Konsumrevolution statt Klimapolitik ohne Ziel

Die Energie- und Klimawochenschau: Festlegung auf vier Jahre energiepolitische Unentschlossenheit bei uns und Raffgier statt Perspektiven vor der Kopenhagen-Klimakonferenz

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Am Wochenende wurden im Koalitionsvertrag die Eckpunkte für eine Energiepolitik ohne klare Perspektiven festgelegt. Die Koalitionäre lavierten entlang einer Kompromisslinie mit den Koordinaten „Wirtschaftsinteressen bedienen“ und „aussitzen statt festlegen“. Energiepolitisch lief das darauf hinaus, dass vordergründig die Wünsche aller Energieproduzenten bedient werden sollen. Die großindustriellen Lösungen der fossil und atomar betriebenen Kraftwerke erhielten Bestandsschutz, dezentrale und regenerative Erzeuger sollen dagegen in einen Konzentrationsprozess gezwungen werden, um die Gunst der Koalitionäre nicht zu verlieren.

Abschied von Leitbild dezentrale Energieversorgung

Wohl weil es irgendwie nach wirtschaftlich klingt, soll der Emissionshandel unter Schwarz-Gelb „das vorrangige Klimaschutzinstrument“ und „zu einem globalen Kohlenstoffmarkt ausgebaut werden“. Gerade die energie- und kohlenstoffintensivsten Unternehmen sollen aber wirtschaftsprotektionistisch, von vornherein, von der Versteigerung der Emissionsrechte ausgenommen bleiben. Die Erlöse der Versteigerung der Emissionszertifikate sollen ab 2013 „vorrangig für internationale und ergänzend nationale Klimaschutzprojekte genutzt werden. Letztere sollen insbesondere für Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel verwendet werden.“ Was impliziert, dass Schwarz-Gelb selbst nicht daran glaubt, dass der CO2-Handel den Klimawandel bremsen kann.

Entgegen den Forderungen von Industrieverbänden, wie dem Bundesverband der Energie-Abnehmer, das EEG gleich ganz abzuschaffen, soll Strom aus Wind, Sonne und Biogas auch künftig über die EEG-Umlage gefördert werden. Die FDP musste hier mit ihrer Forderung zurückstecken, die Vergütungssätze über die ohnehin schon bestehende jährliche fünfprozentige Absenkung hinaus zusätzlich alle zwei Jahre bei einer turnusmäßigen „Überprüfung“ weiter zu verringern. Aufatmen also bei den meisten regenerativen Enerergieversorgern auch darüber, dass die nächste Novelle des EEG nach 2009 nicht schon in zwölf Monaten, sondern erst zum 1. Januar 2012 ins Haus stehen soll. Ausnahme sind die Solarstromproduzenten, sie müssen früher damit rechnen, dass ihre Einspeisevergütung gekürzt wird. Sie stehen am Pranger seit als Common Sense gilt, Solarstrom sei teuer und trage kaum zur allgemeinen Stromversorgung bei.

Neu mit der nächsten Überprüfung des EEG soll nun eine Marktprämie für Erzeuger regenererativer Energie eingeführt werden, wenn sie auf gesetzlich garantierte Preise verzichten und ihren Strom statt dessen auf dem „freien Markt“ anbieten. Dies sind wiederum Anforderungen die nur große Energieunternehmen oder Verbünde, nicht aber Besitzer kleiner Anlagen realisieren können.

Maria Flachsbarth von der CDU erläutert das Konzept aus der Sicht ihrer Partei: „Wir wollen das im Rahmen einer Marktprämie oder eines Kombi-Bonus machen. Das heißt die intelligente Vernetzung verschiedener erneuerbarer Ressourcen, also zum Beispiel Wasser mit Wind, dass die Volatilität ausgeglichen wird, das wollen wir honorieren. Belohnt werden soll aber auch die Möglichkeit, Öko-Strom direkt zu vermarkten etwa an der Strombörse in Leipzig.“

Stein des Anstoßes. Kritiker machen das EEG gerne verantwortlich für hohe Strompreise. Die realen Verhältnisse sehen anders aus. Bild: BEE

Blankoscheck für die Großen

Kohlekraftwerksbetreiber erhalten dagegen Bestandsschutz. Die Koalitionäre konnten sich dabei auf eine EU-Forderung berufen, ein Gesetz zu formulieren, das die Abscheidung und Speicherung von CO2 (CCS) bis spätestens Sommer 2011 regeln muss. Die Förderung der Forschung an CCS gibt den fossil betriebenen Großkraftwerken einen Blankoscheck für den Weiterbetrieb ihrer Kraftwerke, denn wer sollte schon nachweisen, dass CCS nicht möglich ist, wenn gerade dies über die Forschungsförderung in den nächsten Jahren die Daseinsberechtigung der beteiligten Institute sein wird. Trotz der Bürgerproteste in den betroffenen Nord-Bundesländern dürfte es also bald neben der schon Jahrzehnte währenden Erkundung atomarer Lager auch die von CO2-Lagern geben.

Angekündigt war bereits das angekündigte Ja zur Laufzeitverlängerung aller 17 Kernkraftwerke. Um die prognostizierten, unanständig hohen Extragewinne der Kernkraftwerksbetreiber zu bemänteln, sollen die Betreiber einen Teil der Mehreinnahmen für die Forschung und Vermarktung der erneuerbaren Energien investieren, der Schwerpunkt soll hier auf neuen Energiespeichertechnologien liegen. Fraglich ist, ob Speicher bei der anscheinend geplanten Abkehr vom Konzept des dezentral gespeisten Smart-Grid überhaupt Sinn machen. Das Neubauverbot zusätzlicher Reaktoren bleibt bestehen. Bestandsanlagen sollen „unter Einhaltung der strengen deutschen und internationalen Sicherheitsstandards“ am Netz bleiben. Wer prüft und wie oft bleibt unklar.

Jochen Stay, Sprecher von „Ausgestrahlt“, sagt dazu: „Angela Merkel zaudert, weil sie weiß, dass sie in der Atompolitik eine gesellschaftliche Mehrheit gegen sich hat. Sie versucht, den Druck durch Offenhalten aller wesentlichen Fragen abzumildern. Ihr Kalkül ist es, damit am Ende selbst die ältesten AKW am Netz zu lassen.“

Schwarz-Gelb hat außerdem festgelegt, das Moratorium für den Salzstock Gorleben aufzuheben. Die Nebenschauplätze Asse II und Morsleben sollen dagegen „in einem zügigen und transparenten Verfahren“ geschlossen und die Energieversorger an den Kosten beteiligt werden. Was mit dem bereits eingefüllten strahlenden Müll dort geschieht, ist also weiter völlig unklar.

Schienenverkehr weiter im Hintertreffen

Beim Thema Mobilität soll die bisherige Vorangigkeit des Straßenverkehrs bestehen bleiben. Das Schienennetz der Bahn bleibt staatlich, ebenso Bahnhöfe und die bahneigene Energieversorgung. Damit ist zu erwarten, dass Deutschland in Europa weiter unter ferner liefen bei den Investitionen ins Schienennetz landet.

Die Allianz pro Schiene stellte dazu gerade ein europaweites Länderranking auf. Danach steht Deutschland mit Investitionen ins Schienennetz von 47 Euro pro Einwohner am unteren Ende der Skala. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt liegt Deutschlands Schienenengagement knapp vor der Türkei. Im Europa-Vergleich kommen die europäischen Staaten im Jahr 2008 auf folgende pro Kopf-Investitionen der öffentlichen Hand in die Schienen-Infrastruktur: Die Schweiz investierte 284 Euro pro Bürger, Österreich folgt mit 205 Euro pro Kopf. Aber auch andere europäische Länder investieren in ihre Schienennetze. Großbritannien 136 Euro pro Kopf, die Niederlande 105 Euro, Schweden 104 Euro, Spanien 84 Euro und Frankreich 80 Euro. Deutschland rangiert mit Investitionen von 47 Euro pro Kopf weit abgeschlagen noch hinter Italien mit seinen 60 Euro pro Einwohner.

Dirk Flege von Allianz pro Schiene kritisiert: „Die mächtige Autoindustrie sorgt hierzulande seit Jahrzehnten dafür, dass die Straßeninfrastruktur stets um ein Vielfaches besser ausgestattet wird als die Schiene."

Mit dem Koalitionsvertrag soll die bisherige Bevorzugung des Straßenverkehrs beibehalten werden. Bei den Pro-Kopf-Investitionen in die Schieneninfrastruktur kommt Deutschland unter ferner liefen nach Italien und gerade noch vor der Türkei. Bild: Allianz pro Schiene

Vor Kopenhagen: Schachern statt Klimaschutz

Die internationale Staatengemeinschaft will sich im Dezember in Kopenhagen zumindest im Grundsatz auf ein neues Welt-Klimaabkommen einigen. Beim Treffen der Europäischen Umweltminister letzte Woche in Luxemburg, das als Vorbereitung der Konferenz in Kopenhagen gedacht war, zeichnete sich aber vor allem eines ab: Uneinigkeit. Zu einem Zeitpunkt an dem zum ersten Mal auch die USA bereit sind zu kooperieren, drohen gerade die europäischen Protagonisten, sich zu zerstreiten. Zahlreiche Punkte sind noch offen, vor allem die Verteilung der Kosten innerhalb Europas, die Frage, ob arme Länder finanziell unterstützt werden sollen und ob alte Emissionsrechte entgegen den geltenden Spielregeln des Emissionshandels in die nächste Versteigerungsrunde übernommen werden dürfen, was vor allem eine Ländergruppe um Polen durchsetzen möchte.

Die Erwartungen an die Kopenhagen-Konferenz sind in der Folge deutlich heruntergefahren. Eine gemeinsame Erklärung, das 2-Grad-Ziel einzuhalten und ein festes Datum die Verhandlungen abzuschließen, würden schon, zumindest diplomatisch, als Erfolg gelten, aber auch das scheint nicht mehr sicher. Offiziell darf die internationale Klimakonferenz im Dezember nicht scheitern, doch intern soll bereits an Alternativen gearbeitet werden, die die Klimakonferenz retten, auch wenn es in Kopenhagen nicht zu einem Nachfolgevertrag für das Kyoto-Protokoll kommt.

Das ist aber wahrscheinlich, denn der Erfolg eines kommenden Klimaabkommens hängt vor allem auch von den USA ab. Da es aber kaum möglich ist, dass der US-Kongress schon bis Dezember ein Klimagesetz verabschiedet, wird die US-Delegation nur eingeschränkt entscheiden können. Nur so könnte die US-Delegation in Kopenhagen einem Vertrag zustimmen, ansonsten droht einem Kopenhagen-Protokoll das gleiche Schicksal wie dem Kyoto-Vertrag. Dieser wurde vom damaligen Vizepräsidenten Al Gore unterzeichnet, bekam in den USA aber nie eine parlamentarische Mehrheit und konnte in den USA nicht in Kraft treten.

Das Kyoto-Protokoll legte die nationalen Reduktionsziele der Vertragsstaaten im Bezug zum Referenzjahr 1990 fest. Für die Kopenhagen-Konferenz zeichnet sich noch kein Konsens ab. Bild: Bild: Bundesverband Braunkohle

Das Klima liegt in der Hand der Konsumenten

Bei soviel Zaudern und Unentschlossenheit der nationalen und internatonalen Klimapolitik fordert Mohan Munasinghe, einer der Vorsitzenden des Weltklimarats IPCC eine „grüne Revolution" des Konsums, um langfristig ehrgeizigere Emissionsziele zu erreichen. Wir Konsumenten selbst sollen aktiv werden, die Politik lediglich die Hürden dazu abbauen. Der Konsum hänge direkt mit den Emissionen der Treibhausgase zusammen. Teile man die CO2-Emissionen den Ländern zu, in denen Güter und Dienstleistungen konsumiert werden, ergebe sich beispielsweise, dass fast ein Fünftel der chinesischen Emissionen im Auftrag anderer Länder produziert werden. Umgekehrt falle der Ausstoß der USA um acht Prozent höher aus, wenn man die Emissionen für die importierten Güter berücksichtige.

Daher seien wir Konsumenten selber Teil einer möglichen Lösung des Klimaproblems. Munasinghe geht davon aus, dass hierzu nicht primär eine Reduktion des Lebensstandards in den reichen oder armen Ländern die Lösung sei, da dies von den Bewohnern auch nicht akzeptiert würde. Vielmehr fordert er im Bericht der Uni Manchester Regierungen und Unternehmen auf, Barrieren zu beseitigen, die Konsumenten von Entscheidungen für umweltfreundliche Produkte und Dienstleistungen abhalten. Unternehmen sollten Emissionen in allen Arbeitsschritten von Rohstoffgewinnung, Produktion, Verteilung, Verbrauch bis hin zur Entsorgung ausweisen und kommunizieren. Den Käufern solle die Entscheidung für CO2-ärmere Produkte durch Steuervergünstigungen, Kampagnen und Zielmarketing leichter gemacht werden.