Der Chef der Vatikanbank kennt die Ursache der Finanzkrise

Der "wahre Ursprung der Krise": die Menschen im Westen befolgen nicht die Lehren des Papstes und kriegen zu wenige Kinder

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Theorien über die Ursachen der Finanzkrise gibt es viele. Jetzt hat sich auch der Präsident der Vatibankbank IOR (Istituto per le Opere di Religione) eingeschaltet. Wie nicht anders zu erwarten, ist seine Erklärung aus der Perspektive der katholischen Religion zumindest als originell zu bewerten.

Das IOR hat sich zumindest vor 30 Jahren selbst in dunkle Geschäfte begeben und hat möglicherweise zusammen mit der Mafia gearbeitet. Danach wurde ein Wächterrat eingeführt. Dennoch bleibt vieles im Dunklen. "Ein ausgewählter Kundenkreis genießt die Vorteile einer steuerfreien Zone", so charakterisierte die Zeit die Papst-Bank, "für die die italienischen Kapitalausfuhr- und Devisenbestimmungen nicht gelten. Eigentümer der Bank ist der Papst, der auch die Gewinne beansprucht. Das IOR veröffentlicht weder Bilanzen noch Rechenschaftsberichte."

Ende des letzten Jahres ist die Vatikanbank, seit dem im letzten Jahr erschienenen Buch Vaticano Spa von Gianluigi Nuzzi, allerdings wieder in Verdacht geraten. Dieses Mal geht es um den Vorwurf der Geldwäsche. Das Handelsblatt bemerkt: "Auch in diesen Zeiten, in denen weltweit Steuerschlupflöcher geschlossen und Bilanzen offengelegt werden, bleibt das Ior eine der geheimnisvollsten Finanz-Institutionen der Erde." Die Bank untersteht keiner staatlichen oder internationalen Kontrolle, wie viel Geld sie verwaltet, ist unbekannt, man geht von mehreren Milliarden Euro aus.

Immerhin ließ Benedikt letztes Jahr die Führungsspitze der Bank auswechseln, deren Chef nun Ettore Gotti Tedeschi ist, den man sich von der Santander Consumer Bank geholt hat. Tedeschi, der auch Finanzethik lehrte, scheint eine echte Doppelbegabung zu sein. Der gläubige Katholik hat nicht nur gute Kontakte zum Opus Dei, sondern auch in die Wirtschaft. So hat er viele Jahre für die Unternehmensberatung Sema und dann für McKinsey gearbeitet. Danach gründete er mit dem Opus-Dei-Mitglied Gianmario Roveraro die Bank Akros Finanziaria, bevor er zu Santander wechselte. Roveraro ist 2006 Opfer eines ungeklärten Mordes geworden. Da scheint sich mithin trotz Austausch der Führung etwas Dunkles fortzusetzen.

Wie auch immer Tedeschi, Vater von 5 Kindern, hat auch schon letztes Jahr, als er noch nicht Präsident der Vatikan-Bank war, schon darauf aufmerksam gemacht, dass die Finanzkrise – die auch die Vatikanbank kalt erwischt haben soll – mit dem unheiligen Leben der Menschen in den reichen westlichen Länder zu tun habe. Die würden nämlich nicht den vom Papst in der Enzyklika Caritas in Veritate verordneten Richtlinien für eine globale Ethik widersprechen (allerdings kein Wunder, Tedeschi soll daran mitgeschrieben haben). Dort sagte Benedikt, ohne dies allerdings irgendwie zu begründen:

Die moralisch verantwortungsvolle Offenheit für das Leben ist ein sozialer und wirtschaftlicher Reichtum. Große Nationen haben auch dank der großen Zahl und der Fähigkeiten ihrer Einwohner aus dem Elend herausfinden können. Umgekehrt erleben einst blühende Nationen jetzt wegen des Geburtenrückgangs eine Phase der Unsicherheit und in manchen Fällen sogar ihres Niedergangs – ein entscheidendes Problem gerade für die Wohlstandsgesellschaften. Der Geburtenrückgang, der die Bevölkerungszahl manchmal unter den kritischen demographischen Wert sinken läßt, stürzt auch die Sozialhilfesysteme in die Krise, führt zur Erhöhung der Kosten, schränkt die Rückstellung von Ersparnissen und in der Folge die für die Investitionen nötigen finanziellen Ressourcen ein, reduziert die Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte und verringert das Reservoir der "Köpfe", aus dem man für die Bedürfnisse der Nation schöpfen muß.

So sieht das auch Tedeschi. Das Leben wird im Westen abgelehnt, was zu sinkenden Geburtenraten führt, zum Ablösung des Westens durch China – und zur Finanzkrise. Das hat er nun im Vatikanfernsehen noch einmal erläutert, wahrscheinlich in Unkenntnis der Analyse der Ökonomen Shang-Jin Wei und Xiaobo Zhang, die für China fast Ähnliches zu beschreiben scheinen (Ist Chinas Ein-Kind-Politik schuld an globalen Ungleichgewichten?).

Der wahre Ursprung der Krise – da habe ich persönlich keinen Zweifel – ist der Einbruch der Geburtenrate in den Ländern des Westens. In den siebziger Jahren sagten die so genannten Neo-Malthusianer einmal voraus: Wenn die Bevölkerung so weiterwächst wie bisher, nämlich zwischen vier und 4,5 Prozent, dann werden vor dem Jahr 2000 Millionen von Menschen, vor allem in Asien und in Indien, an Hunger sterben... Das sagt doch alles über die Prognosefähigkeit vieler Wirtschaftssoziologen. In der Dritten, Vierten Welt konnte niemand die Bücher über die demographische Bombe lesen, und darum haben sie weiter in aller Ruhe Kinder bekommen – und haben ihre Lebensbedingungen sogar verbessert, dank der Fortschritte im Gesundheits- und Ernährungswesen.

Tedeschi

Ob die biblische Maxime: "Seid fruchtbar und mehret euch" tatsächlich den Ländern mit der höchsten Geburtenrate wirtschaftlich geholfen hat, darf freilich bezweifelt werden. Sollten wir uns also ein Vorbild an Niger, Somalia, Kongo, Äthiopien oder Afghanistan nehmen, in denen zwischen 7,75 und 5,6 Kinder auf jede Frau kommen (Deutschland 1,41)? Für Tedeschi, der im Gegensatz zu den zölibatär, deswegen aber nicht notwendig ohne sexuelle Begehren lebenden katholischen Geistlichen (Kirche und sexueller Missbrauch) die göttliche Maxime zumindest persönlich eingelöst hat, ist der Sachverhalt einfach. Wenn es weniger junge Menschen gibt, müssen weniger Menschen mehr alte versorgen:

Die Gesundheits- und Sozialkosten steigen, Steuern können nicht mehr gesenkt werden, die Ersparnisse gehen zurück... Der Westen hat versucht, diesen Einbruch in seiner Entwicklung durch Finanzaktivitäten und Auslagerung der Produktion aufzufangen, und eine Weile ist das auch gutgegangen: Das System wächst dadurch, dass die Familien sich verschulden. Letztlich hat man an den Finanzmärkten versucht, das nachlassende Wachstum der Wirtschaft zu kompensieren – welches wiederum mit der Tatsache zusammenhängt, dass keine Kinder mehr geboren wurden....

Tedeschi

Für den Banker Gottes haben die Banker und Finanzmanager nicht viel mit der Krise zu tun, jetzt müsse man die Schuldenlast reduzieren und sich einschränken, meint er. Allerdings dürften nicht die sich verschuldenden Familien die Ursache der Krise sein, sondern zu viel überschüssiges Geld, das angelegt werden musste, um immer höhere Gewinne einzufahren. Das aber würde die Geschäfte auch der Bank Gottes schädigen, was auch Benedikt nicht wünschen kann. Irgendwie scheint es dann doch mit der Sexualität und dem Geld aus der Kirchenfinanzsicht ähnlich zu stehen: Seid fruchtbar und mehret euch, Menschen und Moneten.