Die Pille beeinflusst die Partnerwahl

Die Antibabypille verändert den hormonellen Zyklus der Frau und hat damit auch Auswirkungen auf die Partnerwahl

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Dass die Pille seit ihrer Einführung vor fast 50 Jahren enorme Auswirkungen auf das Fortpflanzungsverhalten des Menschen besitzt, zeigen schon Vokabeln wie „Pillenknick“. Die orale Kontrazeption hat den Frauen eine bis dahin unbekannte Kontrolle über ihre eigene Fruchtbarkeit gegeben – kam sie doch auch gerade richtig zu den wilden 1960ern und 1970ern, bis der AIDS-Schock das Thema Fortpflanzung und Verhütung mit neuer Ernsthaftigkeit besetzte.

Dass die Pille in den hormonell gesteuerten Zyklus der Frau eingreift, führte zunächst auch zu einer gewissen Verunsicherung. Die damals befürchtete schädliche Wirkung, so viel scheint derzeit mit Milliarden Anwenderinnen im Hintergrund sicher, ist aber bisher nicht in epidemischem Ausmaß nachweisbar. Natürlich gibt es Frauen, die die Pille aus irgendeinem Grund nicht vertragen und unter Nebenwirkungen leiden. Die Vorteile haben bisher aber stets die Nachteile derart aufgewogen, dass der Erfolg ungebremst ist. Tatsächlich lässt sich unter anderem nachweisen, dass durch die Pille das Bildungsniveau unter Frauen im Mittel gestiegen ist, weil sich die kinderfreie Zeit hinausziehen lässt.

Damit bleibt nun Zeit, sich den etwas feineren Wirkungen zuzuwenden – wie mag sich der massenhafte Gebrauch der Pille auf die Menschheit insgesamt auswirken? Die Forschung weiß nämlich inzwischen, dass auch die menschliche Partnerwahl mindestens teilweise hormonell gesteuert wird. Im Fachmagazin Trends in Ecology & Evolution gehen die Forscherinnen Alexandra Alvergne und Virpi Lummaa nun der Frage nach, welche Folgerungen sich daraus ergeben.

Bei einer Frau, die ihrem natürlichen Zyklus folgt, steigt die Fruchtbarkeit bis zum Tag des Eisprungs langsam an. Die Zeugung selbst kann dabei nur in einer etwa sechstägigen Periode erfolgen, die mit dem Eisprung endet. Anders als bei vielen Tierarten ist beim Menschen Sexualität aber nicht auf die fruchtbare Zeit beschränkt. Die Wissenschaft sagt dieser Zweiteilung einen doppelten evolutionären Zweck nach: Während der fruchtbaren Phase dient Sex demnach dem Erwerben genetischer Vorteile für die Nachkommen – in der unfruchtbaren Zeit hingegen dem Verschaffen nicht-genetischer Vorteile.

Frauen unter hormonellem Einfluss

Diese wechselnde Strategie wird von einem physiologischen Zyklus angetrieben, der sich auch in Verhaltensänderungen ausprägt. Tatsächlich zeigen drei Viertel aller diesbezüglichen Studien, dass Frauen in unfruchtbaren Phasen Männer bevorzugen, die ihnen materielle Vorteile zu versprechen scheinen, während sie in den fruchtbaren Tagen eher die Qualität des genetischen Materials begutachten. Ovulierende Frauen bevorzugen zum Beispiel eher maskuline und symmetrische Züge an Männern. In der langen Phase der menschlichen Frühzeit hat diese Zweiteilung, meinen die Forscher, die Frauen erst dazu befähigt, informierte Entscheidungen zu treffen, mit wem sie sich fortpflanzen und mit wem sie ein Paar bilden.

Wirksam sind diese Einflüsse aber noch heute. Zum einen verändern sich auf den Eisprung hin einige äußere Eigenschaften der Frau – Stimmlage, Körpergeruch, Gesichtszüge variieren, so dass diese Hinweise auch vom Mann gelesen werden können. Parallel ändert sich aber auch das Verhalten der Frau: Studien haben gezeigt, dass sich Frauen provokativer anziehen, dass sie mehr Wert auf ihre eigene Attraktivität legen, sich auch selbst anziehender finden und schließlich auch öfter von sexuellen Träumen und Fantasien berichten.

All diese Änderungen aber werden bei Einnahme hormoneller Verhütungsmittel negiert. Und nicht nur das: Frauen bevorzugen nun Männer, die mit einem ähnlichen Immunsystem ausgestattet sind – wohl aus evolutionärer Sicht präferieren ovulierende Frauen nämlich Männer mit unterschiedlicher Immunausstattung. Berücksichtigt man, dass Männer Frauen während ihrer fruchtbaren Tage bevorzugen, verschlechtern sich auch die Chancen der die Pille nehmenden Frauen, attraktive Partner zu finden. Es wurde zum Beispiel nachgewiesen, dass Tänzerinnen während ihrer fruchtbaren Tage deutlich mehr Trinkgeld zugesteckt bekamen als sonst.

Die Forscherinnen warnen allerdings, dass in dieser Frage noch nicht alles geklärt ist. Es ist zum Beispiel bekannt, dass mit der Pille verhütende Frauen auch mehr langfristige Beziehungen führen. Es wäre also möglich, dass die beobachteten Unterschiede nicht an der Pille liegen, sondern an Unterschieden zwischen Frauen, die auf diese Weise verhüten beziehungsweise nicht verhüten. Wenn die Indizien allerdings tatsächlich richtig zu deuten sind, dann könnte das auch Konsequenzen im Alltag haben: Versteht sich ein Paar, das sich ohne Pilleneinfluss zusammengefunden hat, vielleicht nicht mehr, wenn die Frau mit hormoneller Verhütung beginnt?