Nur 22 Prozent haben keine Angst vor dem Islam

Die Schweizer sind in ihrem Antiislamismus keine Ausnahme und haben die ausländerfeindlichen Rechten in Deutschland oder Österreich gestärkt

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Die Schweizer haben mit ihrer mehrheitlichen Zustimmung zu einem Minarettverbot nur klar gemacht, dass sich die stereotype Angst vor Ausländern jetzt wieder an Muslimen, dem historischen Konkurrenten und Erbfeind des Christentums, festgemacht hat. Der gegen die Juden gerichtete Antisemitismus ist mit denselben Schablonen auf den Antiislamismus übergegangen. Wo früher Synagogen brannten, könnten womöglich jetzt Moscheen an der Reihe sein.

Die Schweizer stehen bekannter Maßen keineswegs allein. Wie eine von der ARD beauftragte Umfrage von Infratest dimap nun ergab, scheinen die Deutschen zumindest noch zurückhaltender zu sein und sich von den Hasspredigern nicht wirklich anstecken zu lassen. Nur ein Fünftel der Befragten (22%) sagen, sie machen sich keine "Sorge, dass sich der Islam in unserer Gesellschaft ausbreitet". 36 Prozent machen sich "große Sorgen", 39 Prozent "ein wenig Sorge".

Das lässt darauf schließen, dass bei drei Viertel der Menschen mehr oder weniger große Angst oder Abwehr gegenüber Muslimen vorliegt. Nach einer emnid-Umfrage im Auftrag von Bild am Sonntag sprachen sich allerdings "nur" 38 Prozent für ein Minarettverbot aus, 48 Prozent waren dagegen.

Die von Rechten in die Gänge gebrachten und für ihre Zwecke instrumentalisierten Proteste gegen Moscheen sind dafür ein deutlicher Ausdruck. Die NPD, einst eher in ihrem Antisemitismus islamfreundlich, versucht die Stimmung schon seit langem auszubeuten und anzufeuern. Dazu wurde nach dem Schweizer "Erfolg" eine Anti-Minarett-Kampagne gestartet, um den "weiteren Bevölkerungsaustausch zu verhindern und den Widerstand gegen Islamisierung und Überfremdung bestmöglich zu bündeln". Verlangt wird eine Abstimmung wie in der Schweiz. Rhetorisch setzen die Ausländerfeinde auf eine Vereinigung der "inländerfreundlichen Kräfte".

Eröffnet wurde auch ein Forum zum Sammeln von antimuslimischen Äußerungen. Dort findet man dann den Wortschatz, den man von den Nazis kennt, man muss nur Juden durch Muslime ersetzen, wie das hier etwa der Fall ist:

Robin Classen sagt:

...der Islam eine politische Ideologie mit Weltmachtsanpruch ist und unsere Freiheit, Demokratie und Kultur innerhalb und außerhalb unseres Landes bedroht. Die Minarette sind die deutlichsten Zeichen dieses Machtanspruchs. Entscheidungsträger in diesem Land sind jedoch wir Deutsche, weswegen solche artfremden Machtsymbole hier nichts zu suchen haben.

Oder:

Jan Sturm Berlin-Neukölln sagt:

...sich die Toten der Schlachten von 1529 und 1683 vor den Toren Wien`s im Grabe umdrehen würden, könnten sie Europa heute sehen. Moscheen und ihre Minarette sind keine Zeichen der Integration, wie uns die Volksverräter und Wahlbevölkerungsaustauscher über ihre Medien eintrichtern wollen, sie sind die Zeichen dessen, was man in der Wirtschaft eine "feindliche Übernahme" nennt. Die sogenannte „Integration“ von Ausländern ist eine politische Lüge! Es ist keine Integration, sondern eine gewaltsame Vermischung artfremder Kulturen. …Es ist ein Kampf zwischen gänzlich unterschiedlichen Kulturen. Er wurde innerhalb Deutschlands entfacht und ist zu einem gesellschaftlichen Prozess geworden. Die Assimilation fremden Kulturgutes und die Eliminierung der uns angestammten deutschen Kultur hat bereits zu stetig größer werdenden, sehr bald nicht mehr beherrschbaren sozialen und politischen Spannungen geführt. Am Ende wird die stärkere, die aggressivste Kultur das bestimmende Element sein und die Schwächere, die Tolerante verdrängen, auslöschen!

Multi-Kulti ist also nur die freundliche Umschreibung für Völkermord auf Raten, doch Völkermord bleibt Völkermord.

Ähnlich wie in der Schweiz ist die Stimmung nicht nur in Deutschland. Schon lange kochen die österreichischen Rechten die antimuslimische Suppe und werden immer radikaler. So sagte der Kärntner Landeshauptmann Gerhard Dörfler unlängst: Religionsfreiheit sei "zwar eine Selbstverständlichkeit", sie dürfe "nicht so weit gehen, dass nicht-christliche Religionsbauwerke in Kärnten, in Vorarlberg oder aber in der Schweiz errichtet werden". Schon vor zwei Jahren hat die FPÖ die Aktion "SOS Abendland" gegen die vermeintlich drohende "Islamisierung" gestartet. Nach dem Schweizer Abstimmungsergebnis schätzt man bei den Rechten auf einem die "direkte Demokratie".

In Österreich leben jetzt etwa 400.000 Muslime, nach Statistik Austria sollen es bis 2050 bei einer Gesamtbevölkerung von 9 Millionen um die 2 Millionen werden. Damit lässt sich Stimmung machen. Das führen auch Medien wie Die Presse vor. Unter der Überschrift Mehr Muslime stellt man die "Infrastruktur des muslimischen Lebens" vor, so wird in Österreich im nächsten Jahr der zweite muslimische Friedhof gebaut, während es nun bereits 5 Minarette im ganzen Land gibt. Bei einer Moschee sind zwei kleine Minarette sowieso schon im Innenhof versteckt: "Schließlich findet sich seit 2002 auch noch in Innsbruck ein von Kindern aus Holz errichtetes Minarett, das im Rahmen einer katholischen Aktion erbaut wurde – auf einem Grundstück der Diözese."

Eindrucksvoll stellt die Die Presse eine Grafik vor, die einen atemberaubenden Anstieg der Muslime suggerieren soll:

Dabei beruft man sich auf eine Studie des Instituts für Demografie an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), die natürlich Prognosen aufgrund verschiedener möglicher Szenarien angibt. Die Kurven sehen demgemäß schon ganz anders und weniger aufregend aus: