Abmahnungen für alte PR-Bilder von Sahra Wagenknecht

Nachdem die Linkspartei einer Fotografin kein zusätzliches Honorar zahlen wollte, will man nun Geld von Bloggern eintreiben

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Dass das Abmahnen von Werken ein weitaus einträglicheres Geschäft sein kann als das Verkaufen, das ist nicht erst seit den von der Firma Digi Rights Solutions GmbH für ihre potentiellen Kunden angestellten Vergleichsrechnungen zwischen den Erträgen aus legalen und illegale Downloads bekannt. Das Pärchen, das mit "Marions Kochbuch" Fotos von Leberkäs und anderen Speisen anbot, machte bereits vor Jahren einer größeren Öffentlichkeit klar, dass sich in Deutschland ausgesprochen fragwürdige neue Nutzungsformen des Urheberrechts etabliert haben und rapide weiter ausbreiten.

Wie der Ruhrbarone-Blogger David Schraven nun berichtet kam zu diesen Modellen vor einigen Wochen ein neues hinzu: Sein Blog wurde zusammen mit der Paderzeitung, dem Bund Soziales Zentrum Deutschland (BSOZD) und Xtranews wegen der Verwendung eines Portraits der Linkspartei-Abgeordneten Sahra Wagenknecht abgemahnt. Ungewöhnlich an den verschickten Schreiben ist, dass sich die Empfänger per Unterlassungserklärung dazu verpflichten sollten, "Schadensersatz" in ungenannter Höhe zu leisten.

Dabei handelt es sich beim Streitgegenstand wohlgemerkt nicht um eine Fotografie, die irgendwo im Netz gefunden wurde. Nein: Sie wurde von der Linkspartei elf Jahre lang für Autogrammkarten und Wahlplakate verwendet, Presseerklärungen beigelegt, und explizit als "Pressefoto" gekennzeichnet zum Download bereitgestellt. Entsprechend häufig findet sie sich im Web.

Aus diesem Grund sehen die Ruhrbarone-Macher David Schraven und Stefan Laurin auch keinen Anlass, den Forderungen des Anwalts nachzukommen. Nachdem sie das Bild gelöscht haben, besteht kein Anlass zum Erlass einer einstweiligen Verfügung - und weil die behauptete Rechtsverletzung bereits lange zurückliegt, kann kaum mit Eilbedürftigkeit argumentiert werden. Auch Peter Ritsche vom BSOZD wies die Forderung nach Zahlung von "Schadensersatz" in ungenannte Höhe und einem "Anwaltshonorar" in Höhe von 775,64 Euro zurück. Einem möglichen Prozess, bei dem ihn der Urheberrechtsexperte Dr. Ralf Petring vertreten würde, sieht er nach eigenen Angaben "gelassen entgegen". Thomas Rodenbücher von Xtranews lässt es ebenfalls auf ein Gerichtsverfahren ankommen.

Der abmahnende Anwalt Ronald Schmidt kommt aus der Berliner Kanzlei Haupt und war für Telepolis bisher nicht erreichbar. Dem Ruhrbarone-Autor David Schraven sagte er, dass ein Recht zur Verwendung des Fotos zur Werbezwecken nur für den Wahlkampf 1998 gegolten hätte. Belege darüber lagen der Abmahnung allerdings nicht bei. Angeblich stellte Schmidt seit Mai Forderungen in Höhe von bis zu 20.000 Euro an die PDS-Nachfolger, die darauf jedoch nicht eingingen, weshalb er nun Blogs abmahnen würde. Diese könnten ja seine Forderungen begleichen und anschließend die Partei auf Erstattung verklagen.

Von Schraven darauf angesprochen, ob er die Blogger mit seinem Vorgehen erpressen oder auf die Linkspartei "hetzen" wolle, meinte Schmidt angeblich, er werde "auf diesem Niveau" nicht mit ihm diskutieren. Ein sich ausweitender Schaden scheint für die Linke allerdings zweifellos gegeben: Vielerorts heißt es nach dem Bekanntwerden des Vorfalls, man wolle in Zukunft keine Fotos mehr von ihr benutzen - und auch entsprechend weniger über sie schreiben, sondern stattdessen mehr über die Piratenpartei, der Abmahnungen ein zentrales Anliegen sind. Bei der Linkspartei ist dies bisher nicht der Fall. Die kulturpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, Lukrezia Jochimsen, spricht sich sogar ganz explizit gegen Bagatelleregelungen bei Urheberrechtsverletzungen aus, weil diese den "Respekt" vor dem "Geistigen Eigentum" mindern würden.

Linkspartei-Pressesprecherin Alrun Nüßlein konnte zwar telefonisch erreicht werden, teilte aber lediglich mit, sie sei "im Urlaub" und könne keine Stellungnahme abgeben. Der von ihr als Vertreter genannte Hendrik Thalheim meinte, die Bundestagsfraktion habe keine Abmahnungen verschickt, womit die Sache für ihn erledigt sei. Den Ruhrbaronen hatte der Linken-Landesverbandssprecher Ralf Michalowsky die Auskunft gegeben, das Blog würde "aus gutem Grund nicht [im] Mailverteiler" stehen und man frage sich, wie sie an die Pressemitteilungen gelangt seien. Die jedoch sind auch auf der Linken-Website zu finden, wo jeder das Material abrufen kann.

Weiter sagte man Schraven, dass die Fotografin Helga Paris, die das Bild anfertigte, bereits bezahlt worden wäre: 1.400 Deutsche Mark erhielt sie angeblich für das Werk, hinter dem ein unbefangener Beobachter keine wochenlange Arbeit vermuten würde. Sollte die Fotografin der PDS tatsächlich die Negative gegen ein durchaus nicht unangemessen niedrig erscheinendes Honorar überlassen haben und konnten diese dort 11 Jahre lang unbeanstandet verwendet werden, spricht einiges dafür, dass Paris die nun als fehlend bemängelten Rechte vollständig abgab.

Dies würde auch erklären, warum ihr Anwalt nicht gegen die mit einer Rechtsabteilung bestückte Partei vorgeht, sondern gegen Blogger, die sich Prozessaufwendungen zeitlich wie finanziell schlechter leisten können und Abmahnungen deshalb häufig zähneknirschend zahlen - auch wenn sie vermuten oder sogar genau wissen, dass sie im Recht sind.