Ist die Klimaerwärmung eine religiöse Frage?

In Großbritannien geht es in einem Rechtsstreit darum, ob die Ansicht vom Menschen verursachten Klimawandel eine politische oder wissenschaftlich begründete Meinung oder ein philosophische Ansicht ist

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In ihrer Rede vor dem US-Kongress sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel, dass man beim Klimaschutz keine Zeit verlieren dürfe. Auch wenn Deutschland nicht gerade sonderlich hervorgetreten ist, mahnte die Deutsche die US-Abgeordneten einschließlich ihres Präsidenten, dass man verbindliche Pläne eingehen müsse. Die Welt erwarte dies von den USA und Europa. Das löste bei den Abgeordneten unterschiedliche Reaktionen hervor. Die Kanzlerin erhielt Beifall seitens der Demokraten, bei den Republikanern war man schon viel verhaltener.

Mit Blick auf Kopenhagen und ein Kyoto-Nachfolgeabkommen sieht es derzeit trotzdem nicht gut aus. Das hat zwar vermutlich meist mit Geld und Wirtschaft zu tun, aber beim Thema Klimaschutz kochen auch gerne immer wieder einmal die ideologischen Emotionen hoch. Während die einen schwierige, wenn nicht apokalyptische Zeiten prognostizieren und eine schnelle Veränderung fordern, um die menschengemachte Klimaerwärmung noch abzuwenden, sehen die anderen einen unglaubwürdigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand, glauben an eine Art Verschwörung der Klimamenschen und sowieso nicht daran, dass die Erwärmung, sollte sie denn stattfinden, von den Menschen verursacht wird.

In Großbritannien hat die Überzeugung, dass die Klimaerwärmung auf Aktivitäten des Menschen zurückgeführt werden muss, nun durch ein Urteil einen zwiespältigen Status erhalten. Hintergrund ist die Entlassung des für Umweltschutz zuständigen Abteilungsleiters des Immobilienunternehmens Grainger plc. Tim Nicholson, der sich weigerte mit dem Flugzeug zu fliegen, und der sein Haus umweltfreundlich renovierte, hatte gegen die Entlassung Klage eingereicht, weil er der Überzeugung war, er sei wegen seiner "philosophischen Überzeugung über den Klimawandel und die Umwelt" entlassen worden, was gegen das Nichtdiskriminierungsgesetz am Arbeitsplatz von 2003 verstoße, nach dem niemand für seine Religion oder seinen Glauben benachteiligt werden darf. Anlass war offenbar, dass sich Nicholson aufgeregt hatte, weil der Chef des Unternehmens bei einer Reise nach Irland sein BlackBerry vergessen und einen Angestellten beauftragt hatte, ein Flugzeug zu besteigen, um es ihm zu bringen.

Das Gesetz greift sehr weit aus. Unter "religion or belief" wird jede Religion, jeder religiöse Glauben oder eine ähnliche philosophische Ansicht verstanden. Im Fall von Nicholson hat nun das Gericht geurteilt, dass auch "der Glaube an einen von Menschen verursachten Klimawandel, wenn er ernsthaft vertreten wird, eine philosophische Ansicht" nach dem Gesetz sein kann. Mag sein, dass hier, weil im Englischen beides "belief" genannt wird, eine Unterscheidung schwerer zu ziehen ist oder vom Gesetz erschwert wurde. Nicholson hatte schon einmal das Urteil erwirkt, der Arbeitgeber hatte aber Einspruch eingelegt, weil der Meinung war, dass das Vertreten der Theorie des Klimawandels eine politische Meinung oder eine auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basierende Ansicht sei, aber keine Religion und Philosophue. Philosophie beschäftigt sich, so der Anwalt John Bowers, der das Unternehmen vertritt, "mit Dingen, die wissenschaftlich nicht bewiesen werden können".

Der Richter Michael Burton wies das doppelsinnig zurück. Er hatte letztes Jahr bereits in einem Urteil entschieden, dass Al Gores Dokumentation über den Klimawandel "An Inconvenient Truth" zwar weitgehend korrekt und wissenschaftlich belegt sei, aber einige falsche Behauptungen aufstelle und zudem politisch sei, weil er alarmistisch mit der Apokalypse droht. In dem Prozess ging es darum, ob der Film in Schulen gezeigt werden darf.

Der Arbeitgeber will auch weiterhin das Urteil anfechten, das Nicholson zwar begrüßt, aber gleichzeitig auch ablehnt, weil er findet, dass die Theorie des Klimawandels "keine neue Religion" sei, sondern eben eine philosophische, auf Wissenschaft basierende Ansicht, die seine Ethik und seine Werte widerspiegelt. Die sei nun durch das Gericht mit demselben Schutz versehen worden wie ein religiöser Glaube.