Gesucht: System zur Erkennung von vertrauenswürdigen Menschen

Die Forschungsbehörde der US-Geheimdienste schaltet von Verdacht auf Vertrauen um

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Eigentlich suchen Sicherheits- und Geheimdienste vorwiegend nach Verdächtigen, um präventiv einschreiten zu können. Dazu sollen auch neue Techniken (Totalüberwachung der realen und virtuellen Räume)entwickelt werden, die irgendwie aus der Ferne beispielsweise bösartige Absichten von Kriminellen oder Terroristen identifizieren können sollen (Auch die US-Army will aus der Ferne Absichten erkennen). Dazu könnte das Verhalten, die Gestik, physiologische Zustände oder Gehirnwellen analysiert werden.

Während solche Forschungsprojekte gerne finanziert werden, weil die Regierungen davon überzeugt sind, dass Sicherheitstechnik für die Welt nach dem Kalten Krieg und nach dem 11.9. ein großer Markt ist und ein Exportschlager wird, geht nun überraschen die der Darpa, der für "verrückte" Ideen zuständige Forschungsabteilung des Pentagon, nachempfundene Forschungsabteilung für die US-Geheimdienste IARPA ganz den entgegen gesetzten Weg. Man will nämlich hier gerne Systeme, um Signale für Vertrauenswürdigkeit (TRUST - Tools for Recognizing Useful Signals of Trustworthiness) zu erkennen. Im Dezember veranstaltet man zu diesem Zweck eine Konferenz, um Interessenten zu informieren.

Das Umschalten von Verdacht auf Vertrauen ist eine logische Folge des bisherigen Vorgehens, das im Grunde auf ungefilterte Massenüberwachung und Datenerhebung setzt, um dann mittels Data Mining Hinweise auf verdächtiges Verhalten finden. Voraussetzung ist die Umkehrung des rechtsstaatlichen Prinzips, nämlich dass jeder erst einmal verdächtig, eine potenzielle Bedrohung ist und durch entsprechende Verfahren dann die Riskanten von den Harmlosen unterschieden werden. Die IARPA verzichtet erst einmal auf die Unterstellung, dass alle verdächtig sind und geht davon aus, was allerdings nur eine Nuance ist, dass nur wenige vertrauenswürdig sind. Die Frage ist nur, warum will man diese aus der Masse herausfischen – und natürlich, wer ist warum und in welchem Kontext vertrauenswürdig? Schließlich kann auch Ganove in Verbrecherkreisen oder ein Geheimdienstagent, der irgendeine Organisation unterwandert, vertrauenswürdig sein. Für Organisationen oder Gruppen aller Art wäre ein solcher Detektor natürlich ziemlich praktisch.

Man hat sich natürlich Gedanken gemacht, die dann fast schon ins Prinzipielle, wenn nicht ins Philosophische gehen. Vertrauen, so heißt es, sei allgemein als die Bereitschaft definiert worden, "für eine andere Partei unter Bedingungen verletzlich zu sein, nach denen die negativen Folgen des Vertrauensmissbrauchs bei weitem jeden möglichen Gewinn übertreffen". Das erschien dann wohl doch zu einengend und unbedingt, weswegen hinzugefügt wurde, dass Vertrauenswürdigkeit eher denen zugeschrieben wird, denen man unter bestimmten Bedingungen trauen kann.

Klar ist dann aber auch, dass Vertrauen abhängig von Kontexten ist, die nicht direkt am Subjekt von einem technischen Gerät gemessen werden können. Also heißt es richtig, dass Vertrauenswürdigkeit ein Begriff ist, der "sehr qualitativ und oft unnachweisbar" ist, was dann irgendwie mit "Spielen" in Zusammenhang gebracht wird, "die Konstruktion oder ökologische Validität vermissen lassen". Das sind dann doch wohl Formulierungen von "mad scientists", die für ihre Förderung exotischer Wissenschaft originell sein wollen. Gemeint sein soll damit, dass das Vertrauen in Experten je nach Fachgebiet anders geartet ist. Man vertrauen einem kognitiven Neurowissenschaftler anders als einem Organisationspsychologen. Das führt ins Dilemma der Beliebigkeit. Wenn man aber schon allgemein von Vertrauenswürdigkeit spricht, müsse es doch zumindest ein gemeinsames Verständnis und Bewertungsverfahren für Vertrauen geben.

Das sollen nun die Forscher nicht nur konzeptuell, sondern dann gleich auch – natürlich multidisziplinär arbeitend - in Form von technischen Systemen bringen, denen Protokolle zugrunde liegen und die mit Sensoren arbeiten, um wiederum "verlässliche Signale für Vertrauen in Szenarien detektieren, die operationell von Bedeutung sind". Es wird ganz offensichtlich ins Blaue hinein geschossen, aber man geht davon aus, dass das Thema faszinierend für Universitäten und Unternehmen sei.

Im ersten Schritt sollen, wie man sich reichlich nebulös ausdrückt, unterschiedliche Formen des interpersonellen Vertrauens in Zweierbeziehungen und kleinen Gruppen und in Situationen "mit hoher Motivation und starken Konsequenzen" gemessen, quantifiziert und bewertet werden. Das lässt darauf schließen, dass man gerne zur Einstellung von neuen Agenten oder auch Informanten eine neue Art des Lügendetektors hätte. Den könnten ja dann auch Behörden oder Firmen verwenden, um vertrauenswürdige Personen einzustellen, die ihre Treue über kritische Distanz stellen. Verräter, Whistleblowers oder sonst renitente Personen bräuchte man dann nicht mehr zu fürchten. So ließen sich dann auch Einwanderungswillige testen, ein Einbürgerungstest wäre nicht mehr nötig. Nur gut, dass solche Techniken wohl Fantasien der Sicherheitsfanatiker bleiben werden, allerdings weiß man nicht, was durch die Förderung solcher Projekte dann doch als Abfall entsteht.