Zum Glück verstehen Terroristen nichts von Physik

Die „Science Busters“ veranstalteten eine „Global Warming Party“ auf dem Tollwood 2009 in München. Werner Gruber im Vordergrund beim Reinigen der Bühnentreppe mit Stickstoff, in der Mitte Martin Puntigam, im Hintergrund Heinz Oberhummer. Bild: A. Naica-Loebell

Ein Interview mit dem Science Buster Werner Gruber über Sprengstoff, Ananas und Politik

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Der Physiker und Neurowissenschaftler Werner Gruber ist Universitätslektor am Institut für Experimentalphysik der Universität Wien, er unterrichtet dort „Brain Modelling“, physikalische Modelle über das Gehirn. Außerdem beschäftigt er sich mit exotischen Spezialgebieten wie der Physik der Papierflieger und der kulinarischen Physik, über die er ein sowohl spannendes als auch appetitanregendes Buch geschrieben hat (Die Genussformel: Kulinarische Physik, Ecowin Verlag, 2008). Ganz aktuell kann man sich online bei ihm Anregungen für ein optimales physikalisches Weihnachtsmenü holen.

Die „Science Busters“ veranstalteten eine „Global Warming Party“ auf dem Tollwood 2009 in München. Werner Gruber im Vordergrund beim Reinigen der Bühnentreppe mit Stickstoff, in der Mitte Martin Puntigam, im Hintergrund Heinz Oberhummer. Bild: A. Naica-Loebell

Darüber hinaus hat sich Werner Gruber mit dem theoretischen Physiker Heinz Oberhummer und dem Wiener Kabarettisten Martin Puntigam zur „schärfste Science-Boygroup“ des Universums, den Science Busters zusammen getan, um nach eigenen Aussagen zu „Geld, Ruhm und schnellem Sex“ zu kommen, aber auch mit der Absicht, dass „Physik wieder populärer wird als ein eiternder Steißbeinzwilling.“ In Österreich haben die drei längst Kult-Status, ihre immer wieder neu gestalteten Show-Abende im Wiener Rabenhof-Theater sind kontinuierlich ausverkauft. Außerdem verbreiten sie ihre Mixtur aus Spitzenhumor und Topwissenschaft wöchentlich in einer Radiokolumne beim Sender FM4 und in Blogbeiträgen auf ihrer Website, wo wesentliche Fragen wie: „Wie viele Jesusatome sind in jedem von uns?“ geklärt werden (vgl. Der atomisierte Jesus).

Eines ihrer Programme dreht sich um Terror, denn „Bombenbasteln ist nicht sehr schwer. Dass es nur vergleichsweise wenige Menschen als Hobby betreiben, ist daher ein Glück für die Erde.“ Auf höchst amüsante wird unter anderem erklärt, „wie man Uran anreichert, ohne einen Kredit aufzunehmen“, und „weshalb man eine schmutzige Bombe nicht waschen kann und warum man beim Entschärfen einer Kofferbombe weder den schwarzen, noch den roten Draht durchzwicken sollte.“

Telepolis traf Werner Gruber bei der „Global Warming Party“ der Science-Busters auf dem Münchner Tollwood-Festival, um darüber zu sprechen, wie gut es doch für uns alle ist, dass Terroristen nichts von Physik verstehen.

Werner Gruber bastelt an einer Rakete, die dann sofort auf der „Global Warming Party“ der Science Busters auf dem Tollwood abgeschossen wird. Bild: A. Naica-Loebell

Es gibt das Science-Busters Programm über Kofferbomben und Bombenkoffer, oder wie sprenge ich einen Präsidenten. Wie sprengt man denn am besten einen Präsidenten?

Werner Gruber: Mit Sprengstoff. Das Problem ist nur: Wie komme ich an den Sprengstoff? Und dann: Wie bringe ich den Sprengstoff dorthin, wo der Präsident ist? Sie finden im Internet tolle Bedienungsanleitungen, wie man Sprengstoff bauen kann. Harmloser Sprengstoff in dem Sinn, dass man nicht selbst in die Luft geht, wenn man ihn zusammen mischt.

Am berühmtesten ist die so genannte Agrarbombe, die Bauanleitung wurde vom Bauernbund von Wisconsin in den 60er Jahren in einer Broschüre veröffentlicht, als Methode, um Ententeiche zu sprengen. Die Söhne der Bauern waren aber teilweise Studenten, die einen revolutionären Ansatz verfolgten und dann Ententeiche in Industriegebieten sprengten. Das kam nicht gut an.

Aber die IRA war sofort begeistert von diesem Sprengstoff, weil diejenigen, die ihn zusammen bauten, sich nicht mehr so leicht dabei umbrachten. Sie brauchen dazu nichts anderes als Kunstdünger und Dieselöl. Beides sehr einfach zu beschaffen – und wird dann in der richtigen Mischung (die ich natürlich nicht verrate) vereinigt. Sofort haben Sie einen mit TNT vergleichbaren Sprengstoff. Das ist schon einmal ein einfacher und sehr guter Sprengstoff, auf dem man aufbauen kann.

Und wie sprenge ich dann den Präsidenten?

Werner Gruber: Da ist die Frage, wie bringe ich nun die Bombe zum Präsidenten, oder wo auch immer hin? Da gibt es viele Möglichkeiten, zum Beispiel ein funkgesteuertes Flugzeug, die kosten nicht mehr die Welt. Oder Sie deponieren das Paket rechtzeitig am Zielort. Heute gibt es in Elektronikgeschäften so genannte Handyfernsteuerungen, mit denen können Sie Ihre Klimaanlage oder Heizungen zu Hause fernsteuern, die kosten 20 Euro. Dann brauchen Sie nur noch ein Wegwerfhandy, um jederzeit von irgendwo aus die Bombe hochgehen zu lassen.

Man kann auch mit relativ einfachen Mitteln ein Katapult bauen, damit kann man Steine von einem Gewicht bis zu einer Tonne bis zu zwei Kilometer weit schießen. Wenn man ein bisschen was von klassischer Physik, klassischer Mechanik versteht, braucht man sich nur schnell im Internet schlau zu machen und ist ganz vorn mit dabei. Das große Glück ist, dass die ganzen Terroristen nicht lesen können. Wenn man jetzt mal auf das terroristische Umfeld von Osama Bin Laden schaut, die beten den ganzen Tag, aber Technikausbildung haben sie zum Glück keine.

Sollten wir uns darauf verlassen, Hoffnung ist doch kein Konzept der Physik?

Werner Gruber: Es ist ja wenig los, eine fade Zeit für Terroristen. Die haben doch schon lange nichts mehr zusammen gebracht. Vor allem international, wo sind denn die Global Player? Was allerdings angesichts der Pseudo-Überwachung an den Fughäfen gut ist. Das ist immer wieder sensationell, wie da überwacht wird und wie wenig das bringt. Flüssigsprengstoff – das ist doch albern. Um Flüssigsprengstoffe herzustellen, muss man richtig Ahnung und Erfahrung haben. Ich habe da Zweifel, ob die in den vergangenen Jahren bei Attentätern gefundenen Sprengstoffe wirklich funktioniert hätten.

Dabei gibt es relativ einfache Möglichkeiten, ein Flugzeug wirklich zu beschädigen. Was zum Beispiel die wenigsten wissen: Man braucht nur das Quecksilber aus einem Fieberthermometer, wenn man das in einem Flieger verschüttet, wird der nie mehr starten. Das Quecksilber saugt sich in das Aluminium hinein und macht es spröde. Solche Unfälle gab es schon. Das ist nicht besonders spektakulär, aber der Sachschaden ist enorm.

Biokampfstoffe kann man auch ganz leicht selbst herstellen. Wenn man eine Ananas in einen Kunststoffbehälter legt und den ein paar Tage stehen lässt, dann hat man eine abgesonderte Flüssigkeit darin – eines der stärksten Gifte, die es gibt. Wenn Sie das einsetzen, dann erreichen Sie sicher Panik und im Zweifelsfall auch eine hohe Verlustrate. Mit einer gediegenen Ausbildung in Physik, Chemie oder Biologie läge man als Terrorist gleich ganz vorn.

Das klingt ja alles ganz plausibel, aber am 11. September haben die Terroristen doch einen enormen Effekt erzielt. Die Türme des World Trade Center zum Einsturz zu bringen, das war doch sehr beachtlich?

Werner Gruber: Das ist richtig. Das war’s dann aber auch. Ganz ehrlich, wann in den letzten Jahren gab es ein großes Attentat? Die meisten der Anschläge sind doch vernudelt worden, die haben keinen auch nur vergleichbaren Effekt erzielt, oft haben sie nicht so funktioniert, wie das geplant war.

Die große Terrorwarnung und das Versprechen von Sicherheit, das ist doch Blödsinn. Diese Kontrollen an den Flughäfen sind eine unsinnige Belästigung der Passagiere. Als ich kürzlich nach Hamburg flog, musste ich mein Feuerzeug abgeben. Ich brauche kein Feuerzeug, um eine Bombe zu zünden, das ist ein Schmäh! Wenn jemand gut ist, bringt er jederzeit ein Flugzeug zum abstürzen. Ich kann mich gegen Terrorismus, vor allem gegen Selbstmordattentäter, nicht schützen. Wenn das jemand sagt, kann ich nur erwidern: Keine Chance! Sobald jemand bereit ist, sein Leben zu opfern, kann er ein Attentat durchführen.

Der einzige Ausweg ist eine politisch stabile Lage, in der die Menschen ihre Lebensträume verwirklichen können, und ein ruhiges und zivilisiertes Leben haben, ohne Furcht und ohne Angst. Das ist das Einzige, was wirklich etwas nützt.

Was halten Sie von den neuen Scannern und den biometrischen Sensoren? Es gibt ja Ideen künftig automatisch Terroristen an Erregungs-Anzeichen wie verstärktes Schwitzen, Pupillen-Veränderungen und ähnliches als Merkmale für terroristische Absichten erkennen zu können?

Werner Gruber: Gar nichts. Es ist heute möglich, einen Lügendetektor tadellos gezielt zu betrügen, wenn man weiß wie man das anstellen muss. Mit diesen Scannern wollen nur die Sicherheitsfirmen viel Geld verdienen, die kosten Unsummen und sie bringen nichts. Wenn neue Scannersysteme auf den Markt kommen, muss man sich nur darauf einstellen. Wenn ich das weiß, dann brauche ich eben keinen auf Stickstoff basierenden Sprengstoff, sondern einen auf Kohlenstoff-Basis, denn darauf spricht der Scanner nicht an. Das ist ein sinnloses gegenseitiges Hochrüsten, das bringt nichts. Das ist nichts als ein Supergeschäft – und eine Belästigung für alle.

Und dazu kommen die Biowaffen, Milzbrand ist ja noch vergleichsweise harmlos, aber Ebola, Marburg-Virus, diese Erreger lassen sich auftreiben, die können gekauft werden. Alternativ suche ich mir das nächste serologische Institut an einer Universität und breche dort ein, da steht alles aufgereiht.

Es gibt ja bereits die ersten Warnungen von Wissenschaftlern, dass bald interessierte Leute ihre eigenen Biowaffen zu Haus basteln werden, da genetische Manipulation und Biotechnologie für die breite Bevölkerung im Kommen sind?

Werner Gruber: Das gibt es ja jetzt schon. Es können noch nicht viele, aber einige bestimmt. Zudem müssen Sie da gar nicht groß basteln, das können sie sich einfach bestellen. Sie brauchen nur einen Kühlschrank. Ein Beispiel sind die Gifte diverser Bakterien, die lassen sich leicht züchten, da braucht man nichts Aufwändiges.

Ich möchte lieber in einer Welt leben, wo ich entspannt von einem Ort zum anderen reisen kann, weil ich weiß, dass es allen relativ gut geht. Und wenn es allen gut geht, dann gibt es keinen Terrorismus. Das zeigen die historischen Erfahrungen. Es gibt nur eine politische Lösung.

Wenn man das ganze Geld, das in Sicherheitstechnik investiert wird, wenn man diese gewaltigen Summen in Schulen und gute Ausbildungen in den entsprechenden Ländern investieren würde – allein die Kosten für die vielen Scanner auf allen Flughäfen weltweit und deren Betrieb – das wäre viel sinnvoller. Einzelne Verrückte wird es immer geben, aber wenn man den Menschen in einer Gesellschaft insgesamt eine positive Zukunftsaussicht gibt, dann trocknet das die Unterstützung für den Terror aus.

Muss man im Umkehrschluss nicht feststellen, dass die Leute in den berüchtigten Terrorausbildungslagern eine Ausbildung in Physik bekomme sollten?

Werner Gruber: Als Naturwissenschaftler muss ich das bejahen, als Mensch bin ich froh, dass es ist, wie es ist.