Manipuliert die Fed den Aktienmarkt?

Zwar gibt es weder schriftliche Beweise noch Zeugenaussagen von Insidern, doch häufen sich die Hinweise, dass die US-Notenbank für den historisch einzigartigen Kursanstieg an den US-Aktienmärkten seit vergangenem März verantwortlich ist

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Während die Fed keiner gesetzlichen Beschränkungen unterliegt, die ihr direkte Aktienkäufe verbieten, wäre es für die Finanzmärkte wohl doch ein schwerer Schock, wenn bekannt würde, dass die Notenbank am Aktienmarkt insgeheim als Käufer aktiv ist. Denn das wäre nicht nur ein weiterer Bruch mit traditionellen Regeln, wie Notenbanken zu agieren haben, es würde den Börsianern auch signalisieren, dass sie über die tatsächlichen Verhältnisse von Angebot und Nachfrage getäuscht wurden. Andererseits würde es bedeuten, dass die US-Behörden auch die Kurse am Aktienmarkt garantieren, was manche durchaus als Kaufsignal bewerten dürften.

Jedenfalls flammte über den Jahreswechsel in den US-Finanzblogs eine Diskussion wieder auf, von der Telepolis schon Ende Mai berichtet hatte (Finanzmarktmanipulation: Die üblichen Verdächtigen). Zu jenem Zeitpunkt hatte der Leitindex S&P 500, der die 500 größten börsenotierten US-Unternehmen umfasst, von seinem März-Tiefpunkt rund 250 Punkte aufgeholt. Inzwischen sind nochmals ebenso viele dazugekommen, was die Aktienmarktkapitalisierung insgesamt um sechs Billionen Dollar hat ansteigen lassen. Das war der steilste Anstieg, den die Wall Street je gesehen hat. Umso erstaunlicher ist dabei, dass es hier ebenso wie bei den US-Staatsanleihen (Rätsel um US-Staatsschulden) an klar identifizierbaren Käufern mangelt.

So meint Charles Biderman, ein renommierter Marktexperte des Hedgefonds-Beraters TrimTabs, dass es jedenfalls nicht "Corporate America", der US-Unternehmenssektor, gewesen sein könne. Denn der habe seit März 300 Mrd. USD an neuen Aktien emittiert und dürfte krisenbedingt kaum über die Mittel verfügt haben, ausstehende Aktien auch nur annähernd in dieser Menge aufzukaufen. Auch Aktienfonds kämen dafür nicht in Frage, denn in diese flossen samt ETFs seit April gerade einmal 17 Mrd. Dollar an Investorengeldern, während Anleihefonds immerhin 351 Mrd. USD zugeflossen sind. Ausländische Investoren haben von April bis Oktober zwar für immerhin 109 Mrd. Dollar US-Aktien gekauft, nur vermutet Bidermann, dass diese Zuflüsse bereits ab November zurückgegangen sind. Obwohl seitens der Hedgefonds keine aggregierten Daten verfügbar sind, vermutet Biderman, dass auch hier kaum von umfangreichen Käufen auszugehen sei, da Investoren zwischen April und November aus diesem Bereich netto 12 Mrd. Dollar abgezogen hatten. Zudem gebe es anekdotische Hinweise, dass auch die Pensionsfonds wenig Kauflust gezeigt und seit März maximal 100 Mrd. USD von Anleihen und Cash in Aktien umgeschichtet hätten, schätzt Biderman.

Wenn das Geld aber nicht von den traditionellen Käufern gekommen ist, von wem dann, fragt Biederman, und die Blogosphäre ist sich einig, dass dafür nur die Regierung in Frage kommen kann. Denn der starke Aktienaufschwung war im Vorjahr sicherlich das positivste Ereignis an den Finanzmärkten und wohl wesentlich für das schnelle Erstarken der US-Konjunktur. Immerhin wurde gut die Hälfte der Kursverluste wieder aufgeholt, was über den "Wealth-Effekt" mehr als alle anderen Regierungsmaßnahmen Konsum und Investitionen stimuliert haben dürfte.

Der wichtigste Anhaltspunkt für die Finanzblogger ist die hartnäckige Weigerung der Fed, ihre Bilanzen offenzulegen, obwohl sie dazu in einer von Bloomberg angestrengten Klage bereits erstinstanzlich verpflichtet wurde. Und angesichts dieses enormen positiven Effekts wäre es nur logisch, den Aktienmarkt zu stützen, denn immerhin hat die Regierung höchst offiziell bereits hunderte Milliarden in die Kfz-Industrie, in den Immobilienbereich und in die Banken gepumpt.

Fed-Chef Ben Bernanke hat übrigens schon 2002 im Zusammenhang mit der Deflationsgefahr davon gesprochen, dass es sinnvoll sein könnte, Zentralbankgeld in den Aktienmarkt zu stecken, und 2006 erzählte George Stephanopoulos aus dem Stab von Präsident Bill Clinton, dass es zudem ein informelles Übereinkommen zwischen den großen Banken, der Börse und der Fed gebe, den Markt notfalls zu stützen – das berühmte "Plunge Protection Team", von dem seit 1989 immer wieder die Rede ist.

Tyler Durden von ZeroHedge beobachtet jedenfalls, dass seit Mitte September praktisch die gesamten Kurszuwächse des S&P 500 auf nachbörsliche Termingeschäfte zurückgeführt werden können. Das wäre vermutlich auch der beste Weg, den Markt mit minimalem Aufwand zu stützen. So schätzt Biderman, dass mit monatlich 20 Mrd. Dollar über Futures am Aktienmarkt ein Volumen von rund 100 Mrd. Dollar bewegt werden könnte. Da dadurch weitere Gelder in den Markt gezogen würden, könnte das seiner Meinung nach den Aufschwung erklären - und diese Gelder wären dann sicherlich wesentlich besser investiert worden, als die Milliardenbeträge aus den offiziellen Programmen.