"Ich habe ein supersauberes, reines Gewissen"

Haiders Rolle bei der Buwog-Privatisierung. Showdown für den ehemaligen österreichischen Finanzminister Karl Heinz Grasser - Teil 2

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Haider, der als Vizekanzler nicht tragbar war, hatte seine "Buberlpartie" nach Wien geschickt, u.a. auch Karl Heinz Grasser, der schließlich zum Finanzminister aufstieg. Weil eine Immobilienfirma in Schwierigkeiten geriet, wurden dubiose Zahlungen im "Buwag-Skandal" an zwei enge Freunde und Geschäftspartner Grassers bekannt. Dabei ging es um das neoliberale Steckenpferd der Privatisierung, wie im ersten Teil zu lesen war (Showdown für Karl Heinz Grasser). Da Grasser dem Land Kärnten ein Vorkaufsrecht auf eine der vier zum Verkauf stehenden Immobiliengesellschaften eingeräumt hatte, hatte nun aber auch Schüssels Koalitionspartner Haider ein gewichtiges Wort mitzureden. Hätte Haider dieses Recht ausgeübt, dann wäre diese Gesellschaft aus dem Paket herausgelöst worden, was einen Bietersturz verursacht und die CA Immo zum Bestbieter gemacht hätte.

Von Haider, der mit seiner Partei der „Sauberen und Rechtschaffenen“ angetreten war, um Machtmissbrauch und Korruption abzuschaffen, wurde in Wirtschaftskreisen übrigens gemunkelt, dass er kaum eine Gelegenheit ausgelassen habe, Staatsvermögen in die von ihm gewünschten Bahnen zu lenken. So sollen selbst jene, die mit den Nehmerqualitäten der österreichischen Politik gut vertraut waren, verärgert gewesen sein, wie unverschämt Haider und seine FPÖ zugelangt hätten. Vielen schien es, als wollte Haider das, was ÖVP und SPÖ über Jahrzehnte abgestaubt hatten, innerhalb kürzester Zeit aufholen.

Dementsprechend verwundert nicht, dass Haider auch bei der Buwog-Privatisierung die Finger im Spiel hatte. Denn völlig unklar ist, warum das Land Kärnten von Grasser im Juni 2002 ein Vorkaufsrecht auf die Wohnbau-Gesellschaft ESG Villach eingeräumt bekommen hatte. Genutzt wurde es nicht und am 4. November 2003 verzichtete das Land auch offiziell darauf, nur um es am 13. Juni 2004, also zwei Tage vor dem Zuschlag an die Immofinanz, von Grasser erneut eingeräumt zu bekommen.

Dann wurde es deshalb jedenfalls sehr hektisch: „Sehr geehrter Herr Landeshauptmann, lieber Jörg“, soll Grasser dann an Haider geschrieben haben, „es ist aus Erlösmaximierungsgründen erforderlich, dass die Zuschlagserteilung bereits kommenden Dienstag im Ministerrat genehmigt wird ... Ende der Annahmefrist: 16. Juni, neun Uhr.“

Wegen „der Höhe des Kaufpreises ... und im Hinblick auf eine Verwendungszusage des Bestbieters, die Kärntner Vermögenswerte der ESG gesondert erwerben zu können“, so die offizielle Begründung, verzichtete Haider am 15. Juni 2004 auf das Vorkaufsrecht. Wie dem Rechnungshof schon 2006 auffiel, musste Haider also bereits im Vorhinein gewusst haben, dass die Immofinanz den Zuschlag erhalten würde. Denn andernfalls hätte er keine Vereinbarung über eine allfällige spätere Nutzung der Immobiliengesellschaft treffen können, was den Rechnungshof (RH) zu dem Schluss brachte, Haider hätte den Bestbieter gekannt: „Die Berufung auf eine Verwendungszusage des Bestbieters ließ darauf schließen, dass das Land Kärnten wusste, wer Bestbieter war. Dieser Umstand erschien dem RH deshalb bedeutsam, weil das Land Kärnten mit seiner Entscheidung über die Ausübung der Option letztlich auch darüber entschieden hat, welcher der beiden Bieter den Zuschlag erhalten werde.“

Der RH erblickte in der Gewährung des Vorkaufsrechts eine Bevorzugung des Vorkaufsberechtigten. Diesem wurde ohne Gegenleistung die Möglichkeit eröffnet, den Zuschlag für ein einzelnes gewünschtes Unternehmen zu erhalten. Weiter beanstandete der RH, dass die Einräumung des Vorkaufsrechts zu einer Erlöseinbuße in Hohe von 3,61 Mill. EUR geführt habe. Dieser Betrag entsprach 3 % des für die ESG Villach erzielten Gesamterlöses, der nicht geltend gemacht werden konnte.

Hätte Haider das Vorkaufsrecht ausgeübt, wäre das Immofinanzgebot bei 726,18 Mio. Euro gelegen und die CA Immo hätte mit 747,02 Mio. Euro den Zuschlag erhalten.

Wie der Rechnungshof also schon 2006 feststellte, wäre bei einem Einzelverkauf der vier Gesellschaften ein deutlich höherer Preis erzielbar gewesen. Vor der Einholung verbindlicher Angebote hätte Klarheit über alle kaufpreisrelevanten Vertragsinhalte geschaffen und die Erlöspotenziale mehrerer Verwertungsvarianten ausgelotet werden sollen. Außerdem sollten erlösmindernde oder prozesserschwerende Rechte nur gegen angemessene Gegenleistung eingeräumt werden. Abschließend stellte der Rechnungshof auch noch fest, dass die gesamte Dokumentation des Verkaufsprozesses mangelhaft sei.

Für die Immofinanz hat sich das Geschäft jedenfalls gelohnt, so veräußerte sie laut Geschäftsbericht 2007/2008 im Berichtszeitraum 175 Buwog-Wohnungen, wobei der Durchschnittspreis um 72% über den durchschnittlichen Schätzwerten des Portfolios gelegen hatte. Bereits in den ersten drei Jahren nach der Übernahme wurden die Bilanzwerte der Immobilien zudem um mehr als 400 Millionen Euro erhöht.

Der Wert der Immobilien stieg zudem auch dadurch, dass das Finanzministerium nachträglich und ohne Gegenleistung auf bestehende Einweiserechte verzichtete. Dabei handelte es sich vor allem um Wohnungen in guten Wiener Lagen, in die der Bund bei Freiwerden Nachmieter hätte benennen können. Hier habe der Finanzminister „generös auf 200 Millionen Euro verzichtet“, wie die Grüne Bautensprecherin, Gabriela Moser, ausgerechnet hat.

Vorfälle und Varianten

Laut dem Kronzeugen war die erste aktive Korruptionshandlung also die Auswahl der Investmentbank Lehman Brothers. Rein logisch hatte diese die Aufgabe, unerwünschte Bieter fernzuhalten und der Immofinanz einen Informationsvorsprung zu verschaffen, zudem flossen über Lehman Bundesgelder an den Grasser-Freundeskreis.

Nachdem nur noch zwei Bieter übrig waren und ihre Angebote abgegeben hatten, müsste das bislang siegreiche Gebot eingehend analysiert worden sein, um Informationen darüber zu gewinnen, welches Höchstgebot die CA Immo vermutlich legen werde, womit sich mit der genannten maximalen Kreditlinie eine schöne Zufälligkeit findet. Haiders sonderbare Beteiligung könnte, wenn man schon spekulieren will, auch den Zweck gehabt haben, für den Fall eines niedrigeren Gebots der CA Immo, auch das Immofinanzgebot zu verringern, indem dann einfach Kärnten die teuer im Anbot stehenden Immobilien übernimmt. Wenn das zu weit hergeholt erscheint, dann bleibt noch immer die dreiprozentige Preisminderung zugunsten der Immofinanz. Darüber hinaus könnte in der Form des Verzichts auf das Einweiserecht bereits im Vorhinein das Geschenk an die Immofinanz paktiert worden sein.

Verdächtig ist zudem der selbst auferlegte Zeitdruck. Immerhin ist „Gefahr im Verzug“ immer gut dafür geeignet, unangenehme Diskussionen mit störrischen Kommissionsmitgliedern abzuwürgen, was auch die rasche Entscheidung Haiders unterstützt haben dürfte.

Grassers Erklärung, er sei von seinen Freunden hintergangen worden, würde also auf eine Minimalvariante hinauslaufen. Demnach hätten Meischberger oder Hochegger in den Gängen des Finanzministeriums vielleicht zufällig aufgeschnappt, dass das Kreditlimit der CA Immo bei 930 Mio. Euro liege. Unter dem Motto, Gelegenheit macht Diebe, könnten sie mit dieser Information schnurstracks zu Petrikovics gelaufen sein, um diese einmalige Chance zu verwerten. Dem widerspricht jedoch, dass der Vertrag bereits vor der ersten Angebotseröffnung geschlossen wurde, und auch der Kronzeuge diese Version keinesfalls unterstützt.

Sollte hingegen doch ein größerer Plot dahinterstecken, kommt zuerst Plech in Betracht, der die Geschichte hinter dem Rücken Grassers gemeinsam und diskret mit Petrikovics ausgeheckt haben könnte. Offenbar hat der Kronzeuge Grasser nie dahingehend befragt, ob an dem, was Plech über die Absprache zugunsten der Immofinanz gesagt hat, etwas dran sei.

Sollte Grasser tatsächlich nichts geahnt haben, zeichnet das allerdings ein erschütterndes Bild von der Auffassungsgabe des Ex-Finanzministers. Wäre hingegen Grasser selbst involviert, dann drängt sich die Frage auf, welche Rolle andere Parteien dabei gespielt haben könnten.

Auffällig erscheint in diesem Zusammenhang, dass neben der offenbar Grasser-nahen Immofinanz auch die Raiffeisenlandesbank Oberösterreich und die Wiener Städtische Versicherung im siegreichen Konsortium vertreten waren. Ersterer kann dabei zweifellos ein Naheverhältnis zur ÖVP, letzterer eines zur SPÖ unterstellt werden. Beide Unternehmen betonen natürlich, niemals etwas von einer Beteiligung Meischbergers gewusst und insbesondere von der unversteuerten Millionenzahlung erst durch die Selbstanzeige der Empfänger erfahren zu haben. Selbst hätte man jedenfalls keinerlei Provisionen gezahlt; warum auch, da es sich ja um ein faires und transparentes Vergabeverfahren gehandelt habe.

Das ÖVP-nahe Raiffeisenkonsortium wurde dabei von Ludwig Scharinger geführt, der zweifellos Handschlagsqualitäten besitzt. Der langjährige Chef der Raiffeisen Landesbank OÖ hat sich stets von den modernen Finanzmarktspielchen ferngehalten und lieber reale Geschäfte gemacht. Das hat ihn selbst am Höhepunkt der jüngsten Finanzkrise solide Gewinne erzielen lassen, und er ist auch nicht dafür bekannt, in Not geratene Kunden schnell im Stich zu lassen. Ohne seine Zustimmung hätte sich in seiner Bank jedenfalls niemand auf ein solches Geschäft eingelassen. Wenn es also auch zu Geldflüssen an die ÖVP gekommen sein sollte, dann wohl kaum ohne Scharingers Wissen.

Staatsanwaltschaft hält sich zurück

Allerdings läuft keines dieser Unternehmen Gefahr, dass plötzlich ein feindlich gesinntes Management ans Ruder kommt und rätselhafte Zahlungen bekannt macht. Ebenfalls nicht denkbar erscheint, dass die Staatsanwaltschaft nun auf bloße Unterstellungen hin, umfangreiche Hausdurchsuchungen durchführen würde.

Allerdings wurden bei Grasser ebenfalls noch keine Haussuchungen durchgeführt, was sicherlich nicht nur aus Rücksicht auf dessen Millionärsgattin erfolgt ist. Da Grasser heute über keine politische Macht mehr verfügen dürfte, drängt sich die Frage auf, warum er noch keinen Besuch der Staatsanwaltschaft erhalten hat. Denn was liegt näher als anzunehmen, dass Meischberger Grasser nicht betrogen, sondern beteiligt hat? Immerhin wird Grasser wohl durchaus Bares benötigen, habe er sich doch per Ehevertrag verpflichtet, jährlich eine Million Euro zum gemeinsamen Haushalt beizusteuern, wie die „Presse“ anmerkte.

Wenn die Staatsanwaltschaft sich aber nicht einmal ernsthaft darum bemüht, Beweise gegen Grasser aufzutreiben, lässt das wohl nur den Schluss zu, dass da weiterhin höhere Mächte ihre schützenden Hände über Grasser halten. Und das erscheint wiederum nur dann plausibel, wenn nicht nur Grasser, sondern auch die eigentlichen Machthaber im Staate bei der Buwog-Privatisierung ihren Schnitt gemacht hätten und Grasser nur als Dritter im Bunde ist. Natürlich könnte Grasser auch geschützt werden weil er so lieb oder so hübsch ist; oder weil Hans Dichand, der Chef der allmächtigen Kronenzeitung, noch immer zu ihm hält. Vielleicht hat Grasser aber auch in weiser Voraussicht Belastungsmaterial gegen nach wie vor mächtige Zeitgenossen gesammelt und zurückbehalten.

Denn warum sollte die allmächtige ÖVP es zulassen, dass sich ihr Koalitionspartner schamlos und offensichtlich an Staatsvermögen vergreift, wenn sie nicht gleichfalls absahnen würde? Diesen Eindruck hat schon der Skandal um den Kauf der Eurofighter vermittelt, der bereits von einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss untersucht wurde. Hier wurden zwar eindeutig dubiose Geldflüsse an FPÖ-Nahe Kreise nachgewiesen, bevor der Ausschuss den Hintergründen aber tatsächlich auf den Grund gehen konnte, wurde er von der ÖVP, unter tätiger Mithilfe der SPÖ abgewürgt. Zu gerichtlichen Anklagen kam es gleichfalls nicht.

Mit den durch die Wiener Stadtzeitung Falter bekannt gewordenen ÖVP-freundlichen Verhältnissen in der österreichischen Staatsanwaltschaft und einer Mehrheit im Parlament konnten in Österreich bislang offenbar alle Skandale unter den Tisch gekehrt werden. Daran ändert auch nichts, dass die „Grünen“ so wie auch jetzt regelmäßig Strafanzeigen und Sachverhaltsdarstellungen einbringen. Inzwischen dürfte der öffentliche Druck aber zu groß geworden sein, um eine gerichtliche Aufarbeitung zu unterdrücken

Nach seinem Ausscheiden aus der Politik gründete Grasser jedenfalls gemeinsame Firmen mit Plech sowie mit Hochegger und Meischberger, mit dem er zudem bis zuletzt eine Bürogemeinschaft unterhielt. Grasser, dessen Selbstverteidigung etwas an Souveränität vermissen lässt, sei wütend; nichts habe er von den Provisionen gewusst: „Sie können davon ausgehen, dass ich ein supersauberes, reines Gewissen habe.“