Purpose Driven Nation

Der evangelikale Musterstaat Uganda debattiert die Todesstrafe für Schwule

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Bis Mittwoch sah es so aus, als ob das Parlament von Uganda in zwei Wochen einen Gesetzentwurf verabschieden würde, der für homosexuelle Handlungen von HIV-Infizierten und Wiederholungstätern die Todesstrafe vorsieht. Nach einem sprunghaften Anstieg der internationalen Aufmerksamkeit ruderte James Nsava Buturo, der Minister für Ethik, Anstand, Information und Medien, zwar etwas zurück und meinte, dass man dieses Detail noch beraten werde - allerdings haben es auch die anderen Elemente des neuen Anti-Homosexuellen-Gesetzes in sich.

Einfache homosexuelle Handlungen sollen mit lebenslanger Haft bestraft werden, auf Kuppelei oder andere Formen der Beihilfe stünden sieben Jahre Gefängnis und ein Verschweigen von homosexuellen Akten Dritter könnte einem Mitwisser bis zu drei Jahren Haft einbringen. Selbst dann, wenn das Delikt im Ausland begangen wurde (wo es häufig gar keines ist) will Uganda Schwule bestrafen. Bisher gilt so etwas lediglich für Landesverrat und Terrorismus, nicht aber beispielsweise für Mord.

Volksgruppen in Uganda. Karte: Mark Dingemanse. Lizenz: CC-BY 2.5

Die expliziten Vorbilder der Politiker, die das Gesetz auf den Weg brachten, kommen Kritikern wie dem anglikanischen Geistlichen Kapya Kaoma oder dem Findamentalismusexperten Jeff Sharlet zufolge aus den USA: Darunter beispielsweise der Prediger Scott Lively, der in seinem Buch The Pink Swastika Zusammenhänge zwischen Homosexualität und Imperialismus herzustellen versucht. Lively erklärte mittlerweile, dass ihm die in Uganda geplanten Regelungen "zu weit" gehen würden.

Einer der lautesten ugandischen Befürworter des neuen Gesetzes ist der evangelikale Prediger Martin Ssempa, der Miturheber der auf Abstinenzkampagnen basierenden Aidspolitik des Landes ist und enge finanzielle Verbindungen in die USA hat. Der ehemalige Ostafrika-Meister im Breakdance, der gerne öffentlich Kondome verbrennt, veranstaltete vor zwei Jahren einen Protestmarsch gegen homosexuelle "Agenten und Aktivisten", die seine Heimat "infiltrieren" würden. Für seinen Anti-Schwulen-Feldzug schloss Ssempa im Sommer auch ein Bündnis mit islamischen Religionsführern, die sich seiner Kampagne "Kick Sodomy out of Uganda" anschlossen. Ssempa betonte bei dieser Gelegenheit die Gemeinsamkeiten der beiden Gruppen bezüglich ihrer Sicht auf Ehe und Familie.

Richard Warren. Foto: UpstateNYer/All About You God. Lizenz: CC-BY 2.0

Der Soziologie-Bachelor galt lange als Vertrauter Richard Warrens, dem Autor des evangelikalen Bestsellers The Purpose Driven Life, weil er nicht nur in dessen kalifornischer Saddleback Church, sondern auch mit dem Prediger und seiner Familie persönlich verkehrte. Im Oktober gab Warren allerdings bekannt, dass er den Kontakt zu Ssempa bereits seit geraumer Zeit abgebrochen habe und dieser weder seine Ansichten noch die seiner Frau oder seiner Kirche repräsentieren würde. Warren sprach zwar von "ernsten Meinungsverschiedenheiten" mit dem Ugander, wollte sich aber nicht explizit gegen das geplante Anti-Homosexuellen Gesetz aussprechen. Gegenüber Newsweek meinte Warren, es sei nicht seine "Berufung" als Pastor in die Politik anderer Länder einzugreifen. Eine Äußerung, die verwundert, wenn man bedankt, dass der 2005 zu den 100 einflussreichsten Personen weltweit gerechnete Kalifornier genau das in der Vergangenheit ausgesprochen intensiv betrieb - vor allem in Ostafrika.

Dort hatte der ruandische Präsidenten Paul Kagame Warrens Purpose-Driven-Ideologie 2005 zur Staatsdoktrin erhoben und erklärt, dass sein Land (das ebenfalls gerade an einem Anti-Schwulen-Gesetz arbeitet) zur ersten "Purpose Driven Nation" werden solle. Dieser auf einer Metapher des Management-"Gurus" Peter Drucker basierenden Lehre Warrens zufolge sollen Regierungen eng mit Religionsführern zusammenarbeiten.

Nach Kagames Erklärung durften der Saddleback-Pastor und 48 weitere amerikanische Evangelikale gemeinsam mit ruandischen Ministern, Gouverneuren und Unternehmern die Zukunft des Landes planen. Anschließend schickte Warrens Netzwerk von "Purpose Driven Churches" neben Geld auch tausende von Amerikanern ins Land, die Einheimische unterwiesen. Dass Paul Kagame eine durchaus zwielichtige Figur ist, die verdächtigt wird, sich sowohl direkt als auch über den Tutsi-Warlord Laurent Nkunda völkerrechtswidrig am Bürgerkrieg im Osten des Kongo beteiligt zu haben, störte die Evangelikalen offenbar nicht weiter. Im März 2008 startete Warren ein weiteres Programm zum "Purpose Driven Living" und bereiste das zweite Land, dass eine "Purpose Driven Nation" werden sollte: Uganda.