Ansteckende Emotionen

Einsamkeit, Freude, Neid: Gefühle verbreiten sich wie Krankheiten in unseren sozialen Netzen

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Weihnachten, das Fest der Familie: planen Sie besser genau, wen sie dazu einladen. Erwischen Sie die falsche Person, stecken Sie sich womöglich mit Fettleibigkeit oder mit Einsamkeit an. Mit dem richtigen Gast hingegen fällt es Ihnen anschließend leichter, mit dem Rauchen aufzuhören - oder Sie fühlen sich glücklicher. Forscher weltweit untersuchen, welche Gefühle und Umstände ansteckend sind. Ein Überblick.

  • Einsamkeit: Eine Studie im Journal of Personality and Social Psychology zeigt, dass das Gefühl der Einsamkeit in hohem Maße ansteckend ist. Die Forscher, die Daten der bekannten Framingham Heart Study verwendeten, stellten fest, dass sich einsam fühlende Menschen Schritt für Schritt aus ihrem sozialen Netz verabschiedeten - und dabei auch noch ihren Freunden ein hohes Risiko vererbten, selbst an Einsamkeit zu leiden.
  • Übergewicht: Das New England Journal of Medicine veröffentlichte eine Studie, die zeigt, dass auch Fettleibigkeit zu den sozial ansteckenden Umständen gehört. Wenn ein Freund stark übergewichtig ist, steigt demnach das Risiko, selbst zu dick zu sein, um immerhin 57 Prozent. Genetisch veranlagt ist diese Relation offenbar nicht: Bei Verwandten oder Personen im selben Haushalt liegt das Risiko weit niedriger. Die Forscher vermuten, dass die Ursache in einer veränderten Wahrnehmung liegt: Unbewusst orientieren wir uns auch in unserem Essverhalten an der Umgebung.
  • Rauchentwöhnung: Dem Griff zur Zigarette zu entsagen, fällt uns leichter, wenn wir Vorbilder im eigenen sozialen Netzwerk finden, beweist eine im New England Journal of Medicine veröffentlichte Studie, die ebenfalls auf die Framingham Heart Study zurückgreift. Unter Geschwistern etwa besteht eine 25-prozentige Chance, dass nach dem Rauchstopp des einen auch das andere zu Rauchen aufhört. Kollegen in kleinen Firmen beeinflussen sich zu 34 Prozent (nicht aber in großen Firmen), Freunde zu 36 Prozent. Und wenn ein Ehepartner zum Nichtraucher wird, liegt die Chance, dass das auch dem anderen gelingt, sogar bei 75 Prozent.
  • Über die Stränge schlagen: Nach einer Arbeit im Journal of Child Psychology and Psychiatry ist bösartiges Verhalten, zumindest bei Jungen, ansteckend. In einer über 20 Jahre andauernden Studie untersuchten die Forscher die Karriere von über 700 Jungen ab dem Kindergartenalter - je stärker diese in Kontakt mit anderen Delinquenten kamen, desto eher glitten sie in kriminelle Gefilde ab.
  • Spaß: Dieses Kurzzeit-Gefühl untersuchten Forscher mit Hilfe von Kinobesuchern. Einige mussten sich einen Film allein ansehen, andere mit Freunden. Jeder der Teilnehmer konnte dabei in jeder Szene seine aktuelle Meinung mit Hilfe eines Joysticks aufzeichnen. Das Ergebnis: In der Gruppe synchronisierten sich die Gefühle mit der Zeit - entweder nach oben oder nach unten. Das heißt, ob uns ein Film gefällt, richtet sich auch nach der Reaktion der anderen.
  • Die Schuld auf andere schieben: Auch dieses unangenehme Verhalten ist ansteckend, wie Forscher im Journal of Experimental Social Psychology zeigten. Sie vermuten, dass das vor allem am Angriff aufs eigene Ego liegt, den Menschen so schnell und einfach wie möglich abwehren wollen - vor allem, wenn wir bemerken, wie auch unser Gegenüber sein Ego zu schützen versucht. Die Forscher haben dabei auch den typischen "Schuldschieber" charakterisiert: Zwar neige jeder Mensch zu diesem Verhalten, doch typischerweise gehörten ein defensives Ego, ein narzisstischer Charakter und ein Gefühl der chronischen Unsicherheit dazu.
  • Coupons einlösen: Amerikaner tun's noch viel lieber als Deutsche: Coupons einlösen, um bestimmte Rabatte zu erhalten. Doch obwohl man hinter dem großen Teich allüberall auf solche Coupons trifft, werden sie nur von zwei Prozent aller Kunden genutzt - vor allem wegen des damit verknüpften Stigmas der Armut. Doch Achtung: Auch Menschen, die dem Couponnutzer an der Supermarktkasse nur zufällig an der Kasse begegnen, werden von Umstehenden mit diesem Stigma betrachtet, wie eine Studie im Journal of Consumer Research ergab.
  • Negativität: Wie andere Teilnehmer in unserem sozialen Netzwerk über ein bestimmtes Produkt denken, beeinflusst unsere eigene Meinung darüber, meint ein Paper im Journal of Consumer Research. Dabei stehen vor allem negative Aspekte im Vordergrund. Sie führen nicht nur zu einem Meinungsumschwung von "gut" zu "schlecht", sondern auch von "schlecht" zu "noch schlechter".
  • Glück: Die gute Nachricht zum Schluss - auch Glück gehört zu den ansteckenden Gefühlen, wie Forscher im British Medical Journal zu berichten wussten. Am besten ergeht es uns dabei, wenn unsere Nachbarn glücklich sind, gefolgt von den Freunden - trauriges Schlusslicht ist der eigene Ehepartner, dessen Glück nur zu acht Prozent auf uns abstrahlt.