Gab es überhaupt einen Datenklau bei Kreditkarten?

Weiter ist unklar, wo das Leck war, und der Streit tobt, wer die Kosten übernehmen soll. Im Zweifel der Kunde?

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Wer zu den Geschädigten im Kreditkartenskandal gehört, hat wenig zu lachen. Denn ähnlich wie Informationspolitik läuft auch die Schadensabwicklung bisweilen alles andere als kundenfreundlich. Unklar ist, ob es tatsächlich ein Leck bei einem spanischen Prozessor-Unternehmen gab. Inzwischen rudert Visa zurück und erklärt, man habe nie behauptet, dass tatsächlich Daten abgegriffen wurden. So ist nun der Streit darüber entbrannt, wer für die Kosten der wohl größten Kartenrückrufaktion aufkommen soll. Mindestens eine Bank sähe es scheinbar auch gerne, wenn die Kunden auf entstandenen Schäden sitzen bleiben würden.

Nun wird ums Geld gestritten. Wer für die Kosten für die wohl größte Rückrufaktion von Kreditkarten in der europäischen Geschichte aufkommen soll, ist fraglich. Denn bei Geld hört bekanntlich die Freundschaft auf. Und es geht um reichlich Geld, denn schon die Sparkassen haben knapp 200.000 Karten ausgetauscht: "Der Kartenumtausch kostet allein die Sparkassen mehr als eine Million Euro", erklärte der geschäftsführende Vorstand des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV), Bernd Fieseler, der Welt am Sonntag. Er forderte die Kreditkartenunternehmen auf, sich an den Kosten zu beteiligen. Er klagte auch über deren Mitteilungspolitik. Es hätten Angaben über das wirkliche Missbrauchspotenzial gefehlt und welche Daten in Spanien abgegriffen wurden.

Doch scheint nun völlig unklar, ob überhaupt bei einem spanischen Unternehmen ein Leck bestanden hat. Gegenüber Telepolis hatte dies der größte Dienstleister für Kreditkartentransaktionen, der zwischenzeitlich genannt worden war, vehement abgestritten. Die Aussagen von Sermepa werden inzwischen eigentlich auch von Visa bestätigt. Hatte Visa anfänglich die Banken informiert, dass es ein Leck bei einem Zahlungsabwickler in Spanien gegeben habe, sagte der Deutschland-Chef von Visa Europe, Ottmar Bloching, nun: "Wir haben nie behauptet, dass wirklich Daten abgegriffen wurden."

Es habe jedoch eine Reihe "anormaler Betrugsfälle" gegeben. Visa Europe seien die Anomalien aufgefallen, die auf ein Leck bei einem Kartendienstleister hingedeutet hätten. "Deren kleinster gemeinsamer Nenner war ein Prozessor in Spanien", sagte Bloching dem Handelsblatt. Die eingeleiteten Überprüfungen vor Ort hätten diesen Verdacht aber nicht bestätigt. "Einige Dinge kommen uns nach wie vor spanisch vor, deswegen dauern die Untersuchungen an", fügte er an, weshalb der Prozessor "für uns bislang weder schuldig noch unschuldig ist". Dass Banken aufgrund erster Warnmeldungen Karten ausgetauscht hätten, liege in ihrer Verantwortung, gibt Bloching die Verantwortung weiter. Falls tatsächlich noch Sicherheitslücken gefunden würden, griffen dann die die Statuten von Visa.

Entbrannt ist nun auch ein Streit um die Sicherheit des "Plastikgelds". Die Verbraucherzentralen fordern seit langem die Einführung von Karten, die statt eines Magnetstreifens über einen Chip verfügen. Deren Bundesvorstand Gerd Billen bezeichnet die Chipkarte als "sicherste Kreditkarte der Welt", mit der es Betrüger deutlich schwerer hätten. Tatsächlich ist diese Karte in Spanien schon weit verbreitet. Die große BBVA-Bank hat zum Beispiel in den letzten Monaten schon etwa ein Viertel der gesamten Karten auf das sichere Modell umgestellt, erklärte ein Sprecher gegenüber Telepolis. Auffällig war, dass es in dem Land, in dem das Leck aufgetaucht sein soll, das Thema eigentlich kein Thema war. Wobei es auch, wie Telepolis inzwischen ermittelt hat, in Spanien in den letzten Wochen solche Vorfälle gab, die in das Betrugsmuster fallen.

Der Visa-Chef vermutet, die Banken würden den Skandal als Vorwand zur Umstellung benutzen. Bloching vermutete, dass vor allem Karten ausgetauscht wurden, die lediglich den Magnetstreifen haben. "Wenn ich eine Magnetstreifenkarte draußen habe, die ich ohnehin in den nächsten ein bis zwei Jahren austauschen muss, dann ist es natürlich manchmal auch ein willkommener Anlass zu sagen: Komm, lass es uns gleich machen." In England, wo Karten mit Chips viel weiter verbreitet seien, habe es keine so große Austauschaktion gegeben.

Diese Schlussfolgerung ist allerdings nicht zwingend und der Autor dieser Zeilen kann Herrn Bloching beruhigen. Meine Hausbank hat nicht einmal meinen Schadensfall zur Umstellung auf eine sicherere Chipkarte genutzt und mir schlicht ein neues Karten-Doppel mit unsichereren Magnetstreifen zugeschickt. Die werden allerdings ungenutzt bleiben. Die Bank hatte sich ohnehin schon bisher nicht gerade mit Ruhm bei ihrer Informationspolitik bekleckert und setzt in der Schadensabwicklung noch einen drauf. In einem Brief heißt es: "Eine zufriedenstellende Reklamationsbearbeitung ist nur dann möglich, wenn Sie uns die auf dem Reklamationsformular erforderlichen Informationen sowie Belegkopien, Verträge e.t.c. zur Verfügung stellen." Dabei geht schon aus der Kreditkartenabrechnung hervor, dass ich mich wohl kaum zur gleichen Zeit an zwei Orten aufhalten kann, die über 1.000 Kilometer voneinander entfernt liegen. Dieses Vorgehen ist alles andere als entgegenkommend gegenüber einem Kunden, der um sein Geld betrogen wurde. Noch schöner ist der Satz, dass man bei der Bank die Angelegenheit erledigt ansehe, wenn ich in einer Frist von gerade einmal acht Tagen nicht antworte.

Wird hier versucht, die Schäden auf die Kunden abzuwälzen? Diese Interpretation ist möglich und zudem versucht die Bank offenbar die Beweislast umzudrehen. Dabei machte Axel Drückler, zuständig für Finanzdienstleistungen bei der Verbraucherzentrale Mecklenburg-Vorpommern deutlich, dass die Bank beziehungsweise das Kreditkartenunternehmen in der Beweispflicht sind. Sie müsse den Zahlungsvorgang genau rekonstruieren und nachweisen, dass die Zahlung tatsächlich durch den Karteninhaber veranlasst wurde. Er rät deshalb den Geschädigten, den per Einzugsermächtigung vom Girokonto eingezogenen Betrag von der Bank zurückbuchen zu lassen: "Ich hole den gesamten Betrag zurück und überweise den Betrag, den ich für gerechtfertigt halte, von meinem Girokonto auf das Kreditkartenkonto."

Allerdings gibt es Erstaunliches auch von der Aufgabe einer Anzeige bei der Polizei zu berichten. Auf dem Freiburger Polizeirevier Nord hatte der Autor eher das Gefühl, als Beschuldigter vernommen zu werden. Ein Polizeihauptmeister wollte dem Betrugsopfer sogar die für die Reklamation nötige Aushändigung der Bescheinigung über die Erstattung der Anzeige verweigern, weil ich in diesem Moment nicht angeben konnte, ob ich im vergangenen Jahr die betroffene Karte auch im Internet verwendet habe. Dabei kann aus der Kreditkartenabrechnung geschlossen werden, dass es sich um keine Interneteinkäufe mit der Kartennummer handelte, sondern offenbar ein Betrüger mit einer Dublette in London auf Einkaufstour war. Doch die Abrechnung wurde von diesem Polizisten keines Blickes gewürdigt, schließlich ermittle er auch ein mögliches "Leck" auf einem Server in den USA. Doch auch in solchen Fällen sollten sich Geschädigte nicht einschüchtern lassen und auf die Aushändigung der Bescheinigung bestehen.