Südlicher Wiedergänger

Left4Dead 2: Sinnvolle Evolution - oder nur Geldmacherei?

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Left4Dead 2 steht bereits ein Jahr nach dem Vorgänger in den Regalen. Die Fortsetzung des innovativen Koop-Shooters zum Vollpreis bietet wenig bahnbrechend Neues, verbessert aber das Spielkonzept in mehr oder weniger entscheidenden Details.

Wenn die absolute Zielgruppe, die leidenschaftlichen Fans des eigenen Titels, zu Tausenden Boykott-Aufrufe für die Fortsetzung unterschreiben, ist das kein gutes Zeichen. Als Valve bereits heuer im Frühjahr auf der E3 ankündigte, eine Fortsetzung des äußerst erfolgreichen Zombie-Koop-Shooters Left4Dead (PC, Xbox360), der vor etwa genau einem Jahr erschienen war, zum Vollpreis in die Läden zu stellen, formierte sich der Widerstand in den Foren. Der Grund für die Kundenempörung: Valve hätte den gelungenen ersten Teil noch längst nicht so ausführlich mit Updates, Erweiterungen und Detailverbesserungen zum Nulltarif unterstützt, wie es die verwöhnten Fans des renommierten Entwicklers aus dem US-Bundesstaat Washington gewohnt waren.

Weltuntergangsstimmung bei Abendrot: Der Süden der USA bietet atmosphärische Abwechslung zum dunklen Vorgänger.

Vor allem mit Team Fortress 2 hatte Valve den Gold-Standard für vorbildliche Langzeitkundenbetreuung festgelegt: Auch Jahre nach der Veröffentlichung des Team-Shooters verwöhnte man die Spieler mit neuen Waffen, neuen Upgrades und perfekt inszenierten kleinen Teaser-Filmen, die regelmäßig überzeugte Spieler als auch Neueinsteiger erfreuten. Statt den ersten Teil der Zombie-Apokalypse nun ebenso vorbildlich um die versprochenen neuen Kampagnen und Spielelemente zu erweitern, bete Valve nun erneut die Fangemeinde zur Kasse, statt maximal eine günstige Erweiterung anzubieten, so die erbosten Fans - über 40.000 Spieler schlossen sich dem Boykottaufruf an.

Der von Zombies überrannte Vergnügungspark zitiert Horrorfilm-Klischees.

Protest mit kurzem Atem

Dass der zweite Teil, der seit wenigen Wochen nun erhältlich ist, unter den martialischen Protesten in den Blogs und Foren signifikant zu leiden gehabt hätte, ist unwahrscheinlich. Valve verstand es aber trotzdem, durch clevere Überzeugungsarbeit das Wutgeheul noch rechtzeitig vor Release zum Schweigen zu bringen: Anfang Oktober zogen die Initiatoren des größten Boykottaufrufs in der Geschichte der Videospiele selbigen zurück - Valve, so die Begründung, habe glaubhaft versichern können, dass sowohl der Support für den Vorgänger wie versprochen aufrechterhalten werde als auch unter Beweis gestellt, dass es gute Gründe für die Veröffentlichung des Nachfolgers als eigenständiges Vollpreisprodukt gebe.

Die Begründung für den überraschenden Kuschelkurs der zuvor noch offensiv gegen die Entwickler argumentierenden Revolutionsführer mag wohl auch darin zu finden sein, dass die zwei Initiatoren des Boykotts von Valve höchstpersönlich ins Hauptquartier eingeflogen wurden, um dort vor Ort von ihrem Protest abgebracht zu werden - eine kleine Bestechung, die große Wirkung zeigte, auch wenn die Forderungen des Boykott-Manifests im Endeffekt großteils nicht erfüllt wurden.

Als Geste war die Einladung der zwei Internet-Querulanten ein genialer Schachzug, ebenso wie die wenige Wochen darauf als Reaktion von Fans durch Spenden finanzierte Einladung des Valve-Chefs Gabe Newell nach Australien zu einem Modder: Valve, so signalisierte man durch beide Aktionen, nimmt seine Fans ernst. Dass der Entwickler nach dem medialen Entrüstungssturm in der ersten Hälfte des Jahres nur wenige Monate darauf wieder mit weißer Weste und ungebrochenem Ansehen bei der anspruchsvollen Zielgruppe dasteht, ist ein Triumph gewitzter Krisen-PR. Und Left4Dead 2 findet sich wie geplant vor Weihnachten wohl auch auf den Festplatten der meisten Boykott-Unterzeichner - zum Vollpreis, versteht sich.

Mehr Gegner, mehr Nahkampf, mehr Härte: Auch erfahrene Spieler haben am neuen Schwierigkeitsgrad zu knabbern.

Im Süden wenig Neues

Die Grundregeln sind dieselben geblieben wie beim Vorgänger: Vier menschliche Spieler müssen sich in der Kampagne kooperativ durch Horden computergenerierter Zombies zum Levelende vorkämpfen; im Versus-Modus übernehmen echte Menschen die Steuerung besonders starker Boss-Infected mit verschiedenen Eigenschaften. Das neue Setting im Süden der USA, rund um das von Katrina noch medial als Katastrophengebiet im kollektiven Gedächtnis vorhandene New Orleans, die vier neuen Hauptfiguren, neue Gegnertypen und sinnvolle Nahkampfwaffen erweitern den im direkten Vergleich jetzt fast spartanisch erscheinenden Vorgänger durchaus sinnvoll.

Tempo und Schwierigkeitsgrad wurden merklich angezogen, die neuen Boss-Infected vereiteln liebgewonnene Abwehrtaktiken und die bekannten Crescendo-Events, die spielerischen Höhepunkte des Originals, wurden anspruchsvoll zu Gauntlet-Events erweitert, in denen die Spieler bei endlos nachströmenden Gegnerhorden bestimmte Aufgaben absolvieren oder hindernisreiche Strecken zurücklegen müssen. Auch die neuen Spielmodi Scavenger und Realism sorgen für Abwechslung, der ebenfalls vorhandene Survival-Modus wurde auch schon beim Vorgänger per kostenlosem Upgrade nachgereicht.

Trotz all dieser Neuerungen, und auch trotz all der Verbesserungen an Spielrhythmus und Balance, lässt Left4Dead 2 aber an manchen Stellen die Liebe zum Detail vermissen, die Valves Spiele ansonsten überall aus der Masse hervorhebt. Das apokalyptische Szenario bietet zwar größere und erfrischend andere Settings zum Vorgänger, ist aber, etwa in Form von diesmal weit weniger vorhandenen Graffiti anderer Überlebender, merklich weniger detailverliebt.

Auch die vier Überlebenden, die in automatisch ablaufenden filmischen Dialogen die dünne Story vorantreiben, sind schwächer charakterisiert und nicht die Instant-Popikonen des Vorgängers. Ein unverständliches, aber bezeichnendes Detail sind die nach wie vor als Filmplakate gestalteten Ladebildschirme der Kampagnen: Die Achtlosigkeit, mit der die Concept-Artworks hier verpixelt und technisch schlecht ins fertige Endprodukt geraten konnten, wirft kein besonders gutes Streiflicht auf die ansonsten für Perfektionismus und Feinschliff bekannten Produktdesigner bei Valve.

Ob Valve hier wie gewohnt nachbessert und auch wie versprochen den Vorgänger nicht verstauben lässt, muss sich erst zeigen. Freunde des immer noch motivierenden Spielprinzips finden abgesehen von den erwähnten, nicht spielrelevanten Details eine durch neue Härte motivierende Neuauflage des bewährten Originals mit einigen Verbesserungen. Left4Dead 2 ist somit - wie der Vorgänger - ein durchaus empfehlenswertes, düsteres Spiel mit gewohnten Stärken und neuen Herausforderungen geworden, das filmreife Kooperationsdramen mit Weltuntergangsatmosphäre bietet.

Die Vorwürfe der Fans kann Valve allerdings mit diesem Nachfolger nicht ganz entkräften: Bei dieser Vorgeschichte erscheint Left4Dead 2 leider trotz aller Versprechungen als Vollpreistitel etwas brustschwach. Die hohen eigenen Maßstäbe konstant zu überbieten, fällt einem Klassenprimus naturgemäß nicht leicht - auch wenn man noch so gerne von seinen Fans geliebt werden will.

Das Intro stimmt auf das neue Setting, die neuen Hauptfiguren und neue Herausforderungen ein.