Streit über den Klimaschutz

Die 20 Staaten mit der höchsten CO2-Emission (Stand 2006, Quelle: ucsusa.org, Grafik Telepolis)

Die Energie-und Klimawochenschau: Wenn das Meer an den Küsten von Eismeer und Pampa nagt

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In der nordwestenglischen Grafschaft Cumbria hat das Aufräumen begonnen, nachdem dort Rekordniederschläge das zweite Mal in diesem Jahrzehnt Ortschaften überflutet hatte. In Australien stellt unterdessen die dortige Ministerin Penny Wong eine Verbindung zwischen dortigem Extremwetter und dem Klimawandel her.

Auf dem fünften Kontinent hat der Sommer noch nicht einmal begonnen, aber einige Großstädte stöhnen bereits unter großer Hitze, wie die Zeitung The Australian berichtet. Sydney erlebte am Wochenende mit etwas über 40 Grad seinen heißesten November in 27 Jahren, und weiter im Süden herrschte in Adelaide mit Temperaturen über 35 Grad Celsius an acht Tagen in Folge die längste Frühjahrshitzewelle seit Beginn der dortigen Wetteraufzeichnungen im Jahre 1887.

Für Penny Wong ist der Fall klar: "Wir erleben eine wachsende Zahl von Stürmen, deutlich weniger Niederschläge, insbesondere im Südosten, und wir erleben heißere und trockenere Bedingungen." Das entspreche alles den Warnungen der Klimawissenschaftler. Australien werde die Auswirkungen des Klimawandels früher und härter als manches andere Land zu spüren bekommen.

Ihr Chef, Premierminister Kevin Rudd sieht das ganz ähnlich und ruft die Parlamentarier in seinem Land auf, Klimaschutzgesetze auf den Weg zu bringen. In Australien wird ausgiebig darüber gestritten, ob ein Emissionshandelssystem nach europäischem Vorbild eingeführt werden soll. Dagegen gibt es allerdings nicht nur Einwände von konservativer Seite und von einigen Industrieverbänden, sondern durchaus auch von einigen Umweltschützern, die das System nicht für effektiv halten.

Obamas Dilemma

Auch in den USA wird ausgiebig über Klimaschutz gestritten. Nicht nur die oppositionellen Republikaner stemmen sich gegen die in den beiden Häusern des US-Parlaments eingebrachten Entwürfe, auch unter den regierenden Demokraten gibt es viele Widerstände. Und das obwohl die vorgeschlagenen Maßnahmen auf maximal 20 Prozent Minderung der Emissionen gemessen am Niveau von 2005 hinauslaufen. Zieljahr ist 2020. Würde man die international übliche Messlatte anlegen, das Emissionsniveau von 1990, dann wären das nur etwa fünf Prozent oder sogar weniger.

Doch selbst das ist alles andere als sicher. Wie der Observer schreibt werden die Klimaschutzgesetze wohl nicht vor März 2010 alle parlamentarischen Hürden nehmen. Doch dann beginnt langsam der Wahlkampf für die Kongresswahlen. Wenn es ganz arg läuft, könnte die Entscheidung also noch bis zum Ende nächsten Jahres hinausgeschoben werden.

Den US-Präsidenten Barack Obama stellt das vor ein besonderes Dilemma. Eingedenk der Erfahrung mit dem Kyoto-Protokoll, dem derzeit gültigen Klimaschutzvertrag, würde er ungern ohne parlamentarische Rückendeckung sich auf irgendwelche internationalen Verpflichtungen einlassen. Das Protokoll war seinerzeit 1997 im japanischen Kyoto vom damaligen Vizepräsidenten Al Gore unterschrieben worden, jedoch nie vom Parlament ratifiziert worden.

Angeblich denkt Obama daher inzwischen darüber nach, in Kopenhagen eine Art vorläufiges Versprechen abzugeben. Ob sich andere Länder darauf einlassen, bleibt abzuwarten. Mag sein, dass sich die US-Delegation mit derlei durchsetzen kann. Weil auf das Konto der USA rund 20 Prozent der globalen Emissionen gehen, halten viele Regierungen einen Klimavertrag ohne sie für nicht besonders sinnvoll.

Andererseits ist für die meisten Klimawissenschaftler eine Minderung von 25 bis 40 Prozent in den Industriestaaten unvermeidbar. Erst am Dienstag haben einige von ihnen erneut darauf hingewiesen, dass eine Wende in den globalen Emissionen schon in den nächsten fünf bis zehn Jahren kommen muss, wenn die schlimmsten Folgen des Klimawandels verhindert werden sollen.

Bewegung bei den Schwellen- und Entwicklungsländern

Entsprechend fordern viele Entwicklungsländer von den Industriestaaten, den Treibhausgas-Ausstoß um 40 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren. Gemessen daran sind die in den USA diskutierten Werte ohnehin nur Peanuts. Außerdem haben die EU und Japan ihre Zusagen daran gebunden, dass sich alle Industriestaaten entsprechend bewegen. Die EU will bis 2020 zum Beispiel um 30 Prozent reduzieren, aber nur wenn andere mitziehen. Sonst will man nur um 20 Prozent mindern. Deutschland ist zwar bereits eine Selbstverpflichtung von 40 Prozent eingegangen, doch sind noch immer nicht alle Maßnahmen beschlossen, mit denen dieses Ziel auch erreicht werden könnte.

Eine Reihe von Schwellen- und ärmeren Entwicklungsländern hat unterdessen bereits einen großen Schritt auf die Industriestaaten zugemacht. Statt wie in der Vergangenheit lediglich auf der besonderen Verantwortung des reichen Nordens zu pochen, auf dessen Konto die bisherige Anreicherung der Treibhausgase geht - von 0,028 Prozent CO2 in der Atmosphäre auf heute 0,0385 Prozent - haben sie inzwischen selbst eine Begrenzungen ihrer Emissionen angekündigt.

Am weitesten gehen die Malediven (Das gute Beispiel), die bereits bis 2020 ganz ohne Treibhausgas-Emissionen auskommen wollen. Brasilien will seinen für 2020 vorausgesagt Emissionen immerhin um bis zu 38,9 Prozent drosseln, und in Indonesien wächst der Druck, die weitere Vernichtung des dortigen Regenwaldes zu stoppen. In China wird derweil diskutiert, den Anstieg der Emissionen bis 2030 zu stoppen und danach zu reduzieren. Dort wie auch in jüngster Zeit in Indien hat inzwischen ein enormer Boom in der Nutzung von Wind- und Solarenergie eingesetzt.

In Indien sollen, wie die Hindustan Times berichtet, bis 2022 22.000 MW an elektrischer Leistung in Fotovoltaikanlagen installiert sein. Das wären rund sechs Mal so viel wie derzeit in Deutschland. Zu diesem Zweck soll in den nächsten Jahren eine indische Solarindustrie aus dem Boden gestampft werden. Derzeit kann die dortige Industrie jährlich Solarmodule mit einer Leistung von 700 MW herstellen. Bis 2022 sollen die Kapazitäten auf 4.000 bis 5.000 MW ausgebaut werden.

Deutsche Hersteller werden künftig also neue Gründe zum Jammern haben. Derzeit beklagt man sich gerne über die chinesische Konkurrenz, die bis zu 30 Prozent billiger liefert. Vermutlich wird die zusätzliche Konkurrenz aus Indien weiter auf den Preis drücken, was für die schnelle Einführung der Technik eher förderlich sein dürfte.

Die Kosten der Erwärmung

Selbst Russland scheint sich inzwischen in Sachen Klimaschutz etwas zu bewegen. Bisher konnte man sich auf dem erheblichen Rückgang der Emissionen nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion ausruhen. Gemessen am Niveau von 1990 sind die russischen Emissionen noch immer niedrig, schaut man sich allerdings die Pro-Kopf-Emissionen an, so wird in Russland immer noch etwas mehr als in Deutschland und vor allem wesentlich mehr als in Ländern wie China oder Indien emittiert.

Nun gibt es immerhin Anzeichen, dass die russische Delegation sich in Kopenhagen etwas kooperativer als in der Vergangenheit verhalten wird. 20 bis 25 Prozent Reduktion gegenüber 1990 werden wohl angeboten werden. Für Russland ist das noch immer ein Klacks, denn derzeit liegen die Emissionen knapp 30 Prozent unter dem 1990er Level. Allerdings hat man sich bisher in den Verhandlungen immer einen möglichst großen Spielraum schaffen wollen.

Vermutlich dämmert dem einen oder anderen Verantwortlichen aber inzwischen, was dieser Tage eine Untersuchung der Umweltorganisation Greenpeace zu Tag förderte: Die Erwärmung in der Arktis verursacht bereits jetzt erhebliche Kosten. Besonders die Förder- und Transporteinrichtungen für Erdgas und -öl leiden, wenn der bisher dauerhaft gefrorene Boden, der Permafrost, auftaut. 1,9 Milliarden US-Dollar Schaden würden dadurch jährlich verursacht, berichtet AFP unter Berufung auf Greenpeace.

Die Agentur zitiert Oleg Anisimov vom staatlichen Institut für Hydrologie in St. Petersburg, wonach der Permafrost in Sibirien inzwischen jährlich um 30 Quadratkilometer zurück geht. Neben den Problemen für die Infrastruktur komme noch ein anderes hinzu: Russland verliert Territorium. "Im letzten Jahrzehnt hat sich der Rückzug der Küstenlinie um das Sechsfache beschleunigt", meint Anisimov. Die Küste ist meist sehr flach und liegt insbesondere in der westsibirischen Erdgasregion kaum über dem Meeresspiegel. Wenn nun der Boden nicht mehr gefroren ist und sich zudem noch die Zeit verlängert, an der das Meer im Sommer eisfrei ist, dann finden die nagenden Wellen reichlich Nahrung und Spülen die Küstenlinie fort. Ähnliche Probleme sind auch aus Alaska bekannt.

Kosten für die Anpassung an den Klimawandel

Die sibirischen Probleme sind eines von vielen, mit denen heute schon rund um den Globus Gesellschaften zu kämpfen haben. Die EU hat kürzlich geschätzt, dass derzeit in den Entwicklungsländern Kosten für die Anpassung an den derzeit stattfindenden Klimawandel in Höhe von rund 100 Milliarden Euro entstehen. Die Hilfsorganisation Oxfam hat diese Kosten nach Kriterien von Zahlungskraft und Verantwortung für die bisherige Treibhausgas-Akkumulation in der Atmosphäre auf die Industriestaaten umgelegt und kommt zu dem Ergebnis, dass Deutschland etwa sechs Milliarden Euro im Jahr übernehmen müsste.

Doch, wie berichtet, sträuben sich die Industriestaaten, wenn es ums Zahlen geht (EU-Finanzminister knausern). Einer der großen Stolpersteine auf dem Weg zu einem Abkommen wird daher sicherlich der so genannte Anpassungsfonds sein. Aus ihm sollen Maßnahmen in Entwicklungsländer bezahlt werden, um die dortige Infrastruktur, Landwirtschaft etc. fit für jenen Teil des Klimawandels zu machen, der nicht mehr zu verhindern sein wird.

Eine Befragung, die die in Uruguays Hauptstadt Montevideo ansässige internationale Nachrichtenagentur IPS unter lateinamerikanischen Klimaexperten durchgeführt hat, ergab für die Region folgendes Bild: Ein moderater Klimawandel könnte zu 12 Prozent Verlusten in der Landwirtschaft der Karibik und Südamerikas führen, ein stärkerer Wandel bis zu 50 Prozent. Ein wesentliches Problem vor allem in den gemäßigten Breiten ist die Zunahme extremer Wettereignisse. Der Nordosten Brasiliens wird zudem unter großer Trockenheit zu leiden haben, der östliche Teil des Amazonas-Regenwaldes könnte zur Savanne werden. Die Pampastaaten Uruguay und Argentinien hätten mit ihren flachen Küsten mit dem steigenden Meeresspiegel zu kämpfen, der unter anderem droht, Trinkwasserreservoirs zu versalzen.