Auch deutscher Atommüll rottet in Atommüllbehältern in Sibirien vor sich hin

Nicht nur französischer Atommüll wurde nach Sibirien gebracht, sondern offenbar auch ein Drittel des schwachaktiven Atommülls aus Deutschland

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Nun ist es raus, dass auch aus der Urananreicherungsanlage des Urenco-Konzerns im westfälischen Gronau seit 1996 tonnenweise abgereichertes Uran nach Sibirien geschafft wurde. Das Atomstromland Frankreich ist also nicht mehr allein bei seiner sonderbaren Atommüllentsorgung. Gegenüber der Frankfurter Rundschau hat Urenco die Lieferung der "Wertstoffe" nach Sibirien bestätigt

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Allein 2009 sollen "zwei Ladungen gen Osten geschickt". Im März sei ein Schiff in Rotterdam mit 1250 Tonnen Uranhexafluorid beladen und Richtung Sankt Petersburg geschickt worden. Eine weitere Lieferung sei am 26. August auf die Reise gegangen. Insgesamt sollen mehr als 27.000 Tonnen deutscher Atommüll nach Sibirien geschafft worden sein. Die Firma TENEX reichere dort angeblich das Material an, um daraus wieder Uran für die Energieerzeugung zu gewinnen. Wie der Deutschlandfunk aufgezeigt hat, handelt es sich aber nur um eine "fiktive Anreicherung".

Bestenfalls ein sehr kleiner Teil des Atommülls gelangt tatsächlich wieder nach Frankreich (oder nach Deutschland) zurück. Letztlich handelt es sich um eine wilde Entsorgung, ähnlich wie man es schon aus dem "Versuchsendlager" in der Asse kennt. Aus den Augen, aus dem Sinn ist offenbar das Motto, mit dem der strahlende Müll "entsorgt" wird. Das nennt man verantwortungsvollen Umgang mit dem giftigen und strahlenden Müll. In Russland hat man das Endlagerproblem offenbar dauerhaft "gelöst". Denn der 1996 geschlossene Vertrag sagt, dass all der "Wertstoff", der nicht aufbereitet nach Deutschland zurückgeschickt wird, Eigentum des abnehmenden Staates ist. Damit hat man ihn günstig in Sibirien "entsorgt".

Die Erklärungen, mit denen Urenco aufwartet, dürfen als Realsatire bezeichnet werden. Deren Sprecher bestätigt dem Spiegel zwar, dass das Material tatsächlich unter freiem Himmel gelagert wird, doch das geschehe nicht "in rostenden Behältern". Jochen Stay, Sprecher der bundesweite Anti-Atom-Organisation .ausgestrahlt erklärte dazu: "Die Urenco lügt, wenn sie behauptet, ihre nach Sibirien geschafften und dort unter freiem Himmel gelagerten Atommüll-Behälter mit giftigem Uranhexafluorid, würden nicht rosten". Das sei nachweislich falsch und anders als Urenco kann sich Stay auf Filmaufnahmen beziehen, die vom ZDF gezeigt wurden.

Stay geht davon aus, dass "ein Drittel der in Deutschland angefallenen schwachaktiven Abfälle" nach Sibirien geschafft wurden. Und irgendwie kommen einem die Vorgänge, dass Atommüll einfach umdeklariert wird, auch schon bekannt vor. Wurde nicht auch Atommüll umdeklariert, der in der Asse versenkt wurde? War es nicht Atommüll aus normalen Atomkraftwerken von EnBW, RWE und Vattenfall, der über das Forschungszentrum Karlsruhe umgeleitet wurde und schon dafür geeignet war, um im "Versuchsendlager" Asse versenkt zu werden (Wer zahlt für Sanierung von Asse II?)? Und da ist doch tatsächlich, welch Wunder, RWE wiederum an Urenco beteiligt. Die Anlage in Gronau gehört zu je einem Drittel der niederländischen und der britischen Regierung, doch der Rest gehört RWE und E.on.

Dass man es in Karlsruhe sogar mit dem Gift der Gifte nicht so genau nahm, ist inzwischen ebenfalls bekannt. Statt "nur" neun Kilogramm Plutonium schlummern mindestens 28 Kilogramm in den Tiefen des absaufenden Salzstocks. Vielleicht fallen den Verantwortlichen aber auch noch ein paar "Übertragungsfehler" auf, womit sich die Menge, die zwischen Tierkadavern, Giftmüll und der Asche verstrahlter AKW-Arbeiter eingesalzen wurde, noch erhöhen könnte Verwundern würde es niemanden mehr.

Warum sollte man sich eigentlich, angesichts so verantwortungsvoller Handlungen von Betreibern und Behörden, noch Sorgen machen, dass die neue Bundesregierung aus Union und FDP offenbar gerade eine Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke beschlossen hat, wie es diverse Nachrichtenagenturen melden. Den neu entstehenden Atommüll kann man ja weiterhin nach Sibirien schaffen, in der Asse entsorgen oder man vergräbt es im geplanten Endlager in Gorleben.

Auch dort hat man schon Erfahrung im Umdeklarieren gemacht. Schließlich wurde offenbar in einem Bericht der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB), der 1979 von "Unsicherheiten in Bezug auf Eignungsaussagen" des Salzstocks sprach, auf Grund des politischen Drucks der Regierung umdefiniert. Es soll ein Satz eingefügt worden sein, den es im Original nicht gab: "Die bisherigen Erkenntnisse über den Salzstock haben die Aussagen über seine Eignungshöffigkeit für die Endlagerung der vorgesehenen radioaktiven Abfälle voll bestätigt", hieß es dann plötzlich, womit alle Zweifel beseitigt wären.