Schlamperei im letzten IPCC-Bericht

Dass die Himalaya-Gletscher bis 2035 laut dem UN-Weltklimarat verschwunden sein werden, stützt sich nur auf eine wissenschaftlich nicht unterlegte Äußerung eines Wissenschaftlers in einem populärwissenschaftlichen Magazin

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Die im letzten, 2007 veröffentlichten Bericht des UN-Weltklimarats IPCC enthaltene dramatische Vorhersage, dass die Gletscher am Himalaya beängstigend schnell sowie schneller als in anderen Weltregionen abschmelzen und wahrscheinlich bis 2035, wenn nicht früher, verschwunden sein sollen, beruht nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, sondern auf einer spekulativen Äußerung eines indischen Klimaforschers in einem Interview.

Gletscher im Himalya. Bild: FoE-Bericht

Klimaerwärmungsskeptiker wird es freuen. Nach einigen irritierenden Informationen aus der Email-Kommunikation von Klimatologen, die am Klimabereicht des Weltklimarats IPCC mitgearbeitet haben, wurde kurz vor dem Klimagipfel in Kopenhagen "climategate" ausgerufen (Von Climategate, Klimalüge und dem Wissenschaftsbetrieb). Das hat für Irritationen gesorgt und die Motivation der Klimaforscher gestärkt, für mehr Transparenz zu sorgen. Das hat zwar schließlich nicht, wie die Klimaskeptiker gehofft hatten, die gesamte wissenschaftliche Grundlage für die anthropogen erzeugte Klimaerwärmung untergraben, wohl aber den Zweifel an der Verfertigung wissenschaftlicher Tatsachen genährt.

Das ist keineswegs nur negativ, schließlich produzieren Wissenschaften, wenn sie Vorhersagen leisten, keine Wahrheiten, sondern auf der Basis von mehr oder weniger gut begründeten Modellen, die im Fall des Klimas sehr komplex sind, Eintrittswahrscheinlichkeiten, die von vielen Faktoren abhängen können. Nicht alle sind bekannt oder ausreichend in die bisher vorhandenen Klimamodelle eingearbeitet. Zudem sind Wissenschaftler keine Heiligen, sondern arbeiten eingespannt in wissenschaftlichen Paradigmen, Trends der Forschungsförderung und der Notwendigkeit, möglichst Neues zu publizieren, das von Bedeutung ist. "Climategate" hat mithin eine gewisse Ernüchterung einkehren lassen, die allerdings den Klimaskeptikern, die gerne von einer Klimaverschwörung auf der Ebene der Weltgemeinschaft sprechen, ganz abzugehen scheint.

Der neueste Fehler in einem Bericht, an dem letztlich mehrere tausend Wissenschaftler aus Forschungsinstitutionen und aus Industrie, Verwaltung oder Nichtregierungsorganisationen als Autoren oder Gutachter mitwirken, ist peinlich, aber er kann im realen Leben eben durchaus aus einer gewissen Nachlässigkeit im Umgang mit Quellen entstehen. Das wirft kein gutes Licht auf die beteiligten Wissenschaftler der für Asien zuständigen Gruppe, die dafür verantwortlich waren. Allerdings wird durch einen derart nachlässigen Fehler die Glaubwürdigkeit des Weltklimarats, der ja die verlässlichen Ergebnisse der Forschung zusammentragen, bewerten und als Grundlage für politische Entscheidungen darstellen soll, beschädigt.

Im IPCC-Bericht, wiederum als Quelle von anderen Berichten zitiert, wird für die Aussage, dass bis 2035 die Himalaya-Gletscher abgetaut sein könnten, wenn die Klimaerwärmung weiterhin gleich bleibt, ein Bericht der Umweltschutzorganisation WWF aus dem Jahr 2005 als Quelle genannt: An Overview of Glaciers, Glacier Retreat, and Subsequent Impacts in Nepal, India and China. Dort wiederum wird für die Behauptung auf einen Artikel im New Scientist von Fred Pearce aus dem Jahr 1999 verwiesen, indem der indische Klimatologe Syed Hasnain gesagt hatte, dass die meisten Gletscher der Himalaya-Region in den nächsten 40 Jahren verschwunden sein werden:

The New Scientist magazine carried the article "Flooded Out – Retreating glaciers spell disaster for valley communities" in their 5 June 1999 issue. It quoted Professor Syed Hasnain, then Chairman of the International Commission for Snow and Ice's (ICSI) Working Group on Himalayan Glaciology, who said most of the glaciers in the Himalayan region "will vanish within 40 years as a result of global warming". The article also predicted that freshwater flow in rivers across South Asia will "eventually diminish, resulting in widespread water shortage".

WWF-Bericht

Kritisiert wurde die IPCC-Behauptung bereits durch einen Bericht von indischen Wissenschaftlern im letzten Jahr, nach deren Studie kein Abschmelzen der Gletscher im Himalaya als Folge der Klimaerwärmung nachwseisbar sei. Zwar seien viele Gletscher seit 1960 kleiner geworden, manche seien aber auch gewachsen oder stabil geblieben. Zudem habe sich in den letzten Jahren das Abschmelzen verlangsamt. In einem Science-Beitrag stellte der Autor die Debatte vor und machte darauf aufmerksam, dass es einfach bislang zu wenige verlässliche Daten gebe und der UN-Klimarat sowie andere Forscher vorschnell zu vermeintlichen Ergebnissen gekommen seien.

Gletscher im Himalya. Bild: MoEF-Bericht

Hasnain zog die Ergebnisse der Studie in Zweifel, da sie angeblich auf alten Daten beruhe. Der IPCC-Vorsitzende Rajendra Pachaur, der auch das Energy and Resources Institute (TERI) leitet, wies den Bericht als "Voodoo-Wissenschaft" zurück. Pachaur wird vorgeworfen, finanziell und geschäftlich von seinem einflussreichen Job als IPCC-Vorsitzender zu profitieren und in einem Interessenkonflikt zu stehen..

In dem New-Scientist-Artikel aus dem Jahr 1999 wurde aus einem Gespräch mit Hasnain zitiert, ansonsten ging es um eine Studie der ICSI, nach der die Gletscher mit jährlich 30 m schneller als anderswo abschmelzen und dies zu Gefahren für die Wasserversorgung des Unterlandes führen könne, zunächst einmal aber zu Überschwemmungen durch die Bildung von neuen und plötzlich ablaufenden Gletscherseen (Glacial lake outburst flood - GLOF). Darauf verwies auch eine spätere Studie des UN-Umweltschutzprogramms (Das Dach der Welt tropft).

Hasnain hat inzwischen erklärt, seine damalige Aussage sei eine Spekulation und nicht durch wissenschaftliche Forschung begründet gewesen, wie Pearce nun im New Scientist berichtet. Er habe das Jahr 2035 in keiner wissenschaftlichen Publikation erwähnt, sagte er Pearce, und fügt an: "Für das IPCC ist es nicht angemessen, Belege aus populärwissenschaftlichen Magazinen oder Zeitungen aufzunehmen."

Das weist aber der für das Kapitel im IPCC-Bericht verantwortliche leitende Autor, der indische Gletscherforscher Murari Lal, zurück. Sie hätten genau das gemacht, was von ihnen erwartet werde: "Wir stützten uns sehr auf graue Literatur (nicht geprüft durch Peer Review), auch auf den WWF-Bericht. Der Irrtum liegt, wenn es einen geben sollte, an der Aussage von Dr. Hasnain und nicht bei den IPCC-Autoren." Das ist natürlich Unsinn. Aber immerhin scheint er willens zu sein, die Passage aus dem Bericht zu streichen, wenn Hasnain offiziell erklärt, dass es sich um eine falsche Aussage handelt. Unter den Gletscherwissenschaftlern scheint weitgehend Einigung zu bestehen, dass die Himalaya-Gletscher schlicht nicht bis 2035 abtauen könnten, weil die Eisschicht zu dick ist. Auf der anderen Seite herrscht aber auch Einigkeit, dass die Gletscher schmelzen.