Chinesischer Regierung geht die Urbanisierung des Landes zu langsam

Bis 2050, so der Plan der Regierung, sollen 65 Prozent der Menschen in Städten leben

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Schon lange versucht China die Urbanisierung der Bevölkerung zu verstärken. Man glaubt, dass nach dem Vorbild der Industriestaaten, die Verstädterung der Gesellschaft die Modernisierung und den Fortschritt vorantreibt (Urbanisierung ist Modernisierung).

Obgleich die Urbanisierung in China explosiv voranschreitet, neue Megacities entstehen und Dutzende von Millionenstädten sich bilden und mit unheimlicher Geschwindigkeit wachsen, hängt das Land gegenüber den westlichen Industriestaaten noch weit hinterher, berichtet die Chinesische Akademie der Sozialwissenschaften. Noch nicht einmal die Hälfte der Menschen leben derzeit in Städten. 2010 wird noch immer die Mehrheit der Chinesen in Dörfern leben, erst 48 Prozent in Städten. Ende 2007 lebten insgesamt 590 Millionen Menschen in Städten. Zwischen 1996 und 2005 sind fast 200 neue Städte herangewachsen.

In den westlichen Industriestaaten leben hingegen mehr als 70 Prozent, in manchen Regionen schon 90 Prozent der Menschen in Städten und urbanen Regionen. Großbritannien war das weltweit erste urbanisierte Land, in dem bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts über die Hälfte der Menschen in Städten lebten, was etwa in Frankreich oder Deutschland erst nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgte. Aber in China geht alles sehr viel schneller und gewaltiger. Bis 2025 sollen 350-400 Millionen Menschen – mehr als die Gesamtbevölkerung der USA - zusätzlich in Städten leben, bis 2030 könnte sich so die Stadtbevölkerung auf eine Milliarde verdoppelt haben – innerhalb von nur 22 Jahren.

Alles daran ist schon jetzt gigantisch, die Wanderbewegungen vom Land in die Städte, die resultierende Umstrukturierung von Land und Städten, die Baumaßnahmen, die Suburbanisierung und Versiedelung von landwirtschaftlich nutzbarem Boden, die Probleme der Energie- und Wasserversorgung, die Umweltverschmutzung, der Ausbau der Transportinfrastruktur mit Straßen, Dutzenden von neuen Flugplätzen oder zahlreichen neuen Massentransportmitteln. Schon jetzt ist China die größte Baustelle der Welt, zwei Milliarden Quadratmeter wachsen die urbanen Regionen jährlich.

Nach der Studie "Preparing for China's urban billion" (2008) von McKinsey wird es bis 2025 über 200 Städte mit einer Million Einwohnern entstehen, davon 23 mit mehr als 5 Millionen. Zu den Megacities Peking und Schanghai werden weitere sechs Städte mit mehr als 10 Millionen Einwohnern kommen. Zwei Städte werden mehr als 20 Millionen Einwohner haben. Prognostiziert wird der Bau von 40 Milliarden Quadratmetern an Gebäudeflächen und von 20-50.000 neuen Türmen mit mehr als 30 Stockwerken. Am schnellsten wachsen dürften die Megacities und die mittelgroßen Städte, die 1,5-5 Millionen Einwohner haben. Die kleineren Städte hingegen verlieren an Dynamik, da die wirtschaftliche Bedeutung der Megacities weiter zunimmt. In den beiden Mega-Mecacities konzentriert sich nicht nur das Bruttosozialprodukt, sondern auch die reiche Gesellschaftsschicht. Mehr als 40 Prozent sollen dann hier zu finden sein – wenn der Wirtschaftsboom Chinas weiter anhalten sollte.

Doch in China scheint das alles zu langsam zu sein. Erst 2012 oder 2013 wird die Hälfte der Bevölkerung in Städten leben. Das aber ist noch immer unter dem weltweiten Durchschnitt von 55 Prozent. Ein Vertreter der Akademie wiederholte die Hoffnung, dass die Urbanisierung den chinesischen Konsum und damit die Wirtschaft nachhaltig stärke. Man überlegt offenbar, den 200 Millionen Wanderarbeitern, die ihr Geld, das sie in den Städten verdienen, bislang nach Hause aufs Land schicken, die Genehmigung zu erteilen, mit ihren Familien in die Städte zu ziehen. So könne ein "großes Konsumpotenzial ausgeschöpft" werden. Nach Berechnungen würde eine um 1 Prozent höhere Verstädterungsrate bedeuten, dass 10 Millionen mehr Menschen in die Städte und Megacities auswandern. Dadurch würde die Nachfrage um 1,6 Prozent wachsen und die wirtschaftliche Entwicklung gestärkt werden, aber auch der Immobilienmarkt würde profitieren.

Bis 2050 sollen, so der Plan der kommunistischen Regierung, 65 Prozent der Menschen in Städten leben. "Das bedeutet, dass in den nächsten 40 Jahren die Urbanisierungsrate ein Wachstum von 20 Prozent erzielt", so Yang Yiyong, der stellvertretende Leiter des Instituts für soziale Entwicklung der Nationalen Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC). "300 Millionen Landbewohner werden bis dahin zu Stadtbewohnern werden." Aber 40 Jahre sind politisch und gesellschaftlich eine lange Zeit.