Showdown für Karl Heinz Grasser

Die Schlinge um den Hals von Karl Heinz Grasser ("KHG"), Österreichs "bestem Finanzminister aller Zeiten", zieht sich enger - Teil 1

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Sollte Grasser angesichts der bekanntgewordenen Sachverhalte weiterhin einer gerichtlichen Verfolgung entgehen, wäre zumindest bewiesen, dass er den Coup nicht alleine durchgezogen hat, sondern mächtige Helfer hatte.

Dumm gelaufen, möchte man sagen. Weil eine Immobilienfirma in Schwierigkeiten geriet, wurden dubiosen Zahlungen an zwei enge Freunde und Geschäftspartner Grassers bekannt. Dadurch können sich die Nutznießer des „Buwog-Skandals“ ihrer Gewinne wohl nicht mehr unbesorgt erfreuen.

Denn Ende September haben der Grasser-Intimus und PR-Berater Peter Hochegger und Grassers Trauzeugen Walter Meischberger per Selbstanzeige beim Finanzamt eingestanden, im Zusammenhang mit der größten Privatisierung der Republik fast zehn Mio. Euro an Beraterhonorar kassiert und nicht versteuert zu haben. Geflossen ist das Geld zuerst an Hochegger, der aber fast acht Millionen an Meischberger weitergegeben habe, welcher nach einer Affäre im Profifussball den Beinahmen „Bar aufs Handerl“ trägt. Gezahlt wurde laut Geheimvertrag für gerade einmal zehn Arbeitstage über eine Briefkastenfirma auf Zypern und eine Lichtensteiner Bank, die dafür übrigens fünf Prozent Provision genommen haben soll.

Seit auch noch ein Kronzeuge aus Grassers Ministerkabinett aufgetaucht ist, der im Magazin Profil behauptete, die Privatisierung sei von Anfang an abgekartet gewesen, rotieren Opposition und Medien und fast täglich kommen neue Sachverhalte ans Licht. Wie es aussieht, besteht nun erstmals die Chance, dass die von vielen als unerträglich empfundenen Vorkommnisse während der Koalition der ÖVP mit Jörg Haider aufgearbeitet werden.

Die Umleitung von öffentlichem Vermögen in private Hände läuft üblicherweise nach sehr einfachen Regeln: So wird die Zahl der Mitwisser grundsätzlich zwar möglichst gering gehalten, nur müssen auch jene eingebunden werden, die die Abzocke eventuell direkt verhindern oder wenigstens bekanntmachen könnten. Und wie es auf Wienerisch so schön heißt, ist „jedes Schrifterl, a Gifterl“. Alle Absprachen erfolgen daher mündlich unter vier Augen und werden nur mit Handschlag besiegelt, wobei gewiefte Top-Entscheidungsträger oft auch nur ihre Mitarbeiter – ohne sich selbst definitiv zu äußern – entsprechend anleiten, um sich selbst nicht direkt zu belasten. Betroffene Mitarbeiter weiter unten, die dann unverständliche Anweisungen umsetzen müssen, erfahren dann nur das Nötigste und werden offen oder auch augenzwinkernd belogen, müssen dann aber auch entsprechend ihrem Bedrohungspotential abgefunden werden.

Materielle Beweise für Korruption sind daher auch am ehesten auf der Zahlungsseite zu finden, weshalb bei Korruptionsvorfällen fast grundsätzlich die Tatbestände der Geldwäsche und der Steuerhinterziehung erfüllt werden. Die einzige Chance auf weitere materielle Beweise besteht in der Regel darin, dass Beteiligte sich persönlich absichern, indem sie bewusst beweiskräftiges Material über andere Beteiligte produzieren um sich gegebenenfalls später deren Hilfe zu versichern.

Sofern die Abstauber sich also nicht zu sicher gefühlt und Vorsichtsmaßnahmen vergessen haben, werden etwaige Vorhaltungen glatt abgeleugnet und Zeugen unglaubwürdig gemacht. Wer dann weiter Missstände behauptet, wird auf den Mangel an materiellen Beweisen verwiesen und mit Klagen eingedeckt. Die Gerichte stoßen hingegen auf eine Mauer des Leugnens, die sie kaum jemals durchbrechen können, insbesondere da es aus Mangel an Beweisen kaum jemals Gerichtsverfahren eröffnet werden.

Diesmal sorgen jedoch die bekanntgewordenen Zahlungen und der Kronzeuge dafür, dass sich ausnahmsweise einmal nachvollziehen lässt, wie die Geschichte gelaufen sein könnte.

Begonnen hat alles in der Zeit der EU-Sanktionen gegen die österreichische Regierung. Die Österreichische Volkspartei war 1999 unter Wolfgang Schüssel bei der Nationalratswahl schwer geschlagen und von Haiders FPÖ auf den dritten Platz verdrängt worden. Schüssel weigerte sich nun jedoch, als Juniorpartner eine Koalitionsregierung mit der SPÖ einzugehen, sondern brachte mit der FPÖ erstmals in einem EU-Land einen rabiaten Rechtspopulisten an die Macht, was damals noch auf heftigen Widerstand der EU stieß.

Ein Hauptziel der Regierung war die rasche Privatisierung von Staatsvermögen, so das am 6. Juli 2004 die staatseigenen Immobiliengesellschaften BUWOG, WAG, ESG Villach und EBS Linz um einen Kaufpreis samt Schulden von 961,28 Mill. Euro an das „Österreich-Konsortium“ bestehend aus Immofinanz AG, Raiffeisen Landesbank Oberösterreich, Hypo Oberösterreich, OÖ. Versicherung und Wiener Städtischer verkauft wurde - das unter äußerst verdächtigen Umständen, wie sich jetzt immer deutlicher herausstellt.

Die Umstände waren damals in Österreich generell etwas eigenartig: Da der bekannte Rabauke Haider, der vor ziemlich genau einem Jahr betrunken in den Tod gerast ist, als Vizekanzler doch nicht präsentabel war, war er als Landeshauptmann in Kärnten geblieben. Nach Wien schickte er auserlesene Mitglieder seiner "Buberlpartie", die nun in wichtigen Positionen mit öffentlichen Geldern jonglierte und für eine erstaunliche Serie an Skandalen sorgen sollte. KHG, deren schönstes Mitglied, wurde sogar Finanzminister und kam auch zu internationaler Bekanntheit, etwa indem er seinen konsternierten Kollegen im EU-Finanzministerrat Ecofin Vorträge über neoliberale Wirtschaftspolitik hielt. Später verheiratet mit einem millionenschweren Spross der Tiroler Kristalldynastie Swarovski bevölkerte er zudem die Klatschspalten und schaffte es sogar als Dessous-Model auf das Cover der deutschen „Vanity Fair“, allerdings nur bei der Österreich-Mutation.

Seine fachliche Bilanz sieht hingegen traurig aus. So erhöhte er am Höhepunkt der letzten Wirtschaftskrise die Steuern, erleichterte die Notenbank um einen großen Teil ihrer Devisenreserven und privatisierte Staatsvermögen für 6,2 Milliarden Euro. Dadurch konnte er zwar einmal tatsächlich einen Budgetüberschuss bekanntgeben, dies jedoch um den Preis steigender Arbeitslosigkeit und der höchsten Steuerquote seit dem 2. Weltkrieg.

Aber obwohl es Grasser weder an peinlichen Auftritten, noch an echten Skandalen mangelte, änderte das vorerst wenig an seiner Beliebtheit und an seiner juristischen Unbescholtenheit.

Ein Top-Insider packt aus

Wie der „Kronzeuge“ und frühere stellvertretenden Kabinettschef Michael Ramprecht dem Magazin „Profil“ und der Staatsanwaltschaft erzählte, sei er „ein, zwei Monate nachdem Karl-Heinz Grasser (Anm.: am 4. Februar 2000) Finanzminister wurde“ von Grasser selbst aus Kärnten ins Ministerkabinett geholt worden. Ramprecht, den Grasser seit dem Interview als „Lügner“ und „Erpresser“ bezeichnet, habe Grasser die Privatisierung der rund 63.000 Bundeswohnungen selbst vorgeschlagen und sei im Ministerkabinett dann auch dafür zuständig gewesen.

Allerdings sollte er auf Wunsch Grassers auch dessen guten Freund, Hausherren und späteren Geschäftspartner, den Wiener Immobilienmakler Ernst Karl Plech, einbinden. Den hatte Grasser bereits im September 2000 an die Spitze des Aufsichtsrats der Buwog gesetzt, der größten der vier staatseigenen Immobiliengesellschaften, die dann 2004 privatisiert wurden. Der gut vernetzte Plech war ein Haider-Fan der ersten Stunde und hatte bereits mitgeholfen, als sich Haider 1986 auf dem Innsbrucker Parteitag der FPÖ an die Parteispitze puschte. Später hat Plech Haiders Landtagswahlkämpfe finanziell unterstützt und soll seinen Freund nicht nur auf einer Imagetour in den USA begleitet, sondern ihm auch ein Penthouse in Wien zur Verfügung gestellt haben.

Diese Freundschaft dürfte auf Grasser übergegangen sein, der Plech etliche Aufsichtsratsmandate und Regierungsaufträge zuschanzte. Schön verdient hatte Plech etwa als Alleinvermittler von Bundesimmobilien, wobei ihm die Übersiedelung des ehemaligen Handelsgerichts 700.000 Euro einbrachte, wogegen die 25.000 Euro Provision für den Verkauf von Außenflächen einer Justizanstalt fast schon bescheiden anmuten.

Dem Kronzeugen zufolge sei das Verhältnis zwischen Plech und dem Minister in der Folge immer enger geworden und der Minister, zu dem Ramprecht zuvor stets direkten Kontakt gehabt habe, hätte dann „eigentlich nur noch über Plech“ mit Ramprecht kommuniziert. Plech habe „immer mehr die Fäden gezogen“.

Wenn Ramprechts Behauptung stimmt, dass der Zuschlag an das Konsortium um die Immofinanz-Gruppe von Anfang an eine ausgemachte Sache war, müssten hinter den Kulissen nun hektische Aktivitäten angelaufen sein, wobei nach wie vor völlig offen ist, wer nun tatsächlich beteiligt war. Denn der Herr des Verfahrens war zwar eindeutig Grasser, da Plech nun aber zum Sprachrohr des Ministers wurde und Grasser selbst sich gegenüber dem bislang einzigen Zeugen anscheinend nicht mit entsprechender Klarheit geäußert hat, könnte Plech vielleicht Grasser getäuscht und belogen haben, was der zweifelsfrei genau so behaupten wird, sollte eine Beteiligung Plechs nachgewiesen werden.

Jedenfalls müsste zumindest Plech nun den Plan gefasst haben, abzukassieren, vielleicht ist aber auch der künftige Käufer mit einem derartigen Vorhaben an Plech/Grasser herangetreten. Ziel war dann jedenfalls, die Immobilien auf Kosten der Republik unter ihrem wahren Wert an einen Investor zu verkaufen, der bereit war, den Gewinn mit den Verschwörern zu teilen.

Immobilienguru Petrikovics strauchelt

So unklar es also noch sein mag, wer auf der Verkäuferseite im Boot war, beim späteren Käufer Immofinanz hatte jedenfalls eindeutig Karl Petrikovics das Sagen. Der führte in Personalunion auch die Constantia Privatbank, die er von einer unbedeutenden Bank im Besitz des österreichischen Industriellen Herbert Turnauer zu einem ernstzunehmenden Mitspieler am Wiener Finanzplatz gemacht hatte. Dies erfolgte vor allem mit Immobiliengeschäften, wobei der als thesaurierende Aktie konstruierte Immobilienfonds Immofinanz unter seiner Führung bis zum Buwog-Kauf 15 Kapitalerhöhungen durchführte und zur größten Immobilienfirma Österreichs wurde. Der trickreiche und risikofreudige Petrickovics schien der Konkurrenz tatsächlich stets eine Nasenlänge voraus zu sein und war zur absoluten Nummer Eins im Immobiliengeschäft aufgestiegen, wie auch die von ihm sorgsam gepflegten Medien gerne zu berichten bereit waren.

Nun macht man in Österreich eher keine große Managerkarriere, wenn man zu viele Profitchancen nur deshalb auslässt, weil sie unethische oder illegale Handlungen erfordern. Und so außergewöhnlich die Karriere von Petrikovics verlaufen ist, so schwer war auch sein Absturz, der dann die Buwog-Affäre erst ans Licht brachte.

So dürfte der schlaue Petrikovics ein Opfer der eigenen Propaganda geworden sein und völlig verdrängt haben, dass Aktien auch fallen können. Denn als die Ostfantasie dem Wiener Finanzplatz ab 2003 erstmals seit langem wieder etwas internationale Bedeutung und ausländische Investorengelder verschafft hatte, ging auch der Kurs der Immofinanz AG durch die Decke. Petrikovics nutzte die Gunst der Stunde und holte sich immer mehr billiges Geld von der Börse, wozu er aus der Immofinanz eine zweite Immoeast AG ausgliederte und gesondert an die Börse gebracht hatte. 2007, als die hohen Bewertungsniveaus kaum noch zu rechtfertigen waren, drohte dann aber doch eine Immofinanz-Emission zu scheitern, woraufhin die von Petrikovics kontrollierte Immoeast ihre üppigen Cashbestände zur Verfügung stellte, damit eine dritte, ebenfalls von Petrikovics kontrollierte Gesellschaft die Emission diskret aufnehmen konnte.

Idealerweise wären die Aktien nun diskret bei steigenden Kursen über die Börse abgeschichtet worden, wozu es aber niemals kam, weil die Kurse nun nur noch einbrachen. Die massiven Kursverluste rissen riesige Löcher in die Kassen und führten zuerst zu diversen weiteren Manipulationen und Vertuschungsaktionen und dann zum Zusammenbruch des „System Petrikovics“, dessen gerichtliche Aufarbeitung wohl noch mehrere Jahre erfordern wird. Die Familie Turnauer hat inzwischen jedenfalls die Bank verloren und kämpft um ihr Restvermögen, während Petrikovics bei der Immofinanz hinausflog, wo jetzt ein neues Management am Werk ist.

Dem profil erzählte Petrikovics nun treuherzig und ohne sich genau zu erinnern, da das ja schon fünf Jahre zurückliege, dass Hochegger und Meischberger für ihr Erfolgshonorar „durchaus brauchbare Informationen“ geliefert hätten. Er selbst sei „immer davon ausgegangen, dass er (Hochegger) erfolgreich für uns lobbyiert hat“. ….

Das Verkaufsverfahren kommt auf Schiene

Aber so weit sind wir noch nicht. Zuerst musste das Verkaufsverfahren auf Schiene gebracht, d.h. die gesetzlichen Grundlagen geschaffen und die passende Investmentbank gefunden werden. Am 11. Juni 2002 fasste die Regierung also den Grundsatzbeschluss über die Verwertung der Bundeswohnbaugesellschaften und am 25. Juli 2003 wurde der Bundesminister für Finanzen gesetzlich ermächtigt, die Geschäftsanteile des Bundes an den Bundeswohnbaugesellschaften bestmöglich zu veräußern.

Gleichzeitig suchte das Finanzministerium eine Investmentbank, die einen Käufer auftreiben sollte. Im Frühjahr 2002 lagen dann Angebote von fünf Investmentbanken vor: Salomon Brothers, Rothschild, Creditanstalt Investmentbank (CA IB), JP Morgan und Lehman Brothers. Hier tritt mit Karlheinz Muhr ein weiterer Grasser-Freund auf den Plan, von dem später zu lesen sein würde, er wolle den Job-suchenden Ex-Minister Grasser bei der Credit Suisse als Investmentbanker unterbringen.

Muhr ist allerdings keinesfalls vom Kaliber der „Buberlpartie“, sondern ein durchaus erfolgreicher Investmentbanker, der damals jedoch in einem Nahverhältnis zu Lehman stand und dann von dieser bezahlt wurde. Dem Standard sagt er jetzt, er sei als „Vertreter seines Unternehmens Volaris Advisors LLC als einer von mehreren Beratern im Rahmen des an Lehman Brothers von der Republik Österreich erteilten Beratungsauftrages" engagiert worden. Konkret sei es insbesondere um die Beratung „bei der Strukturierung des Verkaufsprozesses“ gegangen. Dafür sei Valoris „von Lehman Brothers ein Gesamtberatungshonorar von 433.820 Euro“ bezahlt worden. Eine „Einflussnahme von Grasser auf den Buwog-Verkaufsprozess“ sei Muhr „in keiner Weise bekannt“, ergänzte noch sein Anwalt. Allerdings hatte Grasser Muhrs Engagement 2003 gegenüber dem Magazin „NEWS“ etwas anders dargestellt: „Ich habe ihn neben anderen eingeladen, mir einen Vorschlag zu machen, welche Firmen ich für diese Aufgabe einladen soll.“ Das bedeutet wohl, dass nicht Muhr über Lehman sondern Lehmen über Muhr zu dem Auftrag kam und dann Muhr beschäftigt und bezahlt hat.

Mitte September 2002 waren jedenfalls nur noch die CA IB und Lehman Brothers im Rennen, wobei die CAIB um ein Drittel günstiger angeboten hatte. Vor der entscheidenden Sitzung des Vergabegremiums hätte Plech jedoch Ramprecht beiseite genommen und mitgeteilt, dass der Minister auf Lehman Brothers bestehe und Ramprecht das zu exekutieren habe. Ramprecht folgte und als rechte Hand des Ministers konnte er sich in der Kommission durchsetzen und Lehman Brothers den Zuschlag und ein Honorar von rund zehn Millionen Euro zuschanzen.

Ramprecht fühlte sich deswegen jedoch zurückgesetzt und war verärgert, woraufhin es zwei Wochen später „zu einer finalen Unterredung in einem Wiener Tennisclub gekommen“ sei, bei dem Plech gefragt habe, wie naiv er denn wäre: „Wir haben den Auftrag, wer das werden wird. Es soll die Immofinanz werden. Wir wissen doch, wohin die Reise geht. Es soll die Immofinanz werden“.

Nach eigenem Bekunden wurde Ramprecht daraufhin so renitent, dass ihm Plech, wie profil schreibt, Ende 2002 rund 700.000 Euro Schweigegeld angeboten und erklärt habe, Vermittlungsprovisionen wären bei so einem Deal normal und geschäftsüblich. Er habe jedoch abgelehnt, woraufhin Plech, bei dem übrigens Ramprechts Gattin zu diesem Zeitpunkt angestellt war, Ramprecht massiv bedroht hätte: „Er hat gesagt: „Ich habe so viel Geld, dass ich dich vernichte, dich und deine Familie.“

Offiziell war vorerst jedoch Lehman am Zug, die mit Investoren verhandelten und Angebote einholten, während sich zwischenzeitlich die politische Landschaft verändert hatte. Denn Haider hatte seinen rechtspopulistischen Kurs auch als Chef einer Regierungspartei nicht aufgegeben und von Kärnten aus weiter massiv gegen die Wiener Politik gehetzt. Das führte zu Streitigkeiten mit den FPÖ-Ministern und letztendlich zu deren Rücktritt und Neuwahlen. Strahlemann Grasser, der dank Hocheggers reichlich aus Steuermitteln bezahlter PR sagenhafte Beliebtheitswerte erzielte, hüpfte indessen schwungvoll von Haiders Schoß auf den von Schüssel. Der nahm ihn so wohlwollend auf, dass er ihn nach seiner Abwahl 2007 sogar zum ÖVP-Vizekanzler unter seinem Nachfolger, dem SPÖ-Kanzler Gusenbauer, machen wollte und nur an einigen skeptischen Parteigranden scheiterte.

Im Wahlkampf 2002 präsentierte er ihn jedoch als „seinen Finanzminister“ und laut den meisten Wahlanalysen ermöglichte erst dieser Schachzug den Wahlsieg der ÖVP, die im November 2002 erstmals seit den 1960er Jahren zur stärksten Partei im Parlament wurde. Zwar hatte Haiders FPÖ gleichzeitig mehr als die Hälfte ihrer Stimmen eingebüßt, dank der triumphalen 42,3 Prozent der ÖVP reichte es dennoch für eine Neuauflage der „Kleinen“ Koalition, nur diesmal mit einer übermächtigen ÖVP.

Inzwischen war der Privatisierungsvorgang weitergelaufen und am 4. Juni 2004 legten mit der CA Immobilien AG und dem Immofinanz-Konsortium (mit dabei auch Wiener Städtische und Raiffeisen Oberösterreich) letztendlich zwei Bieter verbindliche Offerte legten.

Dabei lag die CA Immo laut Rechnungshof jedenfalls mit 795 Millionen Euro deutlich vor dem Immofinanz-Gebot von 706,6 Millionen Euro (ohne Forderungen des Bunds an die Wohngesellschaften bieten CA Immo 928 Mio. Euro, die Immofinanz 837 Mio. plus sechs Besserungsscheine), wobei die Anbote laut Lehman jedoch nicht vergleichbar waren. Die Angebotsfrist wurde also um mehrere Tage verlängert, „um beiden Interessenten die Möglichkeit eines 'Last and Final Offer' zu geben“. Gleichzeitig verkürzte der Bund seine ursprüngliche Zuschlagsfrist vom 30. Juni auf den 22. Juni, das mit der weiteren einseitigen Vorgabe, dass eine allfällige Zuschlagsentscheidung durch den Bund bis 15. Juni 2004 eine 3-prozentige Kaufpreiserhöhung bewirken würde.

Kurz davor, am 2. Juni, hatte laut dem im Zuge einer Hausdurchsuchung in einer Wiener Rechtsanwaltskanzlei gefundenen Geheimvertrag auch die Zusammenarbeit der Immofinanz mit Hochegger und Meischberger begonnen. Das Ergebnis ist bekannt: Am Ende lag die Immofinanz um gerade einmal 1,19 Millionen Euro vor dem Mitbewerber, was der Immofinanz am 15. Juni 2004 den endgültigen Zuschlag brachte.

Laut dem Magazin „Format“ gab es nach der ersten Angebotseröffnung ein Treffen im Gelben Salon des Finanzministeriums, an dem Grasser, sein Kabinett sowie hohe Finanzbeamte teilnahmen. Dabei soll eine Finanzgarantie über 960 Mio. Euro bekannt geworden sein, die die Bank Austria der CA Immo eingeräumt habe und die offenbar ihr Maximalgebot darstellte. Jedenfalls bot die CA Immo am Ende genau jene 960 Millionen Euro und wurde überboten.

Laut Format sei innerhalb dieser Wochen auch die Provision von einem Prozent der Kaufsumme an Hochegger und Meischberger geflossen, wobei andere Quellen jedoch berichten, die inkriminierten Zahlungen wären erst Jahre später und in mehreren Tranchen erfolgt. Im Geheimvertrag war jedenfalls festgelegt, dass ausschließlich im Erfolgsfall ein Honorar anfalle, was offiziell erst am 15. Juni feststand.

Wenn es stimmt, dass die beiden ihre „Arbeit“ erst mit der Vertragsunterzeichnung aufnahmen, hätten die Grasser-Freunde also pro Arbeitstag also eine flotte Million abgegriffen. Allerdings berichtet Kronzeuge Ramprecht, Plech habe ihn schon im Herbst 2002 darüber informiert, dass auch Meischberger „im Boot“ sei.

Teil 2: "Ich habe ein supersauberes, reines Gewissen"