Wiederentdeckt: The Prisoner of Shark Island

Red River

Im Kampf gegen den Terror schränkt die US-Regierung die Bürgerrechte ein. Verdächtige werden vorverurteilt, vor ein Sondergericht gestellt, ohne Beweise schuldig gesprochen, auf eine Gefängnisinsel vor dem amerikanischen Festland verfrachtet und gefoltert. In einem sehenswerten Film von 1936.

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Als John Ford ein alter Mann war, wollte er nur eins: weiter Filme machen. Das durfte er nicht, weil die Produzenten der Meinung waren, dass er den Publikumsgeschmack nicht mehr traf und weil die Versicherungen bezweifelten, dass er die anstrengenden Dreharbeiten durchstehen würde (Ford war nicht mehr ganz gesund und hatte ein Alkoholproblem). Wie üblich in solchen Fällen, hielt Hollywood eine Reihe von Ehrungen bereit, um zu verschleiern, dass man den altgedienten Regisseur und vielfachen Oscar-Gewinner aufs Abstellgleis geschoben hatte.

Damals kämpften die Amerikaner in Vietnam. Wenn Ford geehrt wurde, gingen linke Filmkünstler hin, um demonstrativ sitzen zu bleiben, während sich die anderen zur Standing Ovation erhoben. Ford galt als genauso reaktionär wie John Wayne, mit dem er Meisterwerke wie Stagecoach, The Quiet Man und The Searchers gedreht hatte. Seine berühmte Selbstbeschreibung kannte jeder: "Ich drehe Western." Der Western war das Genre für Rassisten. Weiße Helden schossen entmenschlichte Indianer vom Pferd und wurden für diese Leistung als Kulturhelden gefeiert. John Wayne hatte mit The Green Berets die Western-Formel auf den Kriegsfilm übertragen, die Indianer durch Nordvietnamesen ersetzt und damit wider Willen den Beweis erbracht, wie erzkonservativ und rassistisch das Genre war. So einfach war das. Ironischerweise fielen die Gerechten in ein uraltes, sehr schlichtes Denkmuster zurück, das für den Western prägend war, bis Regisseure wie John Ford das Genre revolutionierten: die Guten hatten einen weißen Hut auf dem Kopf, die Bösen einen schwarzen. Aus Sicht der Hollywood-Linken trug Ford eindeutig einen schwarzen.

Guilty by association

Meistens ist es hilfreich, sich zu vergegenwärtigen, woher die berühmten Sätze kommen. Am 20. Oktober 1947 begann der Ausschuss für unamerikanische Aktivitäten mit den Anhörungen, die Beweise für eine kommunistische Unterwanderung Hollywoods erbringen sollten. Nach Kräften unterstützt wurde der Ausschuss von der Motion Picture Alliance for the Preservation of American Ideals. Deren Präsident, der Regisseur Sam Wood, nannte am ersten Tag der Anhörungen die Namen von Kollegen, die angeblich dabei waren, Hollywood in den "Roten Fluss" zu führen (es lohnt sich, Howard Hawks' Western Red River - 1948, mit John Wayne - vor diesem Hintergrund noch einmal ganz neu zu sehen). 1949 wurde Wood übrigens selbst zum Opfer der von ihm mit angezettelten Hexenjagd. Er erregte sich so sehr über die rote Gefahr, dass er einen Herzinfarkt erlitt und starb.

Vizepräsident der Allianz zur Bewahrung der amerikanischen Ideale war Walt Disney. Er sah überall Kommunisten, seit sein Studio bestreikt worden war. Ein Teil von Disneys Angestellten hatte für ein faires und transparentes Gehaltssystem, die namentliche Nennung im Vorspann und für eine vom Firmenpatriarchen unabhängige Arbeitnehmervertretung gekämpft. In Hollywood war es lange Zeit üblich gewesen, dass die Studiobosse für ihre Angestellten eine Gewerkschaft gründeten und selbst deren Repräsentanten bestimmten (wir kennen das von gewissen Segmenten des Niedriglohnbereichs). Erzkonservative wie Walt Disney wollten den alten Zustand gern wiederhaben.

John Ford war Mitbegründer der unabhängigen Gewerkschaft der Regisseure, der Directors Guild of America. 1950, auf dem Höhepunkt des McCarthyismus, drohte die Zerschlagung der DGA. Das Taft-Hartley-Gesetz, nicht gerade ein Ruhmesblatt der amerikanischen Rechtsgeschichte, verlangte Gewerkschaftsfunktionären einen Eid ab, mit dem sie schworen, den USA gegenüber loyal zu sein. Viele lehnten das ab, weil damit amerikanische Bürger unter den Generalverdacht gestellt wurden, "unamerikanisch" zu sein, nur weil sie ein Grundrecht in Anspruch nahmen. Die Befürworter von Taft-Hartley argumentierten so ähnlich wie die Verfechter der Online-Durchsuchung und sonstiger Beschneidungen der Freiheitsrechte: Wer loyal zu seinem Land steht und kein Terrorist ist, kann das auch beschwören und hat nichts zu verbergen.

Wohin das führt, demonstrierte Cecil B. DeMille, der Schöpfer von Monumentalfilmen wie The Ten Commandments (1923, 1956) und Cleopatra (1934). Der Superpatriot DeMille trat dafür ein, dass alle Mitglieder der Regisseursgewerkschaft, nicht nur die Funktionäre, den Loyalitätseid leisteten (wer das nicht "freiwillig" gemacht hätte, hätte automatisch als Kommunist gegolten). Er hatte auch bereits weiterführende Pläne: Jeder Regisseur sollte nach jedem Film einen Bericht über die politischen Überzeugungen der beteiligten Autoren und Schauspieler einreichen. Zur Verteidigung der Freiheit.

The Ten Commandments

Am 22. Oktober 1950 kam es zum Showdown zwischen der DeMille-Fraktion und der Gegenseite. DeMille verlas die Namen der 25 Regisseure, die diese Sondersitzung beantragt hatten, machte deutlich, dass viele von ihnen keine gebürtigen Amerikaner waren und insinuierte, dass sie deshalb Kommunisten seien. Zu denen, die gegen DeMille das Wort ergriffen, gehörte Fritz Lang. Ein anderer war der aus Russland stammende Rouben Mamoulian. Er sagte, er habe es noch nie erlebt, dass ein Kollege wie Lang einleitend erklären musste, ein ehrlicher Mensch zu sein, nur weil er aus einem anderen Land kam. Außerdem sei er jetzt zum ersten Mal nervös und unsicher, weil er Englisch mit Akzent spreche.

Der Ausgang des Treffens war ungewiss, bis sich einer zu Wort meldete, der solche Veranstaltungen sonst immer schwänzte. Wie üblich trug er eine Baseballkappe und weiße Sportschuhe. "Ich heiße John Ford", sagte er. "Ich drehe Western." Dann hielt er eine improvisierte Rede, in der er ausführte, wie beschämend er das alles fand und forderte, dass sich die DeMille-Fraktion entschuldigen sollte. Als Ford, ein bekennender Republikaner, fertig war, hatte DeMille verloren. Dieses legendäre Treffen im Beverly Hills Hotel war auf Jahre hinaus der letzte Sieg des liberalen Hollywood gegen den McCarthyismus. Die meisten, die dabei gewesen waren, waren sich darin einig, dass John Ford den entscheidenden Unterschied ausgemacht hatte.