Bürgergeld als Mogelpackung

FDP will nur noch gesundheitliche Minimalversorgung für Arme

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Für viele Wähler überraschend reiht sich die FDP ein in die Anti-Hartz-IV-Front. Bei den gegenwärtigen Koalitions-Verhandlungen mit CDU und CSU heißt es: „Wir wollen Hartz IV durch ein leistungsfreundlicheres und arbeitsplatzschaffendes Bürgergeld ersetzen“, so der Finanzexperte der Liberalen, Hermann Otto Solms. Und in der Tat ist die Ersetzung des Arbeitslosengeldes II durch ein sogenanntes „Liberales Bürgergeld“ Teil des Wahlprogramms der FDP und seine Details sind in dem „Kommissionsbericht Das Liberale Bürgergeld von April 2005 nachzulesen, die Kommission leitete Prof. Andreas Pinkwart, haushaltspolitischer Sprecher der FDP. Doch was sich zunächst als Abschaffung von ungeliebten Reformen liest, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Fahrplan hin zu einer erneut verschärften Variante von Minimalversorgung auf dem Sockel von Niedriglohnarbeit.

Der FDP-Entwurf kommt zunächst mit Formulierungen daher, denen jede Großmutter zustimmen kann:

Das Bürgergeld ermöglicht ein selbstbestimmtes Leben, fördert die Aufnahme einer eigenen Tätigkeit und ist deshalb leistungsgerecht. Sozialleistungen, die sich aus Steuern finanzieren, sollen möglichst vollständig in einer einzigen Transferleistung – dem Bürgergeld – zusammengefasst werden. Damit ist das Bürgergeld einfach und transparent.

Aus dem Wahlprogramm der Liberalen

Weiter: „Im Bürgergeld werden das Arbeitslosengeld II einschließlich der Leistungen für Wohnen und Heizung, das Sozialgeld, die Grundsicherung im Alter, die Sozialhilfe (ohne Sozialhilfe in besonderen Lebenslagen), der Kinderzuschlag und das Wohngeld zusammengefasst. Die Leistungen werden beim Bürgergeld grundsätzlich pauschaliert gewährt und von einer einzigen Behörde, dem Finanzamt, verwaltet.“

Die Höhe des Bürgergeldes soll pauschal 662 Euro betragen, ausgezahlt vom Finanzamt. Voraussetzung sind die Bedürftigkeit und die Bereitschaft zur Aufnahme einer Arbeit. Bei Ablehnung einer zumutbaren angeboten Arbeit wird das Bürgergeld gekürzt.

Das scheint zunächst Hartz IV sehr ähnlich zu sein: Pauschalierung der Leistungen, Bedürftigkeit als Voraussetzung, Arbeitszwang und Sanktionen – alles wie gehabt. Nur, dass die Pauschalierungen de facto eine erneute Absenkung der Leistungen bedeuten. Wurde bei dem Umstieg von der Arbeitslosenhilfe auf Hartz-IV die bis dahin im Sozialhilfegesetz möglichen Sonderleistungen bei Bedarf wie eine neue Waschmaschine oder ein neuer Wintermantel weggekürzt, ist die Pauschalierung beim Bürgergeld der FDP etwa was die Höhe des Mietanteils anbelangt, eine erneute Kürzung.

Vor allem aber ist mit diesem Bürgergeld der Weg in die medizinische Versorgung von Langzeitarbeitslosen und bedürftigen Rentnern nur noch auf Minimalniveau vorgegeben. Denn die FDP geht unbeirrbar den neoliberalen Weg der Privatisierung weiter und setzt bei den Krankenkassen auf die Privatversicherung. Der Arbeitgeberbeitrag der Krankenversicherung soll künftig als steuerpflichtiger Lohnanteil ausgezahlt werden und davon soll sich der Arbeitnehmer privat versichern.

Während Barack Obama in den USA um eine Pflichtkrankenversicherung ringt, will die FDP dieses Prinzip in Deutschland weitgehend schleifen. Zur Pflicht soll nur noch eine Versicherung mit einem „Mindestumfang an Leistungen“ werden, also die Krankenkasse „light“. Alles was über eine „Grundversorgung“ hinausgeht, muss selbst bezahlt werden. Und es ist nur noch diese „Grundversorgung“, die in der FDP-Pauschale von 662 Euro enthalten ist: „Für Kinder und Bürger mit zu geringem oder keinem Einkommen wird eine Pauschale als Bestandteil des Bürgergeldes gewährt, die sich an der Höhe der Regelleistungstarife der verschiedenen Krankenkassen bemisst.“ Das meint, dass alle zusätzlichen Leistungen von diesen 662 Euro zu bezahlen sind: „Derjenige, der höher versichert ist, muss die zusätzlichen Kosten eigenständig aufbringen.“ Bleibt nur die Frage, wovon. Bei der Pflegeversicherung setzt die FDP allerdings auf Versicherungspflicht – bei einer privaten beziehungsweise kapitalgedeckten Versicherung. Und auch dieser Betrag soll aus den 662 Euro bezahlt werden.

Das Bürgergeld der FDP ist zudem ausgerichtet auf die weitere Schaffung eines Niedriglohnsektors. Die Vorgaben der Liberalen sind klar: „Ohne eine Anpassung der Tarife nach unten ist der strukturellen Arbeitslosigkeit im Niedriglohnbereich nicht wirksam entgegen zu treten. Zudem müssen die starren Flächentarifverträge flexibler gestaltet werden.“ Auf dem Programm stehen also die Absenkung der Löhne, die Abschaffung der Flächentarife und auch des Kündigungsschutzes. Dafür sollen die Freibeträge auf Einkommen beim Bürgergeld gegenüber Hartz IV erhöht werden – quasi also die flankierende Maßnahme zur Einführung von flächendeckenden Niedriglöhnen, von denen niemand leben kann.