Jamaika versinkt im grünen Sumpf

Saar-Grünen-Chef Ulrich und seine pikanten Verbindungen zum Schattenmann der Saar-FDP

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Wenn sich am 2. November in Saarbrücken die Spitzenvertreter von Union, FDP und Grünen zu den Koalitionsverhandlungen treffen, wird dort der saarländische Grünen-Chef Hubert Ulrich seinem ehemaligen Arbeitgeber gegenübersitzen. Bis zum 1. Oktober dieses Jahres bezog Ulrich sieben Jahre lang als angeblicher „Marketingleiter“ einer Saarbrücker IT-Firma stattliche Nebeneinkünfte. Wie die Stuttgarter Zeitung nun am Wochenende herausfand, ist der Gesellschafter der großzügigen IT-Firma kein Unbekannter – es handelt sich um Hartmut Ostermann, seines Zeichens graue Eminenz der Saar-FDP und umtriebiger Multimillionär, der durch seine politische Landschaftspflege schon mehrfach für Schlagzeilen sorgte. Hat Hubert Ulrich die Wählerstimmen der Grünen verkauft?

Der Panzer und sein Landesverband

Wer eigentlich ist dieser Hubert Ulrich? Einige Parteifreunde nennen ihn ehrfürchtig „den Panzer“. Andere Parteifreunde, wie der Europaabgeordnete Daniel Cohn Bendit, sind da weniger ehrfürchtig – für ihn ist Ulrich schlichtweg ein "Mafioso". Hubert Ulrich hat sich im Saarland seinen ganz eigenen Landesverband der Grünen herangezüchtet. Einen Landesverband, der über Jahre hinweg mehr durch Skandale und Unregelmäßigkeiten auffiel, als durch seine Politik. Einen Landesverband, der bis heute maßgeblich durch einen seltsam aufgeblähten Ortsverband aus Ulrichs Heimatgemeinde Saarlouis gesteuert wird.

Nach einem Wirtschaftsingenieursstudium und einem zweijährigen beruflichen Intermezzo bei den Ford-Werken klafft in Ulrichs Lebenslauf eine Lücke. 1982 trat er den Grünen bei, deren Landesvorsitzender er 1991 wurde. Drei Jahre später zog er nun als Berufspolitiker in den Landtag zu Saarbrücken ein und träumte dort bereits von Anfang an von einer schwarz-grünen Koalition. Zu Zeiten, in denen die Grünen gerade einmal von der SPD als koalitionsfähig betrachtet wurden und sich selbst noch als linke Partei definierten, war der Realo Ulrich ein echter Exot. Doch in der Bundespartei keimte bereits früh der Verdacht auf, dass der umtriebige Ulrich sich im Saarland einen grün-konservativen Landesverband schnitzte, der teilweise nur auf dem Papier existiert.

Albanische Verhältnisse und Scheinmitglieder

Ohne seinen eigenen Ortsverband wäre Ulrich weder Landesvorsitzender noch Landtagsabgeordneter noch grüner Spitzenkandidat für die Landtagswahlen im Jahre 1999 geworden. Die Mitgliederzahl eines Ortsverbandes bestimmt, wie viele stimmberechtigte Delegierte dieser Verband in die wichtigen Gremien entsenden darf. Der Grünen-Ortsverband des Provinzstädchens Saarlouis zählte zu seinen besten Zeiten stolze 800 Mitglieder – mehr als in Frankfurt am Main, ungefähr so viele wie in der Millionenstadt Köln. Die Politik – und somit auch die Personalpolitik – der Grünen im Saarland wurde so über Jahre hinweg von Ulrichs Ortsverband bestimmt. Doch die grüne Hochburg Saarlouis geriet schon bald ins Visier der Bundespartei. Dort stellte man fest, dass 20 bis 25 Prozent von Ulrichs Ortsverbandsmitgliedern keine Beiträge zahlten. Der Verdacht, dass es sich bei einem großen Teil der Saar-Grünen entweder um Karteileichen oder um Scheinmitglieder handelt, konnte bis heute nicht widerlegt werden.

Ein Einblick in die Mitgliederliste wurde durch Hubert Ulrich stets mit dem Argument des Datenschutzes verweigert. Vor drei Jahren brachte der Versuch eines früheren Landesvorstands, ein wenig Licht in das grüne Dickicht an der Saar zu bringen, das Fass zum Überlaufen. Als Ulrich Wind von den Nachforschungen bekam, erklärte er sie per ordre mufti für parteischädigend und damit beendet.

Ulrichs Widerstand ist verständlich – 80% der angeschriebenen „Mitglieder“ hatten damals – also vor nicht einmal drei Jahren - erstaunt erklärt, dass sie entweder noch nie oder nicht mehr Grünen-Mitglied, bzw. seit längerem in ein anderes Bundesland verzogen seien. Den Groll der Bundesgrünen konnte Ulrich erst besänftigen, als er versprach, die Zahl der mutmaßlichen Scheinmitglieder zu senken. Noch heute verzeichnet der Grünen-Ortsverband Saarlouis rund 450 „Mitglieder“ und nominierte somit ein Drittel der Parteitagsdelegierten, die für Jamaika stimmten.

Fußmatten und Dienstwagen

Hubert Ulrichs sagenhafter Aufstieg verlief jedoch nicht ohne Zwischenfälle. 1999 ermittelte die Staatsanwaltschaft gegen Ulrich. Nach Informationen des SPIEGEL soll Ulrich vier Ford Mondeos mit 30% Dienstwagenrabatt erworben und die Neuwagen teilweise mit Aufpreis weiterverkauft haben. Diesen Aufpreis begründete Ulrich damals mit dem Umstand, er habe schließlich Fußmatten gekauft.

Die Grünen mussten in diesem Jahr bei den Landtagswahlen eine Schlappe hinnehmen und schieden aus dem Landtag aus. Ulrich trat in Folge der Dienstwagenaffäre von allen seinen Ämtern zurück. Zwei Jahre später stellte die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen ein und Hubert Ulrich trat zu seinem großen Comeback an.

Tango Korrupti

Während seiner unfreiwilligen Pause verdiente Ulrich seine Brötchen als Marketingleiter der Saarbrücker IT-Firma "Think & Solve Beratungsgesellschaft mbH". Diesen Beruf übte er – eigenen Angaben zufolge – auch ein ganzes Jahr lang regulär aus. Danach glückte ihm 2002 der Einzug in den Bundestag und Ulrich verfolgte seine Tätigkeit bei „Think & Solve“ nur noch auf dem Papier. Dennoch bezog er vom Saarbrücker IT-Dienstleister weiterhin 1.500 Euro im Monat. Welche Gegenleistung musste er für dieses Geld erbringen?

Die ungewöhnliche Großzügigkeit von „Think & Solve“ erscheint jedenfalls seit diesem Wochenende in einem ganz neuen Licht. Gesellschafter der IT-Firma ist Hartmut Ostermann, der Hans Dampf in allen saarländischen Gassen. Zum Ostermann-Imperium zählen unter anderem die Hotelkette Victor´s und die Pro-Seniore-Unternehmensgruppe, die bundesweit mehr als 100 Altenheime mit über 17.000 Betten betreibt. Mit politischer Landschaftspflege hat das FDP-Mitglied Ostermann bereits seine Erfahrungen, doch bislang spannte er seinen Schutzschirm meist über gefallene Politiker der Volksparteien auf.

Im Saarland kommt nicht der Weihnachts-, sondern der Ostermann

Einer der Protegés des Schattenmanns ist der Unions-Politiker Klaus Meiser. Als dieser im Jahre 2000 sein Amt als saarländischer Innenminister aufgrund eines Strafbefehls wegen Beihilfe zur Untreue im Zusammenhang mit der so genannten Doerfert-Affäre räumen musste, war Ostermann zur Stelle und versorgte Meiser mit einem lukrativen Vorstandsposten bei Pro-Seniore. Seit 2007 darf Meiser auch wieder Innenminister sein und gilt auch für die Jamaika-Koalition als heißer Kandidat für diesen Posten.

Aber auch in den Reihen gefallener SPD-Politiker genießt Ostermann ein hohes Ansehen. So durfte auch der ehemalige Saarbrücker Oberbürgermeister Hajo Hoffmann ein Mitarbeiter des Ostermann-Imperiums werden, nachdem er wegen Untreue tatkräftig verurteilt wurde und seine politischen Ämter niederlegen musste. Sollte Hubert Ulrich einmal ein „Opfer“ der Justiz werden, so kann er sicher ebenfalls auf die Gnade des Ostermanns zählen.

Hartmut Ostermann, der auch schon wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen Steuerbetrugs hinter schwedischen Gardinen saß, ist im Saarland auch als großzügiger Parteienfinanzierer bekannt. Natürlich zählt vor allem die FDP, deren Saarbrücker Kreisverband er persönlich vorsteht, zu seinen Politinvestments. Anlässlich der finanziellen Beziehungen zu Hubert Ulrich und dessen „überraschendem“ Bekenntnis zu Jamaika müssen sich die Grünen allerdings die Frage gefallen lassen, ob sie nicht ebenfalls auf der Payroll des Schattenmanns an der Saar stehen. Was wäre, wenn Ulrich die Mitgliedsbeiträge seiner Scheinmitglieder durch Spenden Ostermanns finanziert hätte?

Hubert Ulrich kündigte seine seltsame Nebentätigkeit im Ostermann-Imperium angeblich am 1. Oktober, da er sie mit seiner Arbeit als Regierungsmitglied nicht vereinbaren könne. Es liegt jedoch die Vermutung nahe, dass Ulrich seiner lukrativen Nebentätigkeit ohne die Recherchen der Stuttgarter Zeitung noch heute nachgehen würde. Fest steht jedenfalls, dass Ulrich zum Zeitpunkt der Sondierungsgespräche auf der Gehaltsliste eines FDP-Politikers stand, der Ulrich bei diesen Gesprächen gegenübersaß. Dies mag auch die seltsam erscheinende Interpretation der Ergebnisse dieser Gespräche durch Ulrich verständlich machen. Es ist nämlich rational kaum zu erklären, warum er in den Ergebnissen der Sondierungsgespräche mit Union und FDP mehr Gemeinsamkeiten mit dem Wahlprogramm der Grünen sieht, als in den Ergebnissen der Sondierungsgespräche mit SPD und Linken.

Nun, da die Protokolle auch öffentlich vorliegen, wird Ulrich der Parteibasis einiges zu erklären haben. Noch wäre es für die Grünen nicht zu spät, ihrem Landeschef das Vertrauen zu entziehen. Am 15. November soll ein Sonderparteitag der Grünen an der Saar über den Koalitionsvertrag entscheiden. Vielleicht reift langsam Zweifel in den zwei Dritteln der Delegierten heran, die nicht auf dem Ticket des Ortsverbandes Saarlouis nominiert werden. Wollen die Grünen eine links-liberale Alternative zur bürgerlichen schwarz-gelben Politik sein - oder sind sie auch nur ein weiterer Bestandteil eines durch und durch korrupten Politsumpfs?