Wenn ein Emirat die 1001 Träume platzen lässt

Die Angst vor einem Dominoeffekt aus Dubai geht um, erhebliche Umsatzeinbußen werden auch in der deutschen Wirtschaft erwartet

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Die Sorgen um die monumentale Baustelle Dubai treibt weiter die Anleger um, die Folgen der Dubai-Krise sind längst noch nicht absehbar. Vieles hängt vom Verhalten der Retter ab. Ob Abu Dhabi das erwartete Rettungsnetz aufspannt, wie allseits erhofft wird, ist nicht ausgemacht. Von der Zahlungsunfähigkeit der staatlichen Investmentgesellschaft Dubai World und dem angeschlossenen Immobilienentwickler Nakheel sind, soweit bisher bekannt ist, vor allem Banken aus Großbritannien betroffen, deren Namen in der Finanzkrise schon bisher gerne negative Schlagzeilen machten.

Es war eigentlich ein ganz normaler Mittwoch an der Frankfurter Börse. Wie in den letzten Wochen zumeist üblich, ging es auch an diesem Tag mit dem Leitindex DAX weiter nach oben. Erst eine Nachricht aus der Wüste wirbelte die Indizes dann so durcheinander, wie sonst ein Sturm den Sand am Persischen Golf. Das Emirat Dubai bat seine Gläubiger um Zahlungsaufschub bis Mitte nächsten Jahres, weil es seine Schulden nicht mehr bedienen kann. Zwar schloss der DAX am Mittwoch noch mit einem leichten Plus, aber danach wirbelte es die Börsen in Fernost durcheinander. Der Nikkei-Index rutschte in Tokio auf ein Vier-Monats-Tief. Die Finanzkrise, welche aus dem Gedächtnis der Anleger scheinbar schon gestrichen war, meldete sich schlagartig in einer Region zurück, die sich mit ihren Staatsfonds als Retter vieler Banken und Unternehmen dargeboten hatte.

Illustration: Telepolis. Bild "Wüste": Pedronet. Lizenz : CC-BY-SA 2.0

Eigentlich hat das kleine Emirat nur um einen sechsmonatigen Zahlungsaufschub für das staatseigene Firmenkonglomerat Dubai World gebeten. Doch die Lage darf für das ganze Land als dramatisch bezeichnet werden. Das Emirat kann die im Dezember fälligen Schulden aus dem Nakheel-Bond in einer Höhe von 3,52 Milliarden US-Dollar plus Zinsen nicht zurückzahlen. Dabei ist das nur ein winziger Teil von den etwa 59 Milliarden, die allein Dubai World in den vergangenen Jahren als Schulden angehäuft hat. Von denen werden in den nächsten drei Jahren etwa 50 Milliarden fällig. Nichts spricht dafür, dass Dubai sie bezahlen kann

Mit der Forderung, die Laufzeiten sämtlicher Kredite bis zum 30. Mai 2010 zu verlängern, versucht sich das Emirat nur etwas Luft zu verschaffen. Eigentlich würde es sich aber nur um eine Luftblase in einem längst gesunkenen Schiff handeln. Das Land dürfte praktisch längst pleite sein und woher die Einnahmen kommen sollen, weiß kein Mensch, denn sprichwörtlich wurden die Milliarden in den Sand gesetzt. Man kann Dubai getrost auf die Liste der Länder wie Island, Lettland und etliche andere osteuropäische Staaten (Die Weltwirtschaftskrise als Schuldenkrise) setzen, die nur noch mit Notkrediten vor der Staatspleite gerettet werden konnten. Allerdings haben sie wie Island den Fallschirm EU zur Hand.

Tatsächlich war, wie bei allen anderen Immobilienblasen auch, der tiefe Fall Dubais längst absehbar, der nun bevorsteht. Schon zu Jahresbeginn kaufte die Zentralbank der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) dem kleinen Nachbarn Anleihen in der Höhe von 10 Milliarden Dollar ab. Ein Refinanzierungsprogramm über 20 Milliarden wurde ebenfalls in den Sand der Berufsoptimisten gesetzt, wonach die Wirtschaft Dubais im nächsten Jahr wieder um satte 4 % wachsen würde. Scheich Mohammed Al-Maktum zeigte sich kürzlich noch überzeugt, "dass das Schlimmste vorbei ist". Wahr ist aber, dass in der vergangenen Woche zwei von Abu Dhabi kontrollierte Banken erneut einen Notkredit über 5 Milliarden Dollar nachschieben mussten. Viele Analysten hatten lange geglaubt, es handele sich bei den Finanznöten vor allem um Verwerfungen der Finanzkrise. Wieder einmal müssen sie sich eines Besseren belehren lassen. Erneut übersahen sie, wie schon in Spanien, Irland, Großbritannien und anderen Ländern, in denen wie in Dubai Immobilienblasen geplatzt sind, die gravierenden strukturellen Probleme.

Dubai, ein Ölstaat, dessen Ölreserven zur Neige gehen, sollte von Scheich Al-Maktum vollständig umgekrempelt werden. Auf Pump wollte er aus der Wüste eine blühende Wirtschafts-, Finanz- und Tourismusmetropole für Schwerreiche machen. Er ließ einen Prunkbau nach dem anderen zementieren und feuerte den Turmbau zu Babel mit immer neueren und höheren Projekten an.

Doch seit längerem ragen etliche Gerippe von Wolkenkratzern wie mahnende Finger aus dem Wüstensand, an denen längst niemand mehr werkelt. Es wurde weit über den Bedarf hinaus eine Bauspirale mit immer neuen Ankündigungen in Gang gehalten, für die es keinerlei Bedarf gab, denn längst war der Leerstand an Büros und Wohnbauten extrem angestiegen. Das Hirngespinst Nakheel Tower, der über einen Kilometer in den Himmel einer großen künstlichen Stadt mit dem Namen Dubai Waterfront ragen und gleich 38 Milliarden Dollar kosten sollte, wird genauso in den Schubladen verschwinden, wie die Inselgruppe in Form des Sonnensystems. Die sollte die künstlich errichtete Halbinsel "The Palm Jumeirah" noch übertreffen, die zum Genickbruch des Emirats beigetragen hat und noch heute weitgehend verwaist ist.

Das wird wohl auch so bleiben, denn der Bauträger vieler dieser Projekte, die Nakheel Properties, gehört zu Dubai World. Die wohl weltgrößte private Immobilienfirma, deren Namen den neuen Turm zieren sollte, ist pleite. Der Nakheel Tower sollte sogar noch den Burj Dubai überragen. Er ist das derzeit mit 818 Metern und 189 Stockwerken das höchste Gebäude der Welt. Er soll am 4. Januar 2010, nachdem die Eröffnung mehrfach verschoben wurde, nun endlich eingeweiht werden, wenn dies nicht auch noch schief geht.

Zahlreichen Banken drohen hohe Verluste und Abschreibungen

Derzeit wird alles getan, um die Auswirkungen auf die Weltwirtschaft klein zu reden. Dabei drohen einigen ohnehin schwer gebeutelten Banken erneut hohe Verluste und Abschreibungen. Ganz oben auf der Liste steht die Royal Bank of Scotland (RBS). Aber auch andere Institute aus Großbritannien waren stark in Dubai engagiert. Die US-Großbank JP Morgan hat mit Bezug auf Daten des Dienstleisters Dealogic gemeldet, dass die RBS die meisten Kredite für Dubai World arrangiert hatte. Die wegen ihrer unrühmlichen Geschichte praktisch verstaatlichte RBS (Großbritannien: "It's finished!") habe 17 % der Kredite angerührt, die seit 2007 an den Staatskonzern Dubai World gingen. Besonders engagiert seien demnach auch die teilverstaatlichte Lloyds Banking, aber auch die HSBC und Barclays, die bisher ohne Staatsgelder auskamen.

Genannt werden unter den Gläubigern aber auch die US-Großbank Citigroup, der bisher auch die Dopingmaßnahmen nicht auf die Beine geholfen haben. Dabei sind demnach auch Goldman Sachs, die französische BNP Paribas, die Deutsche Bank, die Schweizer Credit Suisse und die niederländische ING. Dazu kommen Banken aus Japan, China und einige Banken aus den Golfstaaten.

Vor allem auf Abu Dhabi wird geschielt, wenn es darum geht, den Absturz Dubai durch ein komfortables Rettungsnetz abzufedern. Doch der finanzkräftige Nachbar ist dazu offenbar nicht im vollen Umfang bereit. Einen Blankoscheck werde es nicht geben, sagte ein Regierungsvertreter des weltweit drittgrößten Ölexporteurs am Samstag der Nachrichtenagentur Reuters. Die Hilfe werde nur von Fall zu Fall gewährt: "Abu Dhabi wird sich die Firmen heraussuchen und auswählen, wem es helfen wird." Vertreter der Regierung Dubais haben am Sonntag in Abu Dhabi, der Hauptstadt der Vereinigten Emirate, Gespräche aufgenommen. Die VAE-Zentralbank hat bereits erklärt, die Banken, die angeblich in guter Position seien, weiter mit billigem Geld zu versorgen, um die Pleite Dubais zunächst abzuwenden.

Abu Dhabi dürfte sich an den Perlen beim Nachbar schadlos halten. Im Blick könnte man zum Beispiel mit Emirates eine der größten und profitabelsten Fluggesellschaften der Welt haben. Nach Angaben der Zeitung "Al Itihad" habe Dubai World dagegen ausgeschlossen, einige der profitablen Anlagen zu verkaufen, um den Zahlungsverpflichtungen nachkommen zu können.

Auch die deutsche Wirtschaft wird vom Stillstand auf der Dauerbaustelle Dubai in Mitleidenschaft gezogen werden

Dass sich die Einstellung der Bauarbeiten auf der riesigen "Dauerbaustelle" auch in Deutschland gravierend auswirken dürfte, spricht sich indessen herum. Erwartet werden für die deutsche Wirtschaft erhebliche Umsatzeinbußen. Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), sagte im Interview: "Das werden wir beim Auftragseingang deutlich merken". Viele Unternehmen werden betroffen sein, weil das Emirat über viele Jahre ein wichtiger Markt für jeden gewesen sei, der "Produkte und Leistungen rund ums Bauen liefert - von der Bohrmaschine über Bagger bis zu Armaturen und Fenstern". Die DIHK ist angesichts der ohnehin labilen Situation besorgt, denn jeder Rückschlag sei in der aktuellen wirtschaftlichen Lage gefährlich. "Vor diesem Hintergrund ist Dubai durchaus ein Schlag ins Kontor“, sagte Wansleben und warnt davor, dass man den wohl noch den einen oder anderen Rückschlag einstecken müsse.

Ein prominentes Opfer könnten die Börsenpläne des Essener Baukonzerns Hochtief werden. Der hat eigentlich vor, seine Infrastruktur-Tochter am kommenden Freitag an die Börse zu bringen. Doch nun schließt man bei dem Bauriesen nicht mehr aus, dass der Börsengang von Hochtief Concessions noch abgesagt werden könnte. Der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung erklärte der Hochtief-Chef Herbert Lütkestratkötter: "Wir werden nicht zu jedem Preis verkaufen und müssen es auch nicht" auf die Frage, ob das Vorhaben bei Kurseinbrüchen in den kommenden Tagen verschoben werde. Die Essener haben schon in den letzten Tagen versucht, die Anleger zu beruhigen. Die Schwerpunktmärkte in der Golf-Region seien Länder wie Abu Dhabi, Katar und Bahrain, erklärte der in der Region aktive Bauriese. Hochtief erwartet deshalb "keine nennenswerten Auswirkungen" durch die Dubai-Krise.