New Opel - Rettung oder teure Totgeburt?

Noch nicht einmal die Regierungsvertreter trauen Merkels Wunschlösung

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Nun also doch – das Management von General Motors will offensichtlich seine europäischen Töchter an das österreichisch-kanadisch-russische Konsortium rund um den Zulieferer Magna abgeben. Von dieser Lösung träumten Regierung wie Gewerkschaften schon seit langem. Finanziert wird die Übernahme allerdings zunächst vom deutschen Steuerzahler. Wirtschaftsminister zu Guttenberg plant allerdings bereits, seinen europäischen Kollegen ein Angebot zu machen, dass diese nicht ablehnen können. Wer zahlt, behält seine Standorte. Doch was passiert, wenn alle zahlen? Sind die – verhältnismäßig teuren – deutschen Standorte in einem rabenschwarzen Marktumfeld überhaupt zu halten?

Angela Merkel kann sich freuen. Mitten im Wahlkampf kann sie sich selbst den Orden der „Opel-Retterin“ an das Revers ihres Hosenanzugs stecken. Die politische Begleitmusik zum Opel-Verkauf lief dabei ganz nach altbekanntem Merkel-Rhythmus – zunächst auf Tauchstation gehen, warten, welche Position sich durchsetzt, und dann diese mit Nachdruck und Verve als eigene Position verkaufen. Magna war der einzige Interessent, dem Staatsgelder in stolzer Höhe von 4,5 Milliarden Euro angeboten wurden, damit er die vier deutschen Standorte erhält. Nun ist der Steuerzahler mit im Boot und muss für den Autobauer haften.

Im Falle einer späteren Insolvenz wären die Staatshilfen auf Nimmerwiedersehen verschwunden. Nach den Wahlen könnte Merkels Wahlkampfofferte, mit der sie sich die Stimmen der deutschen Opel-Mitarbeiter sichern will, für den Steuerzahler sehr teuer werden. Das Konsortium aus Magna und Sberbank haftet dabei lediglich mit seinem Einsatz – 500 Millionen Euro.

Opelrettung paradox

Beinahe wäre das überraschende Angebot aus Detroit von der Opel-Treuhandgesellschaft, die seit der Insolvenz von General Motors bei Opel das Sagen hat, abgewiesen worden. Während die beiden Vertreter von GM dem Angebot zustimmten, lehnte der als Vertreter der Bundesrepublik ernannte ehemalige Continental-Chef Manfred Wennemer überraschenderweise ab. Der FDP-Politiker Dirk Pfeil, der als Vertreter der vier Bundesländer mit Opel-Standorten in die Treuhandgesellschaft entsandt wurde, enthielt sich der Stimme, da er lieber den Finanzinvestor Ripplewood als neuen Opel-Eigner gesehen hätte.

Hätte Pfeil sich nicht der Stimme enthalten, sondern ebenfalls gegen den Verkauf gestimmt, wäre die Entscheidung in Detroit null und nichtig gewesen. Das ist schon arg abstrus – vor den Mikrophonen beteuern sowohl die Bundesregierung, als auch die Ministerpräsidenten ihre ungeteilte Sympathie für Magna, und wenn es zur Entscheidung kommt, stimmen ihre Vertreter entweder gegen Magna oder enthalten sich der Stimme, da sie Ripplewood favorisieren.

Die Regierungen haben also entweder ein sehr schlechtes Händchen bei der Auswahl ihrer Treuhänder gehabt, oder ihre Magna-Sympathien waren nur Wahlkampfgetöse, während sie hinter den Kulissen den Verkauf unterbinden wollten. Einstweilen steht der Magna-Deal, aber es wird nach den Wahlen noch unzählige Möglichkeiten geben, diese Vereinbarung zu torpedieren. Mit einer Unterschrift rechnen die Vertragsparteien nämlich erst im November – und dann sind die Wahlen längst gelaufen.

Tiefschwarze Wolken am Horizont

So seltsam Manfred Wennemers Votum auch erscheint – seine Begründung hat Hand und Fuß. Für den als gnadenlosen Sanierer verschrienen Wennemer ist Opel zu klein, zu teuer und zu schlecht gerüstet für die nächsten Jahre. Sogar wenn „New Opel“ den Geschäftsplan erfüllen sollte, würde dem Unternehmen bereits 2011 die Insolvenz drohen, so Wennemer gegenüber der FAZ. Es ist allerdings mehr als fraglich, ob Opel den Geschäftsplan überhaupt wird erfüllen können, da der deutschen Automobilbranche nach dem Auslaufen der Abwrackprämie tiefschwarze Zeiten bevorstehen. Vor allem Kleinwagenhersteller wie Opel müssen sich auf eine Dürreperiode einstellen. Laut einer Studie des Automobilexperten Ferdinand Dudenhöffer schrumpft der für Opel so wichtige deutsche Automobilmarkt im nächsten Jahr um über 12%. Wer überhaupt etwas verkaufen will, muss ruinöse Rabatte von bis zu 40% gewähren. Auch im europäischen Ausland ist kein großer Zuwachs zu erwarten und der Wachstumsmarkt China ist Opel durch einen Vertrag mit GM versperrt.

Ein Hoffnungsschimmer des ursprünglichen Übernahmekonzepts des Magna-Sberbank-Konsortiums war der Einstieg in den russischen Markt (Der Lichtstrahl aus dem Osten). Die Sberbank will die Opel-Anteile nur ein Jahr lang halten und dann an einen Technologiepartner abtreten – es gilt derweil als ausgemacht, dass es sich dabei um den russischen Automobilhersteller GAZ handeln wird. Experten sehen in Russland einen Markt mit sehr großem Aufholpotential – während in Westeuropa auf 1.000 Einwohner 600 Automobile kommen, sind es in Russland lediglich 190.

Schlachtfeld Russland

GM und Opel teilen sich künftig die Welt auf. Während Opel in West- und Osteuropa nahezu freie Bahn hat, bleiben dem Konzern die Absatzmärkte in Nordamerika, Korea und China versperrt - GM fürchtet auf diesen Märkten Konkurrenz.

Zum Schlachtfeld zwischen GM und Opel könnte sich indes Russland entwickeln. GM ist in Russland sehr präsent und sieht den russischen Markt als Hoffnungsschimmer an. Für Opel ist Russland nicht nur Hoffnungsschimmer, sondern ein elementarer Schlüsselbaustein im neuen Geschäftsmodell. GM hat bereits angekündigt, dass man sich ein Vetorecht für die russische Produktion von Opelteilen, auf die man in Detroit ein Patent besitzt, einräumen will. An diesem Punkt könnte nicht der Verkauf an Magna, sondern sogar die Zukunft von Opel scheitern. Sollte GM Opel hier allzu große Steine in den Weg legen, werden sich die österreichisch-kanadisch-russischen Käufer wohl vom Vertrag zurückziehen und den Weg für Ripplewood freimachen.

Ärger vorprogrammiert

GM, Magna und Opel – dieser Übernahmepoker ist nicht nur ein schwer zu durchschauendes Ränkespiel zwischen Industrieunternehmen, hinter den Kulissen spielen vor allem Regierungen eine Schlüsselrolle. GM ist seit der Insolvenz ein amerikanisches Staatsunternehmen. Hinter dem Magna-Konsortium steht die russische Sberbank, die als Staatsbank vom Kreml kontrolliert wird. Opel wiederum bekommt nur dann Staatsgelder, wenn Magna zum Zuge kommt – im Hintergrund führt die Bundesregierung die Regie. Aber auch die britische und die belgische Regierung sind involviert, da dort Standorte der europäischen GM-Tochter sind.

Wer in diesem amerikanisch-russisch-deutsch-belgisch-britischen Intrigenspiel am Ende die besseren Karten hat, ist noch nicht abzusehen. Die US-Regierung besteht darauf, dass kein Cent ihrer Rettungsmilliarden nach Europa geht, die Deutschen wollen jeden Kapitalabfluss in die USA verhindern und alle Beteiligten sind sich darin einig, dass weder Geld noch Patente nach Russland gehen sollen. Am Ende könnte die EU sämtlichen Übernahmespekulationen die Luft entziehen. Weder die bereits geflossenen 1,5 Mrd. Euro der Bundesregierung noch die übrigen Subventionen haben bislang ein Placet aus Brüssel erhalten. Auch die Übernahme selbst wird erst einmal die Hürde EU-Kommission nehmen müssen.

Der Baron bittet zur Kasse

Wer die Kapelle zahlt, bestimmt, welche Musik gespielt wird. Die Bedingung für die Steuermilliarden der Bundesregierung ist der Erhalt der deutschen Standorte. Nach dem Magna-Konzept sollen allerdings 11.000 der bislang 50.000 europäischen Opelaner entlassen und auch mehrere Standorte geschlossen werden. Es ist nur allzu verständlich, dass man in Belgien, Spanien, Österreich, Polen und Großbritannien über den Magna-Deal mit deutscher Steuerfinanzierung überhaupt nicht glücklich ist. Belgien wirft der Bundesregierung bereits Protektionismus vor und in Spanien meutern die Gewerkschaften, da sie den Finanzinvestor Ripplewood favorisieren, der einen Erhalt des Opel-Werkes in Saragossa versprochen hatte.

Wirtschaftsminister zu Guttenberg hat bereits durchblicken lassen, wie er sich die europäische Lastenverteilung vorstellt. Wer sein Werk erhalten will, soll dem deutschen Staat bei der Finanzierung helfen. Sowohl Österreich als auch Großbritannien haben vom Baron bereits ein Angebot bekommen, das sie nicht ablehnen können. Wer nicht zahlt, ist raus – was aber, wenn alle zahlen? Die Standortgarantie für die deutschen Werke ist nicht viel mehr als eine Absichtserklärung und nicht das Papier wert, auf dem sie steht. Nach den Wahlen wird den Opelanern jedenfalls ein kalter Wind ins Gesicht wehen.