. Die einzelnen Teleskope, die die Erde in drei verschiedenen konzentrischen Kreisbahnen umrunden, würden dabei zu einem gigantischen Spiegel verschmelzen. In geschlossener Formation würde die Teleskop-Flotte ein Gebiet von sage und schreibe 8000 Quadratkilometern abdecken.

Künstlerportrait des Exo Earth Imager. Bild: LISE

Trotz aller Begeisterung plädiert der Franzose für eine kontrollierte Vorgehensweise.

Wir versuchen zunächst einmal Bilder von erdähnlichen Planeten, die Sterne umkreisen, zu erhalten. Auf solchen Bildern werden anfangs noch keine nennenswerten Details zu sehen sein, weshalb sich nur schwer feststellen lässt, ob der fragliche Planet die Ausbildung von Leben förder.

Aber der EEI kann mehr noch: Wie Darwin und der TPF auch soll die Fernrohr-Armada das reflektierte Licht der Exoplaneten mithilfe von Spektrographen in seine verschiedenen farblichen Bestandteile zerlegen, um Informationen über die chemische Zusammensetzung der hiesigen Atmosphären zu erhalten. Sollte der EEI dabei auf einen erdähnlichen, in einer habitablen Zone gelegenen Planeten stoßen, auf dem das Element Sauerstoff vorhanden ist, das auf der Erde als Nebenprodukt der Photosynthese anfällt, oder in dessen Atmosphäre sogar Ozon finden, wäre dies ein starkes Indiz für Leben.

Ein möglicher Kandidat für EEI. Bild: NASA

Mini-Variante Luciola

Wann das ambitionierte Projekt jedoch sein erstes Licht im All feiert, bleibt angesichts der leeren Kassen, besser gesagt der stark angespannten Haushaltslage der NASA und ESA, völlig offen. Vieles spricht eher dafür, als müsste sich das fiktive Observatorium wie viele zukunftsträchtige Projekte vorerst mit dem Dasein als Modellskizze begnügen.

Da also auch in der Raumfahrt und Astronomie das Geld knapp geworden ist, hat Labeyrie längst eine stark abgespeckte, weitaus kleinere und billigere Version seines EEI-Hyperteleskops ausgetüftelt, die er Luciola nennt. Einmal fertig gestellt würde Luciola nur aus zwei Dutzend leichten Spiegeln bestehen, von denen jeder allenfalls einen Durchmesser von 20 Zentimetern hat. In der Erdumlaufbahn würde sich das kleine Geschwader auf einem Gebiet von einem Quadratkilometer verteilen. Während Nano-Satelliten die einzelnen Spiegel positionsgenau dirigieren, würde im Brennpunkt der Mini-Armada ein mit einer CCD-Kamera bestückter Satellit das Licht bündeln und die Bilder zur Erde senden. Labeyrie glaubt, dass Luciola durchaus in der Lage wäre, Einzelheiten eines Exoplaneten in 10 Lichtjahren Entfernung abzulichten: "Hellere Exoplaneten, heiße Gasriesen etwa, die Sterne wie 51 Pegasus oder Tau Boo umkreisen, sind ebenfalls potenzielle Ziele."

Literatur