Hoffnung für Bürgerrechtler?

Was von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger als neuer Bundesjustizministerin zu erwarten wäre

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Nicht nur für Bürgerrechtler wird die Vermutung, die neue Bundesjustizministerin werde Sabine Leutheusser-Schnarrenberger heißen, die Hoffnung auf mehr Kompetenz und weniger Rabulistik wecken. Die derzeit noch im Amte verweilende Brigitte Zypries machte in den letzten Jahren weniger durch eine auf Bürgerrechte geprägte Tätigkeit auf sich aufmerksam, denn durch die Kardinaltugenden, die die SPD im allgemeinen in der letzten Wahlperiode vorwies: Arroganz, fehlende Kompetenz und Kritikunfähigkeit, oft ausgedrückt durch falsche oder verwirrende Aussagen und Schweigen, das auf Nachfragen folgte.

Während die fehlende Antwort darauf, was ein Browser sein soll, noch auf einen kurzen "Blackout" zurückgeführt werden konnte (und weiteres Nichtwissen auf mangelnde Information), war die Definition der informationellen Selbstbestimmung, die von der Bundesjustizministerin ausgegeben wurde, eher alarmierend.

Aber das Recht auf informationelle Selbstbestimmung heißt ja nur, dass Bürger darüber informiert werden müssen, wer was von ihnen speichert. Das hat sich auch als Abwehrrecht gegen den Staat positioniert.

Ein solcher Fauxpas dürfte der neuen Ministerin (so sich die derzeitigen Vermutungen/Gerüchte bewahrheiten) nicht passieren, war sie es doch, die u.a. durch ihre Verfassungsbeschwerde gegen den Großen Lauschangriff und ihr weiteres Engagement, gerade Privatsphäre und informationelle Selbstbestimmung weiter verteidigte.

Der Bürgerrechtsbonus der "Schnarre"

Für die neue Regierung wäre die Besetzung des Bundesjustizministeriums mit Frau Leutheusser-Schnarrenberger, von Kritikern wie auch Bewunderern oft kurz "Schnarre" genannt, ein Glücksgriff. Zum einen wäre die FDP-Politikern bereits in dieser Position bewandert, welche sie im Kabinett Kohl innehatte, bis sie aus Protest gegen den "Großen Lauschangriff" ihr Amt aufgab. Zum anderen wird sie, gemeinsam mit Gerhart Baum und Burkhard Hirsch, weiterhin als prominente Vertreterin des FDP-Flügels, der Bürgerrechte noch hochhält, angesehen. Diese Ansicht fußt nicht nur auf früherem Engagement - wer die jüngsten Aktivitäten der Frau Leutheusser-Schnarrenberger ansieht, der findet u.a. eine Verfassungsbeschwerde gegen die Vorratsdatenspeicherung. Für viele ist "Schnarre" eine Art Ikone der Bürgerrechts- und Datenschutzbewegung und sie im Ministerium zu sehen, wird bei diesen ein Aufatmen verursachen, insbesondere wenn sie sich auf der Homepage der Dame umsehen und ihre Positionen zu diversen Themen ansehen.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Foto: Akriesch und Emdee Das Foto "Sabine_leutheusser-schnarrenberger_2.JPG" steht unter den Lizenzen Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen in den Versionen 1.0, 2.0, 2.5 und 3.0. Die Urheber des Bildes sind Akriesch und Emdee.

Die FDP, so scheint es vielen, hat in den letzten Jahren die Bürgerrechte (wieder) als neues (Kern)thema entdeckt. Und tatsächlich gab es von Seiten der Partei viele Kleine Anfragen, offene Kritik oder dergleichen mehr, was die aktuellen Sicherheitsgesetzbestrebungen angeht.

Stolperfalle Urheberrechtsverletzung

Doch wer Frau Leutheusser-Schnarrenberger nun insofern verklärt betrachtet, als dass er davon ausgeht, sie würde die Datenschutzbelange nur im Sinne der Datenschutz"bewegung" berücksichtigen, der hat nicht bedacht, dass gerade die FDP auch das "geistige Eigentum" als Kernthema ansieht:

Ohne Einschränkung unterstützt die FDP-Bundestagsfraktion den heutigen Aufruf namhafter Künstler und Kulturschaffender für eine weitere Verbesserung des Schutzes von geistigem Eigentum. [...] Nur wenn die Rechte des geistigen Eigentums angemessen geschützt werden, und wenn dadurch eine angemessene Vergütung der Rechtsinhaber möglich ist, können Kreativität und kulturelles Schaffen sich in Deutschland auch in Zukunft entfalten. Deutschland braucht seine Künstler und seine Kreativen! Ohne einen wirksamen Schutz ihrer Leistungen wird unser Land zu einer Kulturwüste verkommen.[...] Die Bürger müssen erkennen, dass der Diebstahl geistigen Eigentums denen schadet, die die Musik, die Filme und die Hörbücher schaffen, die unser Leben bereichern und uns schöne Kulturerlebnisse bescheren. Das trifft vor allem junge Künstler. Eine besondere Herausforderung bleibt die Missachtung des geistigen Eigentums im Internet. [...] Wir müssen über neue Wege zur Rechteverfolgung jenseits der hergebrachten Strukturen nachdenken. Andere Länder sind hier schon weiter als Deutschland. Auch in Deutschland muss zügig eine Debatte darüber beginnen, wie Internetdienstanbieter stärker in die Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen im Internet einbezogen werden können.

Vorgenannter Offener Brief, unter anderem unterschrieben von René Kollo, Dieter Thomas Kuhn, Monrose, Ralph Siegel, Alexander Klaws, Detlev Buck, Bernd Eichinger, Max Herre, Udo Jürgens, Oomph!, Rosenstolz oder Atze Schröder, sah das "geistige Eigentum" als "das Öl des 21. Jahrhunderts" an und forderte, es zur Chefsache zu machen. Der Aufruf beinhaltete auch die Einbeziehung der Internetprovider in die Bekämpfung der Verletzung des "geistigen Eigentums".

Dieser Forderung kann sich Frau Leutheusser-Schnarrenberger durchaus anschließen. Schon die Abschaffung der Bagatelleklausel in Bezug auf Urheberrechtsverletzungen sah sie als richtig an. Noch weiter geht sie allerdings beim Auskunftsanspruch, der ihrer Meinung nach durch einen Richtervorbehalt überreguliert werden würde:

'Produktfälschungen, Raubkopien oder illegale Downloads aus dem Internet sind keine Kavaliersdelikte, sondern eine ernsthafte wirtschaftliche Bedrohung' [...] Mit der Einschränkung von Auskunftsansprüchen auf Urheberrechtsverstöße im gewerbsmäßigen Ausmaß wäre der gesamte Bereich der Tauschbörsen ausgenommen. Das Internet dürfe aber 'keine Blackbox sein, die durch unangreifbare Anonymität zu einem Paradies für Rechtsverletzer wird'. Bei allem Einsatz für den Datenschutz müsse zudem noch geklärt werden, ob der Richtervorbehalt erforderlich sei. Die geplante Begrenzung der Anwaltskosten bezeichnete die Liberale als 'Irrweg' und 'reinen Populismus'.

Außer Acht wird hier gelassen, dass einerseits datenschutzrechtlich relevante Auskünfte direkt an Private gehen sollen, ohne dass eine Kontrolle dahingehend stattfindet, ob die Auskunft überhaupt gerechtfertigt ist (so nicht die Provider entsprechende Sorgfalt walten lassen und auch den Betroffenen informieren). Gerade die diversen Massenabmahnungen der Musikindustrie wiesen oft Fehler auf, so dass Unschuldige in die Maschinerie gerieten und sich erst durch langwierige Verfahren (mit entsprechendem finanziellen Aufwand) aus dem Würgegriff einer finanziell gut betuchten Industrie befreien konnten.

PorNo

Die FDP hat im Vorfeld der Wahl angekündigt, sich vehement gegen das bereits abgesegnete Zugangserschwerungsgesetz stark zu machen, gleiches gilt für die Vorratsdatenspeicherung. Es wird interessant sein zu verfolgen, inwiefern die neuentdeckte Liebe für die Bürgerrechte und den Datenschutz auch nach dem guten Wahlergebnis (und nachdem die FDP statt am Katzentisch die Reste zu naschen, wieder mit ans Kalte Buffet der Regierungsmacht gebeten wird) aktuell bleibt. Gerade auch hinsichtlich der Miteinbeziehung der Provider in diverse geplante Internet-Regulierungsvorhaben wird auch eine Rolle spielen, wie liberal die FDP, aber insbesondere auch Frau Leutheusser-Schnarrenberger, im Bereich Pornographie im allgemeinen sein werden. Die jüngere Generation der Liberalen hat hierzu ja durchaus eine andere Position als die ehemalige und möglicherweise zukünftige Justizministerin, die sich in der PorNo-Kampagne mit engagierte. Allzu oft wurde Pornographie, genau wie Kinderschutz oder das Glücksspiel, schon dazu genutzt, ein paar Einfallstore für weitreichende Beschneidungen der Grundrechte zu etablieren. Es bleibt zu hoffen, dass dies diesmal nicht der Fall sein wird.