Vampire müssen nackt sein

Les démoniaques

Am Strand mit Jean Rollin

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Vielleicht war früher doch alles besser. Heutzutage werden die Bestsellerlisten von den als Vampirromane getarnten Keuschheitstraktaten Stephenie Meyers dominiert, und die Twilight-Verfilmungen brechen Kassenrekorde. Wenn sich die Jugend in einer übersexualisierten Gesellschaft nach einem Rückzugsraum ohne Sexverpflichtung sehnt, ist das nur zu verständlich. Wer sich dann aber in Frau Meyers Welt begibt, muss lesen, sehen, hören wie sich die politische Korrektheit mit einer stramm konservativen Geisteshaltung paart. Früher konnte man als junger Mensch noch Film-Vampire ohne Beisshemmung sehen, die keine Unterwäsche trugen, damit sie schneller nackt waren. Keiner musste einen Trauschein erwerben, um die Lizenz zum Sex zu haben. Stephenie Meyers Blutsauger beißen unter ökologischen Gesichtspunkten, vorehelicher Geschlechtsverkehr ist verpönt, die Frau ist dafür da, dem Mann zu dienen und zu ihm aufzuschauen. Als Gegengift zu so viel Sexismus und Spießertum in der Designer-Wohnung soll hier an einen Regisseur erinnert werden, der von den Feministinnen als Frauenfeind angegriffen und von den Männern im Publikum mit Gegenständen beworfen wurde, weil er die Erwartungen nicht erfüllte. Gemeint ist Jean Rollin, der Erfinder des Sex-Vampirs.

Nekrophilie mit Blumentopf

Zwei blonde Jungfrauen stranden auf einer Insel und werden von Piraten vergewaltigt, die sich kein eigenes Schiff leisten können. Mit knapper Not dem Tod entronnen (vielleicht aber auch nicht), flüchten sie zu den Ruinen einer Kathedrale. Dort wohnt ein Dämon, der von einem Zauberer mit Rauschebart und einer Frau im Clownskostüm bewacht wird. In dieser abenteuerlichen Mischung aus unterschiedlichsten Genreelementen kann das nur ein Film von Jean Rollin sein. Les démoniaques (1974) kommt ohne Vampire aus, ist aber dennoch typisch für den Mann, den der Companion to Horror des British Film Institute als „Frankreichs einzigen Horror-auteur“ bezeichnet. Ein auteur ist einer, der es schafft, einem Film – also dem Produkt der Anstrengung von vielen Leuten – seinen ganz persönlichen Stempel aufzudrücken. Auf Rollin trifft das zweifellos zu. Er war, um ein anderes Standardwerk zu zitieren (The Aurum Film Encyclopedia), „der einzige durchgängig interessante, in Frankreich arbeitende Regisseur von Horrorfilmen“.

Eine Art Selbstportrait des Regisseurs ist der Held von La rose de fer (1973). Bei einer sehr bürgerlichen Hochzeitsfeier sitzt er außen an der Wand. Plötzlich steht er auf und trägt ein Gedicht des von den Surrealisten sehr geschätzten Décadence-Poeten Tristan Corbière vor (laut Paul Verlaine der erste Poète maudit). Ungläubiges Staunen der Hochzeitsgäste. Dann freundlicher, aber verständnisloser Beifall, bevor jemand eine Schallplatte auflegt, als müsse die Poesie möglichst schnell aus dem Raum hinausgedrängt werden. Doch am Rand der Hochzeitsfeier schafft es der Held, sich mit dem schönsten Mädchen zu einem Ausflug zu verabreden. Dieser Ausflug führt das junge Paar in einen Friedhof, wo sich die Schöne für den Helden auszieht. Allerdings finden sie dann den Ausgang nicht mehr, der Held wird in einer Gruft eingesperrt und endet unter einem Blumentopf.

La rose de fer

Zwischen Rollin und seinem Hauptdarsteller kam es zu Meinungsverschiedenheiten. Die Dreharbeiten konnten nur mit viel gutem Zureden und der Zusicherung beendet werden, dass auf dem Plakat nicht der richtige Name des Darstellers stehen würde. Auch das ist typisch für Rollin: Bei seinen Filmen, die er mit lächerlich geringen Budgets drehte, war immer mit Katastrophen zu rechnen, die den Abbruch der gesamten Produktion zur Folge haben konnten, was mit knapper Not verhindert wurde. Sein bester Film, Lèvres de sang (1976), endet mit einem auf das Meer hinaustreibenden Sarg. Statt aber hinauszutreiben wie geplant, blieb der Sarg an einem Pfahl hängen. Um keine Zeit zu verlieren (Zeit ist Geld, das er nie hatte), sprang Rollin ins Wasser, um ihn wieder flott zu machen. Dabei schlug ihm die Kiste gegen den Kopf, er verlor das Bewusstsein und konnte im letzten Moment vor dem Ertrinken bewahrt werden. Der auf dem Meer treibende Sarg ist übrigens ein Moby-Dick-Zitat. Anstelle von Ishmael, Melvilles Ich-Erzähler, liegen in Lèvres de sang zwei nackte Vampire in der Kiste. Auch das ist typisch Jean Rollin.

Lèvres de sang

Monument Valley für Vampire

Eigentlich wollte Jean-Michel Rollin le Gentil, so sein voller Name, gar kein Regisseur von Horrorfilmen werden. Irgendwie dafür prädestiniert war er aber doch. Geboren am 3. November 1938 in Neuilly-sur-Seine, einem wohlhabenden Vorort von Paris, stammte er aus dem Bildungsbürgertum. Sein Vater war Schauspieler und Theaterleiter. Seine Mutter war mit Georges Bataille befreundet, der dem kleinen Jean zum Einschlafen von einem als Priester getarnten Wolf erzählte – oder jedenfalls hat Rollin das später so berichtet (oft gehören solche Geschichten zum phantasievollen Ausschmückungsteil von Künstlerbiographien, was sie aber nicht weniger interessant macht).

Bei einer Urlaubsreise der Familie entdeckte Rollin beim Dorf Pourville (in der Nähe von Dieppe) einen durch steil aufragende Kreidefelsen begrenzten Strand, der ihn an die Gemälde von René Magritte und Max Ernst erinnerte. Das war ein prägendes Erlebnis. Dieser Strand mit den auffallenden Pfahlreihen, die bei Flut im Wasser verschwinden (und an denen der Sarg hängenblieb), wurde zu seiner Signatur und zu seiner Seelenlandschaft, so wie das Monument Valley für John Ford. Bleibenden Eindruck hinterließ auch der erste Kinobesuch, an den Rollin sich später erinnern konnte. Er sah Le Capitaine Fracasse (1942) von Abel Gance und war so begeistert von der Sturmszene, dass er auch Filme drehen wollte. Am liebsten am Strand von Pourville.

1958, mit 20, erfüllte er sich seinen Kindheitstraum. Rollin borgte sich an den Wochenenden eine Kamera, fuhr mit einigen Freunden zu „seinem“ Strand und drehte den Kurzfilm Les amours jaunes, mit dem er versuchte, das gleichnamige Gedicht von Tristan Corbière visuell umzusetzen. 1963 begann er mit den Dreharbeiten zu dem Spielfilm L’itinéraire marin. Rollin produzierte selbst (mit der dafür gegründeten Firma ABC) und setzte seine ganzen Ersparnisse ein. Keine Geringere als Marguerite Duras überarbeitete die Dialoge in Rollins Drehbuch. Die Hauptrolle spielte Gaston Modot, den man aus Luis Buñuels L’age d’or und Marcel Carnés Les enfants du paradis (der blinde Bettler) kannte. Vielleicht wäre Rollin ein geachteter Regisseur von Kunst- und Avantgarde-Filmen geworden, wenn ihm L’itinéraire marin geglückt wäre. Aber nachdem er zwei Drittel verfilmt hatte, ging ihm das Geld aus. Dann starb Gaston Modot. Das war das Ende des Projekts.

Les amours jaunes

1964 bekam er einen Job als Tonmann bei einer Firma, die Berichte für die Wochenschau herstellte. Rollin lernte, Bild und Ton als zwei getrennte Bereiche zu begreifen. Bei der Einführung des Tonfilms bemühten sich Regisseure wie Fritz Lang (M) und Josef von Sternberg (Der blaue Engel), den Ton kontrapunktisch zum Bild und dieses kommentierend einzusetzen. Die Filmindustrie einigte sich dann aber sehr schnell darauf, dass Bild und Ton eine Einheit zu sein hatten. Rollin knüpft dort an, wo Lang und Sternberg aufgehört haben. Synchronstudios neigen dazu, solche Regelverstöße zu „korrigieren“. Darum sollte man seine Filme in der Originalfassung sehen und hören. Das empfiehlt sich auch deshalb, weil das Wie bei Rollin meistens wichtiger ist als das Was.

1965 hatte er das Geld für einen weiteren Kurzfilm beisammen. Der Held von Les pays loins ist in eine Parallelwelt geraten. Auf der Suche nach Orientierung und Erinnerung (ein Lieblingsthema von Rollin) irrt er mit einer jungen Frau durch den alten Teil des Pariser Stadtteils Belleville, den man heute so nicht mehr findet, weil er abgerissen wurde, um Platz für moderne Wohn- und Bürogebäude zu schaffen. Rollins Filme sind auch von historischem Interesse, weil viele seiner sehr atmosphärischen Schauplätze bald danach durch gesichtslose Neubauten ersetzt wurden. In ihnen ist ein Frankreich konserviert, das es so kaum mehr gibt.

Les pays loins

Sultan des Schweinkrams

Rollin fand für Les pays loins keinen Verleiher und war wieder pleite. Zu der Zeit lernte er die Künstlergruppe um Nicolas Devil und Philippe Druillet kennen. Ein anderer Freund von Rollin war Eric Losfeld. Der Verleger hatte 1964 Jean-Claude Forests Barbarella als gebundenen, großformatigen Comic-Band für Erwachsene herausgebracht und war deshalb von der Polizei besucht worden. Der Tabubruch bestand weniger in der sexuellen Freizügigkeit (Hefte mit Barbarella gab es schon vorher), als vielmehr darin, dass die Raumfahrerin ihre Sex-Abenteuer nun in Buchform erlebte, im Medium des Bildungsbürgertums. Losfelds Verlag war fortan die erste Adresse für grelle, zwischen zwei Buchdeckeln aktive Comic-Heldinnen mit wallendem Haar, Pin-up-Figur und wenig Schamgefühl, die viel genauer wussten, was sie wollten, als es den Männern lieb sein konnte.

Barbarella

Mal kamen die Sex-Göttinnen aus einer fernen Zukunft wie Barbarella, mal aus dem alten Rom wie Jodelle von Guy Peelaert und Pierre Bartier, oder sie gehörten zur Pop-Art-Welt des Andy Warhol wie die ebenfalls von Peelaert erschaffene Pravda, die beim Motorradfahren kaum mehr als Lederstiefel und einen Gürtel trägt und neben der die männlichen Helden herkömmlicher Comics, mochten sie auch noch so viril sein, furchtbar alt aussahen. Am verrücktesten und am experimentellsten aber war der Band, der entstand, nachdem Rollin Losfeld einige von Devils Arbeiten gezeigt hatte.

Rollin schrieb das „Szenario“ für Saga de Xam, Devil übernahm die Ausführung. Der nur von Frauen bewohnte Planet Xam ist von einer Invasion bedroht. Weil die Frauen bisher völlig gewaltfrei gelebt haben, sind sie einer solchen Aggression gegenüber wehrlos. Frau muss sich also sachkundig machen. Die Agentin Saga wird zur Erde geschickt. Dort unternimmt sie eine Studienreise durch verschiedene Epochen der Menschheitsgeschichte und bekommt gleich ganz viel Gelegenheit, die Gewalttätigkeit der Menschen auch am eigenen Leib zu erfahren. Daneben hat sie noch alle Hände voll damit zu tun, nicht irgendwo in der überbordenden Experimentierlust ihrer Schöpfer zu verschwinden.

Saga de Xam

Rollin selbst füllte die Sprechblasen. Manchmal musste er soviel Text unterbringen, dass seine Schrift äußerst klein und kaum mehr lesbar wurde. Ähnliches gilt für Rollins Filme: man erkennt sofort seine Handschrift, aber mit dem Entziffern tut man sich manchmal schwer. Das muss kein Schaden sein. Für Zuseher, die gern die eigene Phantasie walten lassen und die sich nicht am Gängelband durch eine vorgegebene Geschichte führen lassen wollen, hat Rollins assoziative, zu Improvisationen neigende Erzählweise etwas ungemein Befreiendes.

Auch in Rollins Filmen findet sich die naturalistischen Gepflogenheiten enthobene Mischung aus Sex und Gewalt, der Saga de Xam, Les aventures de Jodelle und Pravda la survireuse viel von ihrer Wirkung verdanken. Trotzdem wäre Rollin vielleicht nie zum „Sultan of Sleaze“ geworden, als der er in den USA bekannt ist, wenn es die UNESCO nicht gegeben hätte. Diese ehrwürdige Organisation schickte den Amerikaner Sam Selsky, einen gelernten Bergbauingenieur, nach dem Krieg in ihr Pariser Büro. Als Bürokrat war Selsky ungeeignet. Bei seinem Ausscheiden aus der UNESCO erhielt er eine Abfindung, mit der er in Paris ein kleines Kino kaufte. Dann verlegte er sich darauf, amerikanische B-Filme nach Europa zu importieren. Einer seiner Geschäftspartner war Jean Lavie, dessen Verleihfirma immer kurz vor dem Bankrott stand. Die beiden gehörten zum Bekanntenkreis von Jean Rollin.

Blinde Vampire können kegeln

Lavie hatte die Rechte am Vampirfilm Dead Men Walk (1943) gekauft, der in den Kinos der Brüder Boublil gezeigt werden sollte. Die Boublils, aus Algerien zugewanderte Pferdehändler, betrieben in Paris vier auf Horror-, Science-Fiction- und Sandalenfilme spezialisierte Lichtspieltheater, darunter das legendäre Midi Minuit. Rund um dieses Kino waren seit einigen Jahren Bestrebungen im Gange, Regisseuren wie Mario Bava, Michael Powell und Terence Fisher eine publizistische Basis zu verschaffen. Eric Losfeld hatte 1962 eine Zeitschrift gegründet, die sich auf Filme konzentrierte, wie sie von den Boublils aufgeführt wurden. Sie hieß Midi-Minuit Fantastique und prägte einen neuen Begriff. "Der Ausdruck 'Midi-Minuitist'", schreiben Tohill und Tombs in Immoral Tales, "wurde zum Synonym für eine bestimmte Art von Sensibilität, die sich hingezogen fühlte zum Grellen, zum Mysteriösen, zum Seltsamen und zum richtig Schlechten im Kino."

Die Zeitschrift war mehr als der Ausdruck einer Sensibilität. Sie bot die Möglichkeit, in einer ihnen adäquaten Weise über Filme zu sprechen, die tausendmal wiederholte Muster verwendeten und sich auf das Spektakuläre, die Schauwerte und das Abgründige konzentrieren konnten, weil ihre Regisseure durch die allzu bekannten Abläufe der Notwendigkeit enthoben waren, jedes Handlungselement logisch zu begründen; über Filme, die durch ständige Wiederholung die Fesseln der Rationalität zerrieben und so das Irrationale in den Vordergrund rückten. London-Korrespondent war der schmerzlich vermisste Raymond Durgnat, einer der Großen der europäischen Filmkritik. Die Midi-Minuit Fantastique war eine Zeitschrift mit intellektuellem Anspruch. Sie erfüllte eine Vermittlungsfunktion und trug viel dazu bei, dass in Frankreich auf einem Niveau über das Phantastische diskutiert wird, das sich nicht mit Ignoranz und Ablehnung zufrieden gibt. Etwas Vergleichbares hätte man sich auch für Deutschland gewünscht.

Dead Men Walk war nur 64 Minuten lang. Lavie schlug Rollin vor, zur Auffüllung des Programms einen etwa halbstündigen Vampirfilm zu drehen, der eine Voraussetzung erfüllen musste: er durfte fast nichts kosten. Selsky ging bei seinen Freunden von der American Legion hausieren und kratzte das Geld für zwei Drehwochen auf dem Land zusammen. Ein paar von den Finanziers durften selber mitmachen. Als eine von den Vampirinnen heuerte die Stripperin Nicole Romain an, die gern Schauspielerin werden wollte. Da ein beträchtlicher Teil des Budgets für die Unterbringung in einem Hotel ohne beheizte Zimmer draufging (es war Winter), übernahmen alle Crewmitglieder kleine Rollen. Mit dabei war auch Catherine Devil, die Frau von Nicolas Devil, der einen von den Dorfbewohnern spielte und zusammen mit Philippe Druillet bei der Ausstattung half. Drehort war ein altes Schloss, das bald danach abgerissen wurde. Von diesem Schloss führt (bei Rollin) ein Geheimgang zum Strand von Pourville. Da endete der Film.

Le viol du vampire

Der Legende nach wurde Selsky unbehaglich zumute, als er sah, wie Rollin eine blinde Vampirin beim Kegeln filmte. Er soll dann mehr nackte Busen gefordert haben. Sexfilme verkauften sich gut. Solange die diesbezüglichen Erwartungen des Publikums erfüllt wurden, durfte Rollin ansonsten machen, was er wollte. Wieviel nackte Haut in seinen Filmen tatsächlich auf das Konto der Produzenten ging, mag dahingestellt bleiben. Jedenfalls sollte man nicht vergessen, dass Sex und Nacktheit in den Sixties eine Geste der Rebellion gegen die repressive Kultur der gerade herrschenden Generation waren.

Le viol du vampire

Es ist eine Binsenweisheit, dass die Adenauer- bzw. die De Gaulle-Zeit äußerst prüde waren. Man muss heute aber – zum Glück – viel Rekonstruktionsarbeit leisten, um eine Vorstellung davon zu gewinnen, was das genau bedeutete. Wer sich auf diese schaurige Reise in die Vergangenheit begibt, stößt in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg überall auf die Spuren jener Sexualmoral, die in Michael Hanekes Das weiße Band alles niederdrückt und mit der Sexualität auch das Leben in einer Gesellschaft erstickt, die bei Haneke auf den Ersten Weltkrieg zutreibt. In Adenauers Deutschland tat man es den viktorianischen Vampirjägern in Bram Stokers Dracula gleich. Diese versuchen, die subversive Kraft des Begehrens dadurch zu bannen, dass sie alles aufschreiben, archivieren und in bürokratische Ordnungsmuster überführen.

Erotik mit Waffenschein

Als Lo Ducas reich bebildertes, in Frankreich nur unter dem Ladentisch verkauftes Buch L’Erotisme au cinéma (1962) drei Jahre nach der Erstveröffentlichung und nach viel Hin und Her endlich auch in einer deutschsprachigen Ausgabe erscheinen durfte, war das nur bei einem in der Schweiz ansässigen Verlag möglich. Dieses praktischerweise gleich hinter der Grenze (in Basel) angesiedelte Unternehmen lieferte fleißig nach Deutschland, so wie man heute die bei uns indizierten Filme in Österreich bestellt. „Bei der Auswahl der Fotounterlagen aus annähernd 3000 Dokumenten“, versicherte der Verleger, „wurde auf alles verzichtet, was provozieren könnte […].“ Da taucht er schon wieder auf, der alte Bürokratismus. „Dokumente“ sind im Umgang mit Erotik und Subversion ein Muss, weil man sie abheften, in einen Aktenschrank hängen und bei Bedarf auch wegsperren kann. Die nackten Busen der Originalausgabe durften bleiben. Nicht abgedruckt wurden die Phallussymbole in Lo Ducas Bildersammlung. Vom Sadomaso-Teil blieben sechs Photos von einer Vergewaltigung in einem Film von Toshio Shimura. Bildunterschrift: „Exotische Grausamkeit“. So etwas machten nur die Japaner.

Jedes Exemplar von Die Erotik im Film (aus der Reihe „Welt des Eros“) war nummeriert. Beiliegend eine vom Käufer auszufüllende Karte (wieder mit der Nummer), der sich unter Angabe von Name, Beruf und Adresse verpflichtete, den nackten Hintern von Brigitte Bardot und eine Brustwarze von Hedy Lamarr so unter Verschluss zu halten, dass sie niemand unter 21 sehen konnte und sonst auch keiner, der nicht „die erforderliche Reife“ für eine objektive Bewertung besaß. Ob diese Karten vom Buchhändler verwahrt, an den Verlag geschickt, bei der Polizei deponiert oder einfach weggeworfen wurden, lässt sich nicht mehr eindeutig eruieren. 1965 war das Ganze bestimmt nicht so komisch, wie es jetzt erscheinen mag. Erwachsene, die ahnten, dass es in der Welt des Eros mehr geben könnte als den im Dunkeln und nur zu Zwecken der Fortpflanzung praktizierten Geschlechtsverkehr und die deshalb dieses Buch kaufen wollten, wurde suggeriert, dass sie etwas Schlimmes taten und ihr Kaufwunsch zur Eintragung in einer Kartei führen konnte. Denn aus welchem anderen Grund sollten solche Bücher mit einer Seriennummer versehen werden wie eine registrierungspflichtige Schusswaffe?

In Bernardo Bertoluccis The Dreamers wird die Stimmung von 1968 vermutlich recht gut eingefangen. Isabelle (Eva Green) und ihr Bruder Théo (Louis Garrel), die ein inzestuöses Verhältnis zueinander haben, lernen bei einer Demonstration mit sadomasochistischen Untertönen (Isabelle tut so, als sei sie angekettet) den Amerikaner Matthew (Michael Pitt) kennen, Isabelle wird von Matthew entjungfert, während draußen vor dem Fenster die Demonstranten durch Paris marschieren, und am Ende, wenn die Autos brennen, kommt alles zusammen. Eva Greens Schamlippen, Michael Pitts Penis, der masturbierende Louis Garrel, Isabelles Menstruationsblut im gemeinsamen Badewasser und vielleicht sogar die angekettete Jungfrau (?) gehören mit zur Revolte, auch wenn die Kritiker, die in Bertolucci nur den unverbesserlichen Erotomanen sahen, das nicht mehr wahrhaben wollten, als The Dreamers 2003 ins Kino kam.

The Dreamers

Natürlich war nicht jeder, der im Umfeld der 68-Revolution ein Tabu brach, ein Rebell gegen das Establishment. Aber viele waren es eben doch. Das Resultat einer Handlung ist nicht unbedingt abhängig von der Absicht, in der sie ausgeführt wird, und man kann ein Rebell sein, ohne es zu wissen. Sam Selsky, Rollins amerikanischer Freund, wollte sicher auch Geld verdienen. Als das in den zwei Wochen gedrehte Material geschnitten war, hatte man einen knapp 45-minütigen Film, der Le viol du vampire (Die Vergewaltigung des Vampirs) heißen sollte. Wenn so etwas fast ohne Geld möglich war, dachte sich Selsky, konnte man für ein wenig mehr Geld auch einen ganzen Spielfilm ins Kino bringen. Rollin war sofort einverstanden, noch eine zweite Hälfte zu drehen. Das Problem war nur, dass die meisten Hauptfiguren nach den ersten 40 Minuten gestorben waren. Doch dafür gab es eine Lösung.

Anti-Psychiatrie und Vampirismus

The Perils of Pauline, Judex

Rollin liebte die amerikanischen Serials aus den 1930ern, deren Vorläufer aus der Stummfilmzeit wie The Perils of Pauline und die meist 12-teiligen Fortsetzungsfilme von Louis Feuillade: Fantômas, Les Vampires und Judex. Er beschloss, die fehlende Hälfte als zweiten Teil eines Serials zu drehen. Da im Horrorfilm die Grenze zwischen Leben und Tod verwischt wird, hatte das Genre noch nie Schwierigkeiten damit, die am Ende eines Films gestorbenen Charaktere in der Fortsetzung wiederzubeleben. Rollin wollte es sich (und den Zuschauern) aber nicht zu einfach machen. Brigitte, die im ersten Teil getötet wird, taucht im zweiten nicht als Zombie oder Vampir wieder auf; wie Saga, die Abgesandte vom Planeten Xam, ist sie ein Wesen aus einer anderen Zeitebene. Der Obervampir ist üblicherweise Graf Dracula, nicht eine Gräfin. Rollin hatte für patriarchalisches Gehabe nichts übrig. Wenn es bei ihm ausnahmsweise doch einen Urvater der Vampire gibt (und keine Mutter) wie in Requiem pour un vampire (1972), ist er schwach und ohne Lebensenergie. Typischer ist Le viol du vampire. Am Anfang von Teil 2, der deshalb auch La reine des vampires heißen sollte (und später in Les femmes vampires umbenannt wurde), kommt die Königin der Vampire übers Meer gefahren, als habe sie sich bei Thor Heyerdahl ein Boot ausgeborgt.

Les femmes vampires

Weil damals alles im Fluss war und sich in den Pariser Szenetreffs die unterschiedlichsten Leute begegneten, verwundert es auch nicht, dass La reine des vampires im Umfeld des Psychiatrie-Rebellen Félix Guattari entstand. Guattari, ein Schüler von Jacques Lacan, arbeitete in leitender Funktion in La Borde, einer Klinik für experimentelle Psychiatrie und für viele 68er die mögliche Keimzelle einer neuen Gesellschaft. Guattari war ein Verfechter der Gruppentherapie, trat für eine hierarchielose Interaktion zwischen Arzt und Patient ein, hielt nichts von Wegsperren und machte sich dafür stark, das gesellschaftsverändernde Potential des Begehrens zu nutzen, statt die Lust einzuschläfern, wie es seiner Meinung nach die klassische Psychoanalyse tat. Er gründete die Zeitschrift Recherches, in der philosophische, psychoanalytische und mathematische Abhandlungen genauso Platz hatten wie Texte über Architektur, Ethnologie und den Antikolonialismus. Zusammen mit Gilles Deleuze veröffentlichte Guattari 1972 den Anti-Ödipus (ein Hauptwerk des Poststrukturalismus), den Michel Foucault als „Einführung in ein nicht-faschistisches Leben“ bezeichnet hat.

Rollin führte in La Borde seine Kurzfilme sowie den ersten Teil von Le viol vor. Einige Szenen der Fortsetzung drehte er direkt in der Klinik, und auch die Patienten wirkten mit, weil man sich davon einen therapeutischen Effekt versprach. Die Frau, der von dem nach einem Heilmittel für den Vampirismus suchenden Forscher die Eingeweide herausoperiert werden, war in La Borde in Behandlung. Jacqueline Sieger war eine ehemalige Patientin, die jetzt als Pflegerin in der Klinik arbeitete. Sie übernahm die Rolle der meistens barbusigen Königin der Vampire.

Les femmes vampires

Marcel Lupovici, einer von den Gangstern in Jules Dassins Rififi, hatte das Théâtre du Grand-Guignol auf dem Montmartre gekauft. Er wollte das legendäre Gruseltheater in einen Tempel der Hochkultur verwandeln und war bereits dabei, als eine Art von Exorzismus die Innenausstattung herauszureißen, die teilweise noch aus der Zeit vor der Französischen Revolution stammte. Rollin mietete das Theater für einen Tag und inszenierte dort eine Vampirhochzeit, bei der im Dialog Robert Aldrichs Revolutionswestern Vera Cruz die Referenz erwiesen wird und die ein abruptes Ende findet, als Bonnie und Clyde wild um sich schießend die Bühne stürmen.

Auch vom Grand-Guignol führt ein Weg zum Strand von Pourville, aber die Geschehnisse erleben dann doch ihren Abschluss auf der Place de la Bastille. Der Mann, der der Bruder und/oder der Liebhaber von Brigitte ist, trägt die nun wieder tote Frau über den menschenleeren Platz und zitiert aus einem Buch von Gaston Leroux (Verfasser von Das Phantom der Oper), der zu Rollins Lieblingsautoren gehörte. Und Shakespeares King Lear ist ebenfalls mit dabei. Außerdem ist das Ende ein Zitat aus A Farewell to Arms (1932), Frank Borzages Verfilmung von Hemingways Weltkriegs-Roman.

Les femmes vampires, Le viol du vampire, Femme dangereuse, Requiem pour un vampire

Le viol du vampire ist nicht so unstrukturiert, wie oft behauptet wird. Die Szene auf der Place de la Bastille hat ihre Entsprechung im 1. Teil. Da liegt die tote Brigitte auf einem Feld, ihr Liebhaber kommt angelaufen und nimmt sie in die Arme, als alles längst zu spät ist. Ganz ähnliche Einstellungen gibt es in Femme dangereuse (1993), wo die Heldin nach dem Verlust ihres Mannes und einem Rachefeldzug wieder auf einem solchen Feld steht und nicht weiß, wie es nun weitergehen soll. In Requiem pour un vampire führt eine Verfolgungsjagd über das Feld, und alle Beteiligten wirken sehr klein und verloren. Solche Bilder, in denen er die Einsamkeit einfängt, den Verlust und das schmerzliche Bewusstsein, dass man kurz zuvor noch etwas hätte ändern können, jetzt aber nicht mehr, gibt es bei Rollin sehr häufig. Sie sind weniger spektakulär als die nackten Vampirinnen, für seine Filme aber genauso charakteristisch.

Nackte Cineasten

The Dreamers

Bertoluccis The Dreamers beginnt mit einem Ereignis, das in 68er-Geschichten erstaunlich wenig Beachtung gefunden hat: Am Anfang der Pariser Studentenproteste war der Aufstand der Cineasten. Um das zu verstehen, muss man in die 1930er zurückgehen. Damals gründeten Henri Langlois und Georges Franju die Cinémathèque Française. Langlois sammelte alles, was mit bewegten Bildern zu tun hatte; darin unterstützt wurde er bald von der aus Deutschland emigrierten Lotte Eisner, ab 1945 Chefkuratorin der Cinémathèque. Als Paris von den Deutschen besetzt war, retteten die beiden vieles vor Raub und Vernichtung, indem sie es dem Zugriff der Besatzer entzogen. Rollin verbeugt sich vor Langlois, wenn er in Les pays loins die kirchenähnliche Fassade des Kinos in Belleville zeigt, wo dieser einen Großteil seiner Schätze versteckt hatte.

Les pays loins

Die Cinémathèque Française war einer der Geburtsorte der Nouvelle Vague. François Truffaut, Jean-Luc Godard, Claude Chabrol und die anderen nannten sich stolz die „Kinder der Cinémathèque“, weil sie in Langlois’ Vorführsälen ihr filmisches Wissen erworben hatten. Sie führten 1968 auch die von Straßenkämpfen begleiteten Proteste an, als der Kulturminister André Malraux der Cinémathèque die staatlichen Subventionen strich. Dahinter steckte der Versuch, Langlois loszuwerden. Das hatte mit dessen Führungsstil zu tun, aber auch damit, dass Langlois politisch missliebig war und sich weigerte, bei seiner Programmgestaltung nach ideologischen oder bildungsbürgerlichen Gesichtspunkten vorab auszusortieren. Langlois zeigte alles, was sich bewegte und was er zeigen konnte. Das stand im diametralen Gegensatz zum Kulturverständnis des Großschriftstellers Malraux, der die Entschlossenheit der Cineasten unterschätzt hatte und schließlich nachgeben musste.

Man kann in Le viol du vampire durchaus die Hommage eines Regie-Außenseiters an Langlois sehen, denn in dem Film spiegelt sich das wilde Durcheinander, das man täglich in der Cinémathèque geboten bekam (das Vorgehen des Ministers belegt, dass auch diese Art der Grenzaufhebung politisch ist). Viele von den Anspielungen waren damals, als es noch keine Videokassetten und keine DVDs gab, nur für das Stammpublikum von Langlois verständlich. Doch das verspielte Zitat aus der Filmgeschichte, das ironische Umbiegen von Genreregeln und das Idiosynkratische, das bejubelt wurde, wenn es Truffaut und Godard auf die Leinwand brachten, nützte Rollin gar nichts. Er zeigte nackte Vampire, und damit setzte er sich zwischen alle Stühle.

Im Mai 1968, als in Paris die Autos brannten und sich die Demonstranten Straßenschlachten mit der Polizei lieferten, lief der Film im Midi Minuit und in drei weiteren Kinos an. In Frankreich war Generalstreik. Da nicht pausenlos demonstriert wurde, hatten die Leute Zeit, ins Kino zu gehen. Le viol war einer von nur zwei Filmen, die in dieser Woche neu gestartet wurden. Also kamen auch die, die sich den „ersten französischen Vampirfilm“, wie er beworben wurde, sonst nicht angeschaut hätten. Die großen Zeitungen schickten ihre Kritiker und druckten hinterher furchtbare Verrisse. Das Styx, ein kürzlich im Quartier Latin eröffnetes Kino, war mit Särgen und anderen Horror-Paraphernalien dekoriert. Für manchen Vertreter der bürgerlichen Presse muss das ein Kulturschock gewesen sein.

Die Königin der Vampire fährt Cabrio

Wer sich zum Vorführsaal durchgekämpft hatte (es gab lange Schlangen), sah eine blinde Frau im Abendkleid, die sich durch ein von Kerzen erleuchtetes Gewölbe tastete. Aus dem Off hörte man eine Männerstimme mit amerikanischem Akzent, die etwas von Dämonen sagte, deren Hunger gestillt werden müsse und die Vampirschwestern vor den Leuten warnte, die jetzt gleich kommen würden, um sie zu heilen. Dazu war zu sehen, wie zwei Männerhände der Blinden das Abendkleid auszogen und ihre Brüste streichelten, was der Frau offensichtlich große Lust bereitete. In der nächsten, von Le Capitaine Fracasse inspirierten Szene duellierten sich zwei Personen in Louis XVI-Kostümen auf einem Friedhof. Eine der Personen war eine Frau, der ihr Gegner die linke Brust entblößte, bevor er ihr das Herz durchbohrte. Dann sah man die Blinde, nun wieder im Abendkleid und in der Gegenwart, beim Kegeln. Und so ging es weiter.

Le viol du vampire

Als Verneigung vor Les enfants du paradis gab eine pantomimische Sadomaso-Einlage, gekoppelt mit einem Anzitieren christlicher Märtyrergeschichten, was blasphemisch wirkte, weil Rollin den sadomasochistischen Gehalt solcher Legenden offenlegte. Dazu Verweise auf Louis Feuillade, Tristan Corbière, Clovis Trouille, Man Ray, Max Ernst, Luis Buñuel, Carl Theodor Dreyers Vampyr, Georges Franju und viele andere. Wer nicht nach 20 Minuten empört das Kino verließ, sah auch noch die Königin der Vampire, die sich mit nacktem Oberkörper auf dem mit einem Leopardenfell belegten Rücksitz eines Cabrios räkelte und gleich danach einen von einem Pferd gezogenen Leichenwagen, begleitet von zwei Ministrantinnen und einer Frau, die sich die Trauerkleidung abstreifte, um dann, im weißen Fransenrock, das Cabrio der Vampirkönigin zu steuern (eine Variation auf den surrealistischen Leichenzug in Entr’acte von René Clair). Dem folgte die feuilladeske Entführung einer Vampirin aus einem Friedhof, im Hintergrund beobachtet von Frankensteins Monster, das ein kleines Kind an der Hand hält (ein Verweis auf James Whales Film mit Boris Karloff).

Le viol du vampire

Godard zufolge hat jeder Film einen Anfang, ein Mittelstück und einen Schluss, aber nicht notwendigerweise in dieser Reihenfolge. Einige Vorführer hatten wohl diesen Spruch im Ohr, als sie die Filmrollen vertauschten, um durch eine geänderte Abfolge aus dem vermeintlich Unsinnigen Sinn zu machen. Das war ein untauglicher Versuch. Le viol du vampire ist keineswegs so unverständlich, wie immer behauptet wird. Er orientiert sich nur nicht an den Regeln des psychologischen Erzählens, die uns Hollywood antrainiert hat. Rollins Filme sind viel weniger anthropozentrisch, als man angesichts der nackten Busen glauben könnte. Bei ihm sind die Figuren Teil des Dekors.

Rollins Geldgeber wollten Nackte, weil sie sich davon mehr Einnahmen versprachen. Man darf ihm aber durchaus glauben, wenn er sagt, dass er seine Darsteller nicht zuletzt aus ästhetischen Gründen bat, sich am Strand von Pourville auszuziehen. Ihm war immer daran gelegen, nackte Körper in Bezug zum Weiß der Kreidefelsen und des Strandes und dann, in den Farbfilmen, auch zum Meerwasser zu setzen, das dort sehr grün ist. Den Pornostar Brigitte Lahaie, die in mehreren seiner Filme mitwirkt, inszenierte er am liebsten wie eine Statue. Es hatte auch mit den Arbeiten der Bildhauer und Steinmetze zu tun, nicht nur mit Nekrophilie, wenn ihn Friedhöfe magisch anzogen. Besonders gern legte er nackte Jungfrauen auf Grabplatten, um die Struktur der Haut mit jener der Steine zu vergleichen.

Les femmes vampires

Der Kritiker des Figaro warnte seine Leser vor einem Film, den nur ein Haufen von aus dem Irrenhaus entsprungenen Besoffenen gemacht haben könne. Das mit dem Irrenhaus war nicht ganz falsch, was dieser Herr aber nicht wusste; hinter solchen Anwürfen verbarg sich die Empörung über die Nacktheit, die man insbesondere in der konservativen Presse lieber gar nicht thematisieren wollte. Le viol du vampire ist nie pornographisch und aus heutiger Sicht – was den Sex angeht – auch ziemlich zahm. Für einen Spielfilm von 1968 war er sehr gewagt. Das wurde durch die Umstände möglich, unter denen er entstanden war. Für Zensoren ist die von ihnen angenommene Verbreitung eines Werks sehr wichtig. Abendfüllende Spielfilme finden in der Regel ein größeres Publikum als Kurzfilme. Le viol wurde in Form von zwei Kurzfilmen bei der Zensurbehörde eingereicht, die deshalb Dinge erlaubte, die sie bei einem Spielfilm verboten hätte.

Teil 2: Piraten, Dämonen und zitternde Pornographen

Vampire müssen nackt sein (29 Bilder)

Les démoniaques