Peinliches Dilemma

Die Schweiz kann die "Potentaten"-Gelder des ehemaligen Diktators Duvalier (Baby Doc) nicht Haiti übergeben - die Straftaten sind verjährt

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Das Bankgeheimnis ist nicht mehr zu retten, heißt es nun auch in Schweizer Medien. Der Schweizer Bundesrat hat gestern noch überlegt, ob er die Verhandlungen über ein neues Doppelbesteuerungsabkommen als Reaktion auf den Kauf der CD mit Daten möglicher deutscher Steuerbetrüger einstellen soll. Aber es dürfte auch den Politikern deutlich sein, dass sich das profitable Spiel der Schweiz zuungunsten anderer Staaten durch die willkürliche Unterscheidung zwischen Steuerhinterziehung und -betrug nicht mehr durchhalten lässt, ohne der Schweiz zu schaden. Die NZZ schimpft, der Bundesrat habe nur eine "lau gehaltene Kritik" geäußert und ansonsten beschlossen, die sowieso zäh verlaufenden Verhandlungen über das Doppelsteuerabkommen fortzusetzen.

Nicht recht wird es den Schweizer Befürwortern der Kapitalflucht-Bankwirtschaft passen, wenn nun gerade wieder ein Problem mit einem der berüchtigten Diktatorenkonten - Marcos, Abacha, Montesinos und Salinas - auftaucht. Erst auf internationalem Druck hatte die Schweizer Regierung in den 80er Jahren die Möglichkeit vorgesehen, unrechtmäßig erworbene Potentatengelder zu blockieren oder an das Land zurückzuzahlen. Seit einigen Jahren müssen auch die Kunden von den Banken aufgrund des Geldwäschegesetzes identifiziert werden. Bislang seien in den letzten 16 Jahren 1,7 Milliarden Franken zurückgezahlt worden. Allerdings dürften noch viele Millionen, wenn nicht Milliarden auf Nummernkonten. So sollen von dem exekutierten Saddam Hussein noch um die 300 Millionen US-Dollar in Schweizer Banken schlummern.

Im Fall des früheren haitianischen Diktators Jean-Claude Duvalier (Baby Doc) wurden die Konten 1986 nach dessen Sturz aufgrund eines Rechtshilfegesuchs Haitis gesperrt. Als Berechtiger wurde hier nicht der in Paris lebende Diktator genannt, sondern eine Stiftung aus Liechtenstein, die seine Mutter für ihn gegründet hatte. So lässt sich also über Strohfirmen der Identifizierungszwang prinzipiell doch umgehen. Duvalier hatte nach dem Erdbeben angekündigt, das Geld aus der "Stiftung" in der Schweiz für die Erdbebenopfer dem amerikanischen Roten Kreuz zu geben. Es ist die Rede von 8 Millionen USD.

Man darf gespannt sein, was mit dem Geld passiert. Schon letztes Jahr hatte das Bundesamt für Justiz beschlossen, die gesperrten Gelder in Höhe von 4,7 Millionen Euro (6,5 Millionen USD) für Entwicklungshilfeprojekte in Haiti freizugeben. Tatsächlich würde jetzt das Geld dringend gebraucht werden. Die Stiftung hatte dagegen Beschwerde eingelegt, diese wurde aber zurückgewiesen, weil die Duvalier-Clique als kriminelle Organisation gelten müsse und ein legaler Erwerb nicht nachgewiesen werden konnte. Nun aber könnte es mit dem Dubalier-Geld ähnlich wie mit den 7,7 Millionen Franken des verstorbenen zairischen Diktators Mobutu Sese-Seko gehen, die 2008 an seine Familie ausgezahlt wurden. Ausgerechnet jetzt, da die Schweiz unter Druck von außen steht und Haiti von dem Erdbeben heimgesucht wurde, entschied das Bundesgericht am 12. Januar – einen Tag vor dem Erdbeben - , dass es für die Freigabe der Duvalier-Vermögenswerte keine Rechtsgrundlage gebe, was erst jetzt größere Aufmerksamkeit fand. In dem Urteil wird von 4,5 Millionen USD gesprochen. Sie dürfen nicht Haiti weiter gegeben werden, "weil die Duvalier vorgeworfenen Handlungen nach schweizerischem Strafrecht verjährt sind", heißt es im Urteil. Das sei deswegen so, weil es "keinen Staatsvertrag zwischen der Republik Haiti und der Schweiz" gibt. Deswegen gelte Schweizer Recht, nach dem die Straftaten nach 15 Jahren verjähren.

Das Gericht erklärt, es müsse so entscheiden, und äußert Kritik an der Regierung:

Wie es in seinem Urteil erwogen hat, besteht im Rechtshilfegesetz für das gerichtlichtliche Verfahren kein angemessenes Instrument für die Rückerstattung von Potentatengeldern. Dies war bereits in früheren Fällen festgestellt worden. Es obliegt dem Gesetzgeber, für diese Problematik geeignete Lösungen zu finden.

Schweizer Bundesgericht

Der Bundesrat hat nun erneut das Geld gesperrt, weil er vermeiden will, dass es an die Duvalier-Sippe ausgezahlt werden muss und "der Finanzplatz Schweiz als Fluchtort für Vermögenswerte krimineller Herkunft dient". Das dürfte dem Image der Schweiz noch einmal einen schweren Schaden zufügen. Nun soll schnell bis Ende Februar durch ein neues Gesetz für "Potentatengelder" eine Rechtsgrundlage geschaffen werden, um Haiti das Geld übergeben zu können.