Nach Kopenhagen: Höchste Zeit für eine Reform der UNO

Die UN-Generalversammlung sollte um eine parlamentarische Kammer ergänzt werden, um die Weltorganisation demokratischer zu machen

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Unter dem Dach der Vereinten Nationen finden Verhandlungen über bedeutende globale Zukunftsfragen statt, zum Beispiel über den Atomwaffensperrvertrag oder zum Klimaschutz. Der UNO gehören mit 192 Mitgliedern nahezu alle Staaten der Welt an. Sie gilt als Zentrum des globalen Multilateralismus. Die internationale Reaktion auf die globale Finanzkrise und das Scheitern der Klimakonferenz der Vereinten Nationen im vergangenen Monat in Kopenhagen allerdings haben eine grundlegende Schwäche der UNO offengelegt. Eine parlamentarische Kammer könnte dabei helfen, den Gegensatz zwischen kleinen und großen Ländern zu vermindern und die UNO demokratischer zu machen.

Finanzkrise: G-20 übernimmt die Hauptrolle

Um über ihre Reaktion auf die Weltfinanzkrise zu beraten, trafen sich die Staats- und Regierungschefs der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer im Rahmen der G20-Gipfel von Washington D.C., London und Pittsburgh. Martin Khor, der Direktor des South Centre, einer gemeinsamen Denkfabrik von 51 Entwicklungsländern, kritisiert die informellen G20-Treffen aufgrund des exklusiven Teilnehmerkreises als "undemokratisch". Es wird argumentiert, dass die ärmeren Entwicklungsländer die Hauptopfer der Finanzkrise seien und dennoch von der entscheidenden politischen Debatte über das Krisenmanagement ausgeschlossen würden.

Tatsächlich haben die Vereinten Nationen, wenn überhaupt, nur eine Nebenrolle bei den Beratungen über die Finanzkrise gespielt. Die als "G192" stilisierte UN-Konferenz zur Weltfinanzkrise in New York, die von Miguel d'Escoto Brockmann als Präsident der Generalversammlung einberufen wurde, hatte gegenüber den G20-Gipfeln kaum Bedeutung (Widerstand gegen die G 192).

Wie demokratisch ist die UNO eigentlich?

Sicherlich, die nahezu universelle Mitgliedschaft der UNO, so heißt es, verleihe der Weltorganisation besondere Legitimität. Der demokratische Charakter komme dadurch zum Ausdruck, dass alle Staaten in der Generalversammlung gleichberechtigt seien, egal wie groß oder klein sie auch sein mögen, von China mit 1,3 Milliarden Einwohnern bis hin zu Tuvalu mit nur rund zwölftausend.

Bei genauerer Betrachtung stellt sich die Lage jedoch etwas anders dar.

Die meisten Länder sind im Hinblick auf Bevölkerungszahl und Wirtschaftskraft winzige Zwerge. So ist es rechnerisch möglich, dass die 128 kleinsten Staaten in der Generalversammlung eine Zweidrittel-Mehrheit für wichtige Entscheidungen erreichen können, obwohl sie lediglich 8,4 Prozent der Weltbevölkerung und nur 11,3 Prozent des Weltwirtschaftsprodukts repräsentieren. Die hundert kleinsten Länder, die rechnerisch Mehrheitsentscheidungen treffen können, repräsentieren gar nur 3,9 Prozent der Weltbevölkerung oder 6,4 Prozent des Weltwirtschaftsprodukts.

Wären solche Entscheidungen legitim oder demokratisch? Sollen die Länder der G20-Gruppe tatsächlich das Heft abgeben an eine solche Versammlung? Die G20 vertreten knapp zwei Drittel der Weltbevölkerung und fast 90 Prozent des Weltwirtschaftsprodukts. In der Generalversammlung könnten sie theoretisch immer überstimmt werden.

Nach Mark Malloch Brown, dem ehemaligen Leiter des UN-Entwicklungsprogramms UNDP, liegt in diesem Ungleichgewicht das größte Problem der UNO. Das Entgleisen der Klimakonferenz in Kopenhagen ist auf ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren zurückzuführen. Doch sie ist auch zu einem tragischen Schauplatz für die beschriebene Dysfunktion im UN-System geworden.

Das Scheitern von Kopenhagen

Weil das Plenum den von einer kleinen Gruppe von zuletzt fünf Ländern ausgehandelten Minimalkompromiss nicht akzeptieren wollte, wurde das Dokument lediglich "zur Kenntnis genommen" (Kopenhagen endet mit Armutszeugnis). Einige kleine Länder drohten bei der auf Konsens angelegten Konferenz mit ihrem Veto. Dass die in der G77-Gruppe zusammengeschlossenen Entwicklungsländer ausgerechnet den Vertreter des Sudan für sich haben sprechen lassen, macht ihre Kritik an dem ausgehandelten Papier nicht sehr glaubwürdig. Gegen Präsident Omar Al-Bashir hat der Internationale Strafgerichtshof, dem 110 Staaten angehören, einen Haftbefehl wegen seiner Verantwortung für Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen in der Provinz Darfur ausgestellt (Wendepunkt für die Menschenrechte und das Völkerrecht?). Dass der sudanesischen Regierung an den Opfern der Klimakatastrophe etwas gelegen ist, das glaube, wer will.

Im Ergebnis wird jetzt darüber nachgedacht, die Klimaverhandlungen nicht mehr innerhalb der UNO, sondern in einem anderen Forum fortzuführen, möglicherweise im Rahmen der G20. Die Länder der G20 sind für über 70 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich.

Eine Abkehr der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer von der UNO wäre jedoch kurzsichtig. In Finanz- und Klimafragen mag das zwar funktionieren. Doch ist damit eine strategische Schwächung des globalen Multilateralismus verbunden, der nicht in ihrem Interesse sein kann. In anderen Politikfeldern, insbesondere bei der Terrorismusbekämpfung, der organisierten Kriminalität oder der internationalen Sicherheit, ist eine möglichst breite Zusammenarbeit erforderlich, die letztlich nur im Rahmen der UNO sichergestellt werden kann.

Die Generalversammlung um ein Parlament ergänzen

Unter dem Eindruck des Scheiterns von Kopenhagen hat der Vorsitzende des Umweltausschusses des Europäischen Parlaments, der deutsche Abgeordnete Jo Leinen, angemerkt, dass "eine Parlamentarische Versammlung auf Ebene der UN, die nach parlamentarischen Methoden arbeitet, die mit offenen Diskussionen und Mehrheitsentscheidungen einhergehen, für den globalen Entscheidungsprozess hilfreich sein könnte".

Der Vorschlag, die UN-Generalversammlung um eine parlamentarische Kammer zu ergänzen, hat weltweit inzwischen Hunderte von bedeutenden Unterstützern gefunden, darunter der ehemalige UN-Generalsekretär Boutros Boutros-Ghali, der ehemalige Direktor der Welthandelsorganisation, Mike Moore, oder der ehemalige UNESCO-Chef Federico Mayor Zaragoza. Das Europäische Parlament, das Pan-Afrikanische Parlament und das Lateinamerikanische Parlament haben Resolutionen verabschiedet, ebenso wie die Liberale Internationale, die Sozialistische Internationale oder der grüne Weltkongress.

Schon 1947 hatte Albert Einstein gefordert, dass die Delegierten zur UNO "direkt vom Volk gewählt" werden müssten.

Die Anzahl der Sitze je Land in einer parlamentarischen Kammer könnte nach bestimmten Kriterien wie Bevölkerungsgröße, Wirtschaftskraft oder anderen Faktoren zugeteilt werden. Ihre Zusammensetzung könnte so die realen Gewichtungen in der Welt zum Ausdruck bringen und tatsächlich legitime und demokratische Mehrheiten sicherstellen. Nach den Modellen, die wir beim Komitee für eine demokratische UNO untersucht haben, könnte gewährleistet werden, dass eine Mehrheit der Sitze von Delegierten gehalten wird, die aus demokratischen Ländern kommen.

Wie gehabt wären in der Generalversammlung alle Regierungen gleichberechtigt vertreten. Für Entscheidungen könnte die Zustimmung beider Organe mit bestimmten qualifizierten Mehrheiten erforderlich sein. Ein Zusammenspiel zwischen der Generalversammlung und einer Parlamentskammer könnte die Voraussetzungen für eine fundamentale Stärkung und Revitalisierung der UNO schaffen. Im Gegensatz zu den Regierungsdiplomaten, deren vorrangige Aufgabe es ist, nationale Interessen zu verteidigen, wären die Weltabgeordneten prinzipiell frei darin, das Gemeinwohl der Menschheit als Ganzes zu vertreten. "Diese Sichtweise", so Jo Leinen, "war bei den Verhandlungen in Kopenhagen unterrepräsentiert."

Nicht weniger, sondern mehr Demokratie wird zu einer effektiveren Global Governance führen.

Andreas Bummel ist Vorsitzender des Komitees für eine demokratische UNO in Berlin