Honduras-Krise setzt sich fort

Streit um Beteiligung an Wahlen vom Sonntag. Deutsche Liberale verteidigen international umstrittenen Urnengang

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Auch nach den international umstrittenen Wahlen (Honduras spaltet Brasilien und die USA) in Honduras setzt sich die Staatskrise fort. Die Kandidaten der Oberschicht, die den Putsch von Ende Juni unterstützen, feierten die Abstimmung in der Nacht zum Montag als Sieg der Demokratie. Vertreter der Demokratiebewegung hingegen bezeichnen den Urnengang als gescheitert.

Weniger als 30 Prozent der rund 4,5 Millionen Abstimmungsberechtigten hätten an den Wahlen des Präsidenten, der Bürgermeister und Abgeordneten für die Nationalversammlung teilgenommen. Die von den Putschisten kontrollierte Wahlbehörde TSE gab die Beteiligung hingegen mit 61 Prozent an. Für den Tag nach der Wahl kündigte die Nationale Widerstandsfront gegen den Staatsstreich neue Demonstrationen an. Das Protestbündnis hatte ebenso wie die letzte demokratisch gewählte Regierung von Präsident Manuel Zelaya zum Boykott der Abstimmung aufgerufen.

In einem Kommuniqué rief das Protestbündnis aus sozialen Organisationen und der politischen Opposition gegen das Putschregime in der Hauptstadt Tegucigalpa erneut zu einem Protestmarsch auf. „Unsere Organisation hat ein landesweites Monitoring durchgeführt“, heißt es in der Erklärung. Die Erhebung habe die „klare Wahlenthaltung der Mehrheit der honduranischen Bevölkerung“ ergeben. Die Putschregierung versuche indes „krampfhaft, der internationalen Öffentlichkeit eine hohe Wahlbeteiligung vorzutäuschen“. Ein Blog der Demokratiebewegung veröffentlichte Fotos von Abstimmungslokalen, die den Angaben zufolge stapelweise Ausweise zeigen – jedoch keine Wähler.

Gleiche Sprachwahl bei Regime und Naumann-Stiftung

Bei den Unterstützern des Regimes herrschte am Wahlabend Einigkeit: Die Kandidaten der beiden großen Parteien, Elvin Santos und Porfirio Lobo, sowie Machthaber Roberto Micheletti sprachen sich gegenseitig zu. Santos, der für die Liberale Partei angetreten war, gestand seine Niederlage am späten Abend umgehend ein und sicherte Lobo seine „loyale Opposition“ zu. Micheletti führte die angeblich hohe Wahlbeteiligung als Beleg dafür an, „dass die Honduraner in Demokratie und Freiheit leben wollen“. Dies müssten „andere Staaten“ endlich anerkennen.

Beistand bekam der Diktator om Leiter des Bereiches internationale Politik der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung (FNS). „Das waren transparente, faire und saubere Wahlen“, sagte Harald Klein im Interview mit der Tageszeitung Die Welt, während die Demokratiebewegung zu neuen Protesten aufrief. In einem Bericht im Internet bestätigte der FNS-Büroleiter in Tegucigalpa die These einer hohen Wahlbeteiligung. Zugleich gibt sein Kurzbericht ein Zitat des Stiftungsvorsitzenden und FDP-Bundestagsabgeordneten Wolfgang Gerhardt wieder: „Die Wahlen in Honduras sind eine Chance zur Lösung der Krise“, sagte Gerhardt demnach. Dies zeige die hohe Wahlbeteiligung. Unabhängige Organisationen, die Organisation Amerikanischer Staaten und UNO hatten keine Beobachter nach Honduras entsandt.

Kritik an der Wahl kommt nicht nur von Anhängern Zelayas. Die kubanische Nachrichtenagentur Prensa Latina zitiert den Jesuiten und Journalisten Ismael Moreno. Der Geistliche und Direktor der Radiostation Progreso trat entschieden den Darstellungen des TSE entgegen, wonach am Sonntag eine der höchsten Wahlbeteiligungen in der Geschichte des Landes verzeichnet wurde. Dies ließe sich nur erklären, wenn eine entsprechende Entscheidung vorab getroffen wurde, so Moreno.

In einem per E-Mail verbreiteten Bericht nährte auch die Bürgerrechtsorganisation CHAAC die Zweifel an einem sauberen Ablauf: „Unmittelbar nach Schließung der Wahllokale begannen die putschnahen Medien zu verbreiten, dass dies die transparentesten, reinsten und am stärksten wahrgenommenen Wahlen in der Geschichte von Honduras gewesen seien“, heißt es in dem Bericht: „Zugleich belegten die Fernsehbilder eine sehr geringe Beteiligung.“ Die Organisation verweist auch darauf, dass die Darstellung der Machthaber bis hin zur gleichen Terminologie von willfährigen „Wahlbeobachtern“ wiederholt wurde.

Kritik von Menschenrechtsorganisationen und Opposition in Berlin

Auch Menschenrechtsorganisationen sehen die Lage in dem mittelamerikanischen Land weitaus kritischer als die Unterstützer des Putschregimes. Noch am Freitag hatte die Kopenhagen-Initiative für Zentralamerika (CIFCA), ein internationaler Zusammenschluss von regional tätigen Nichtregierungsorganisationen, die EU vor einer Anerkennung der Abstimmung gewarnt. „Es gibt noch nicht einmal die notwendigen Minimalvoraussetzungen, um diesen Wahlprozess als demokratisch, legitim und transparent zu bezeichnen“, hieß es in einer Erklärung.

Bislang haben die USA, Panama, Costa Rica, Peru und Kolumbien den Abstimmungsprozess anerkannt. Die deutsche Regierung hält sich offiziell bedeckt. Am Mittwoch wird sie den Auswärtigen Ausschuss und den Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung im Bundestag über ihre Position gegenüber den Wahlen in Honduras unterrichten.

Die Opposition in Berlin fordert schon jetzt eine klare Distanzierung. Die Bundesregierung dürfe Porfirio Lobo nicht als rechtmäßigen Repräsentanten von Honduras anerkennen, schrieb Wolfgang Gehrcke, der außenpolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag. „Unter den Bedingungen eines Putsches sind keine demokratischen Wahlen denkbar“, so Gehrcke weiter.

„Nach den am Sonntag durchgeführten (Schein-)Wahlen ist die Lage in Honduras nun noch komplizierter geworden“, meinen auch die Bundestagsabgeordneten Thilo Hoppe und Hans-Christian Ströbele von den Grünen. Die große Mehrheit der lateinamerikanischen Staaten werde das Ergebnis nicht anerkennen, heißt es in ihrer gemeinsamen Erklärung. „Die Europäische Union, die den Putsch klar verurteilt und sich geweigert hatte, die von den Putschisten veranstalteten Wahlen durch die Entsendung von Beobachtern zu legitimieren, ist jetzt ratlos und tut sich schwer damit, eine gemeinsame Position zu finden“, konstatieren Hoppe und Ströbele. Die Bundesregierung müsse nun erklären, ob sie die ablehnende Grundposition der Organisation Amerikanischer Staaten teilt oder durch vorschnelle Anerkennung von Pepe Lobo dazu beiträgt, dass die Rechnung der Putschisten aufgeht.

Iberoamerikanischer Gipfel plant Deklaration zu Honduras

Natürlich ist aber nicht nur die Haltung Deutschlands entscheidend, sondern vor allem die der amerikanischen Staatengemeinschaft. Und der Kontinent ist gespalten. Die US-Regierung unter Präsident Barack Obama hat den Putschisten schon im Vorfeld einen Persilschein ausgestellt: Das US-Außenamt hatte vor rund zwei Wochen erklärt, den Wahlprozess in Honduras anzuerkennen. „Unser Kompliment gilt der honduranischen Bevölkerung, die ihr demokratisches Recht wahrgenommen hat“, hieß es nun auch im State Departement. Der Wahlprozess habe zudem vor einem Jahr und damit „lange vor dem Staatsstreich vom 28. Juni“ begonnen. Dieser Linie schlossen sich bisher Costa Rica, Peru und Panama an. Brasilien, Argentinien, Venezuela und andere Staaten der Region lehnen eine Anerkennung der Wahlen unter dem Putschistenregime jedoch weiterhin ab.

Große Bedeutung wird in dieser Situation dem XIX. Iberoamerikanischen Gipfel beigemessen, der gestern in Portugal begonnen hat. Das honduranische Putschregime ist an dem Treffen der Staats- und Regierungschefs Lateinamerikas, der Karibik und der iberischen Staaten nicht beteiligt. Stattdessen kam Zelayas Außenministerin Patricia Rodas in den Küstenort Estoril. Den Beteiligten sei klar, „dass die Lage in Honduras Auswirkungen auf alle Staaten der iberischen Gemeinschaft hat“, sagte gegenüber Telepolis der honduranische Botschafter in Deutschland, Roberto Martínez Castañeda. In der globalisierten Welt könne die Krise nicht isoliert gesehen werden. „Spanien und Portugal stehen uns kulturell näher“, so der Diplomat und Putschgegner: „Sie können unseren Standpunkt in der EU vermitteln.“ Von Deutschland erwarte er, dass die hiesige Regierung die europäische Haltung zumindest mitträgt, so Martínez Castañeda weiter. Auf dem Gipfel in Portugal, an dem Martínez Castañeda teilnimmt, soll eine Sondererklärung zu Honduras verabschiedet werden.