Trinkgeld für den Arzt

Markus Söders Idee einer Zufriedenheitskomponente könnte das Gesundheitswesen tatsächlich verbessern - allerdings weniger im Pharma-, als im Dienstleistungsbereich

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Der bayerische Umwelt- und Gesundheitsminister Markus Söder informierte in der letzten Woche über die Ergebnisse eines von ihm veranstalteten "Pharmagipfels", auf dem er sich mit den Vertretern von Konzernen traf. An der umstrittenen Patenterteilungspraxis will Söder danach nichts ändern, kündigte aber an, dass man Geld einsparen wolle, in dem Krankenkassen zukünftig "nicht für die Tablette, sondern für die Wirkung" zahlen. Diese Idee soll eine Arbeitsgruppe des bayerischen Gesundheitsministeriums zusammen mit den Pharmafirmen ausarbeiten, die dafür, so Söder "prinzipiell bereit" seien.

Eine Idee, die unter anderem die Süddeutsche Zeitung mit Hinweis auf die Subjektivität von Patienteneindrücken und den Placeboeffekt kategorisch verdammte. Tatsächlich kommt es wohl sehr auf die Details der Regelung an. Belässt man die Beweislast für das Ausbleiben einer Wirkung beispielsweise beim Patienten, so dürfte solch eine "Garantie" kaum Auswirkungen haben.

Trotzdem legte Söder mit seiner Idee den Finger in eine Wunde, die von den anderen Beteiligten im Gesundheitswesen geflissentlich ignoriert wird: Viele Patienten sind extrem unzufrieden mit den Leistungen von bestimmten Ärzten, Krankenhäusern und Medikamenten. Manche davon zu unrecht - und andere zurecht. Bisher haben sie kaum Möglichkeiten, auf ihren Ärger aufmerksam zu machen: Kassenpatienten erhalten auf Beschwerdebriefe lediglich ein Formschreiben, dass der Versicherungsträger verpflichtet sei, die Kosten trotzdem zu erstatten - und Privatversicherten droht bei Zahlungszurückhaltung die umgehende Eintreibung der Honorare mittels Inkassounternehmen.

In der Gastronomie und in anderen Dienstleistungsbranchen hat man das Problem der Schlechterfüllung relativ unproblematisch dadurch gelöst, dass sich der Preis in einen Festpreis und ein Trinkgeld aufteilt: Trödelt ein Ober, dann geht er das Risiko ein, dass Gäste ihm deswegen kein Trinkgeld geben. Hegt ein Fahrgast den Verdacht, dass ein Taxifahrer einen Umweg fuhr, dann wäre es unangemessen aufwändig, ihm das beweisen zu wollen - stattdessen kann er beim Bezahlen einfach auf das Trinkgeld verzichten. Und gibt ein Friseur der eigenen Experimentierlust den Vorzug vor dem Kundenwunsch, dann erhält er nur den Festpreis aus dem Schaufenster.

Solch ein System ließe sich relativ problemlos auch im Gesundheitsbereich einführen: Dazu müsste lediglich festgesetzt werden, welcher Anteil der Zahlung fest sein und welcher von der Zufriedenheit des Patienten abhängen soll. Hat man sich beispielsweise auf ein Fünftel geeinigt, dann erhält der Patient bei jeder Behandlung einen standardisierten Bewertungsbogen, auf dem er mittels einer Schulnotenskala von 1 bis 6 festlegen kann, wie zufrieden er mit der Leistung des Arztes und/oder der Wirkung der verschriebenen Medikamente war.

War der Patient vollumfänglich zufrieden, dann erhalten der Arzt beziehungsweise der Pharmakonzern die volle Summe - war er jedoch unzufrieden, dann gibt es bis zu einem Fünftel weniger. Weil manche Patienten aus Angst vor der Rache von Ärzten möglicherweise dazu tendieren könnten, unangemessen oft Bestnoten zuvergeben, spricht einiges dafür, den "Trinkgeldanteil" aus vielen Stimmen zusammengefasst und anonymisiert zu ermitteln.