"Wir sind gegen immer mehr Eingriffe in die Grundrechte ohne konkrete Verdachtsmomente!"

Max Stadler (FDP) fordert Korrekturen bei der Voratsdatenspeicherung und dem Internetsperrgesetz

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Die Liste der politischen Funktionen von Max Stadler ist lang: Der ehemalige Richter und Staatsanwalt ist Mitglied im Parteivorstand der FDP, Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums für die Geheimdienste und stellvertretender Vorsitzender des Innenausschusses im Bundestag. Nach dem Wahlerfolg der FDP fordert er Korrekturen bei der Voratsdatenspeicherung und dem Internetsperrgesetz.

Gerade beginnen die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und Ihrer Partei? Haben Sie eigentlich Ambitionen auf ein Amt in der künfigen Regierung?

Max Stadler: Als wir letztes Jahr hier in Bayern Koalitionsverhandlungen mit der CSU geführt haben, haben wir uns an die Reihenfolge gehalten: erst Sachfragen, dann Verteilung der Ministerien und ganz am Schluss Personalentscheidungen. Und genauso machen wir's im Bund jetzt auch!

Im FDP-Programm zur Bundestagswahl heißt es: „Die FDP ist die Partei der Grundrechte und des Rechtsstaats.“ Welche Rolle werden die Bürgerrechte bei den Verhandlungen spielen?

Max Stadler: Wir werden unsere Forderungen natürlich einbringen, und der Schutz der Bürgerrechte wird ein wichtiges Thema sein. Schon die rot-grüne Bundesregierung, aber eben auch die große Koalition haben ja eine Reihe von Gesetzen gemacht, mit denen man nicht einverstanden sein kann!

Sie haben sich in der Vergangenheit sehr kritisch zur Innenpolitik von SPD und CDU und namentlich zur Politik von Innenminister Wolfgang Schäuble geäußert ...

Max Stadler: Allen Beteiligten ist klar, dass die Verhandlungen schwierig werden. Ich verweise aber noch einmal auf Bayern: Im letzten Herbst haben auch alle erkärt, FDP und CSU wären nicht in der Lage, ein gemeinsames Programm zustande zu bringen. Wir haben in Bayern durchaus liberale Akzente gesetzt, dasselbe erhoffe ich mir jetzt auch im Bund.

Die bayrische Landesvorsitzende Sabine Leutheusser-Schnarrenberger spricht von „Korrekturbedarf“ und fordert „Gesetzesentschärfungen“.

Max Stadler: Wir sind dagegen, dass immer mehr Eingriffe in die Grundrechte ohne konkrete Verdachtsmomente stattfinden. Besonders wichtig aus unserer Sicht ist die Vorratsdatenspeicherung, wo private Daten von Millionen unverdächtiger Bürgerinnen und Bürger für staatliche Zwecke gesammelt werden. Das werden wir in den Koalitionsverhandlungen natürlich zur Debatte stellen, ebenso das Internetsperrengesetz, dass aus unserer Sicht ohnehin wirkungslos ist.

Viele kritisieren, dass das Bundeskriminalamt in den letzten Jahren zu einer Bundespolizei mit Befugnissen ausgebaut wurde, die früher nur Geheimdienste hatten.

Max Stadler: Wir teilen diese Kritik weitgehend und haben deshalb ja auch im Bundestag gegen das BKA-Gesetz gestimmt. Wir werden bei den Verhandlungen über Änderungen sprechen, beispielsweise über einen besseren Schutz des Kernbereichs der privaten Lebensführung und über die zeugnisverweigerungsberechtigten Personen wie Anwälte, Ärzte oder Journalisten.

Nun sind aber in den vergangenen Jahren einige Fakten geschaffen worden. Ich denke da zum Beispiel an die Bündelung der Telekommunikationsüberwachung der Sicherheitsbehörden im Bundesverwaltungsamt (BVA). Glauben Sie, da lässt sich etwas rückgängig machen?

Max Stadler: Allgemein gilt: Veränderungen abzuwehren ist einfacher. Die FDP hat eine sehr gute Verhandlungsposition, sollte die Union jetzt mit der Forderung nach dem Einsatz der Bundeswehr im Innern kommen, was wir ablehnen. Aber schon beschlossene Gesetze zu ändern, ist natürlich schwieriger. Ich möchte über die Erfolgsaussichten unserer Forderungen nichts sagen. Wir werden sehen, was bei den Verhandlungen herauskommt.

Die CDU-Innenminister haben gefordert, den Verfassungsschutz auch gegen die sogenannte Organisierte Kriminalität einzusetzen, und in einem Entwurf aus dem Innenministerium, das zwei Tage vor der Wahl der Presse zugespielt wurde, wurde gefordert, die Kompetenzen des Verfassungsschutzes weiter auszuweiten.

Max Stadler: Dieses Papier ist ein Horrorkatalog. Ich kann mir nicht vorstellen, dass solche Forderungen überhaupt in die Koalitionsverhandlungen eingehen. Wir wollen dem Verfassungsschutz seine Rolle lassen, aber seine Befugnisse nicht ausdehnen.

Eines Ihrer politischen Kernthemen ist die parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste – was sind da Ihre Forderungen?

Max Stadler: Wir haben ja zusammen mit CDU und SPD einen Gesetzesentwurf eingebracht, um die Dienste in Zukunft besser zu kontrollieren. Außerdem hat das Bundesverfassungsgericht die Fragerechte im Parlamentarischen Kontrollgremium gestärkt. Auskünfte können nicht mehr pauschal mit dem Verweis auf das Staatswohl verweigert werden. Wir brauchen keine neuen Gesetze, sondern müssen das in der Praxis umsetzen. Wir haben außerdem eine Reihe von Vorschlägen, wie die Untersuchungsausschüsse weiter gestärkt werden können. Aber die erste Kontrolle muss schon das Bundeskanzleramt vornehmen, es ist für den Bundesnachrichtendienst verantwortlich.

Die „Piratenpartei“ hat bei den Wahlen mit klasssisch liberalen Themen und Thesen immehin zwei Prozent geholt – entsteht da eine Konkurrenz für die FDP?

Max Stadler: Beim Thema Internetsperren vertreten wir ja sehr ähnliche Positionen. Aber trotz des beachtlichen Wahlergebnisses ist die Piratenpartei derzeit keine Konkurrenz für uns. Auf Dauer werden die Wähler sich nicht mit einem Ein-Punkt-Programm zufrieden geben, unsere Programmatik ist viel breiter.