St. Adecco und Co.

"Sozial ist, was Arbeit schafft" - und den armen, arbeitssuchenden Politikern, die aus ihren Ämtern ausscheiden und sich vor Langeweile und gesellschaftlichem Abstieg fürchten, hilft die Wirtschaft selbstlos aus

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Der heilige St. Martin alias Martin von Tours machte es (zumindest der Legende nach vor): Er teilte seinen Mantel mit einem Bettler, auf dass dieser nicht friere. Heutzutage, da der Klimawandel uns ja die globale Erwärmung beschert, müssen wir uns eher vor der sozialen Kälte schützen, die uns spätestens mit Eintritt in die Arbeitslosigkeit um die Nase weht. Eine bislang eher selten in diesem Zusammenhang beachtete Gruppe Menschen muss zwangsläufig stärker unter der sozialen Kälte leiden als andere, da sie während ihrer beruflichen Tätigkeit Gesetze etablierte, die das vor Plasmafernseher und Playstation dahindarbende Volk, das Leitungwasser als Zumutung ansieht, nicht versteht: Politiker. Während ihrer Amtszeit von Bauchschmerzen und ähnlichen gesundheitlichen Problemen geplagt, sind sie danach geradezu hilflos den Folgen der Arbeitslosigkeit ausgeliefert. Was tun, wenn ihnen niemand mehr regelmäßig das Mikro entgegenhält, auf dass sie sich zu den politischen Themen äußern können? Wohin mit all der Freizeit? Und wie soll man damit umgehen, dass man nun zu den Parias gehört, die keine Erwerbstätigkeit aufweisen können?

Glücklicherweise gibt es in solchen Momenten selbstlose Schutzpatrone, die eingreifen. Eben noch vor den Trümmern der Existenz stehend, verzweifelt überlegend, wie man das Leben nun ohne Erwerbsarbeit ausfüllt und ob man sich demnächst noch Zigarren und Co (also das Existenzminimum) leisten kann, erhalten die schutzsuchenden Neuarbeitslosen dann das Mäntelchen des Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieds. Fair, wie man es von der Wirtschaft gewohnt ist, werden hier auch keine 1-Euro-Jobs vergeben, sondern die Arbeit leistungsorientiert vergütet. Hierbei nutzen die Unternehmen nicht mehr veraltete Ideen wie Assessment-Center, sondern bewerten mit sicherem Blick die Qualifikationen des Expolitikers anhand seiner Leistungen während der Amtszeit.

Erfolgreich vermittelt: Otto Schily

Die Firma Safe ID Solutions beispielsweise nahm sich des frustrierten Ex-Innenministers Otto Schily an, der sich nach seinem Ausscheiden aus der Politik fragen musste, was er denn neben der Tätigkeit als Rechtsanwalt (und der Verweigerung der Offenlegung der Einkünfte) den lieben langen Tag tun sollte. Die Unterhachinger Firma schmiss die Suchmaschine an, prüfte die Qualifikationen des Herrn Schily und befand, dass er aufgrund seines Engagements bezüglich des biometrischen Reisepasses ganz gut in den Aufsichtsrat passen würde. Und da Herr Schily noch immer über mangelnde Auslastung klagte, griff der Iriserkennungsspezialist Byometric Systems ein und bot selbstlos einen Aufsichtsratsposten an. Die Qualifikationen des Herrn Schily waren hier offensichtlich, sodass auf einen Einstellungstest verzichtet werden konnte. Bedauerlicherweise zeigte sich bei diesem Fall ein starker Sozialneid, sodass der erfolgreich vermittelte Otto Schily sich sogar dafür verteidigen musste, dass er trotz seines fortgeschrittenen Alters nicht in die Arbeitslosigkeit abrutschen wollte.

Erfolgreich vermittelt: Wolfgang Clement

Auch der Ex-Superminister wurde vor dem sozialen Abstieg bewahrt. Das Zahlengenie, das auch heute noch Hartz IV als positive Entwicklung ansieht, die mehrheitlich von den Betroffenen kritisiert wird, da diese "vor größeren Herausforderungen" bei der Arbeitssuche stehen, konnte selbst diese Herausforderung mithilfe der qualifizierten Casemanager bei RWE und DIS meistern. Hierbei halfen seine Eintragungen im Lebenslauf, die von "Engagement hinsichtlich der Veränderungen bei den gesetzlichen Bestimmungen für die Arbeitnehmerüberlassung" sowie von der "Zustimmung zur Zulassung des Braunkohleabbaues im Werk Garzweiler II" sprachen. Die Verantwortlichen bei DIS (Deutscher Industrie Service), dem fünftgrößten deutschen Zeitarbeitsunternehmen sahen in dem Aufsichtsratsposten, den sie Clement anboten, möglicherweise auch eine Chance, sich dafür zu bedanken, dass er maßgeblich daran beteiligt war, im Jahr 2004 die Überlassungshöchstdauer aus dem Zeitarbeitsgesetz zu streichen. Diese die Flexibilität des Arbeitsmarktes gefährdende Maßnahme sah vor, dass Leiharbeiter nicht unbegrenzt in einem Unternehmen eingesetzt werden dürfen.

Herr Clement und Herr Schily stehen hier nur exemplarisch für eine Vielzahl von Politikern, die dank des selbstlosen Einsatzes der Unternehmen auch nach ihrer politischen Arbeit noch nicht aufs Abstellgleis gestellt wurden, sondern stattdessen weiterhin vor sozialer Kälte und Abstieg geschützt sind. Danke, liebe Unternehmen!