Evolution und Abhängigkeit

Bienen bevorzugen ihren Nektar mit Koffein und Nikotin

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Nektar ist neben dem von Blattläusen und anderen Insekten ausgeschiedenen Honigtau der Grundstoff für Honig. Beide Substanzen werden von Bienen mit ihren Rüsseln aufgesaugt, in der Honigblase gespeichert, mit Enzymen aus dem Körper der Biene angereichert und verdickt. In den Waben der Bienenstöcke reift die Substanz schließlich zu dem vom Menschen geschätzten Brotaufstrich heran.

Bereits seit längerer Zeit weiß man, dass der Nektar mancher Pflanzen in geringen Mengen Substanzen wie Nikotin und Koffein enthält. Nikotin findet sich in Konzentrationen von bis zu zweieinhalb Milligramm pro Liter Nektar in Pflanzen wie dem Strauchtabak (Nicotiana glauca) und der Winterlinde (Tilia cordata), Koffein vor allem in den Blüten von Zitrusbäumen und in Konzentrationen von 11 bis 17,5 Milligramm in einem Liter. Ein Ausreißer nach oben ist der Nektar des Grapefruitbaums (Citrus aurantium) mit 94,2 Milligramm Koffein pro Liter.

Allerdings war bisher weitgehend unklar, warum Pflanzen einen Blütensaft mit einer Beigabe wie Nikotin entwickelten, die Insekten in höheren Dosen durchaus schaden kann. Zeitweise hatte man Bio-Insektengifte mit diesem Wirkstoff sogar im Verdacht, für das Bienensterben verantwortlich zu sein.

Die Biologen Ido Izhaki, Gidi Ne'eman, Moshe Inbar und Natarajan Singaravelan von der Universität Haifa verfolgten zur Lösung dieses Rätsels einen evolutionstheoretischen Ansatz: Sie gingen von der Hypothese aus, dass es Zweck des Nektars ist, Insekten anzulocken, welche die Pollen zu anderen Blüten tragen und diese mit dem Erbgut der Pflanze bestäuben. Eine Erklärung für die Entwicklung von Nikotin und Koffein im Nektar wäre, dass die Pflanze damit Insekten süchtig macht und auf diese Weise die Verbreitung ihrer Gene fördert. Eine andere Möglichkeit ist, dass die Toxine reine Nebenprodukte ohne evolutionäre Bedeutung sind.

Bei den am Biologie-Department der Universität in Oranim durchgeführten Experimenten boten die Wissenschaftler den Bienen künstlichen Nektar mit verschiedenen Konzentrationen von Zucker, Koffein, Nikotin und dem im Mandelbaumnektar vorkommenden Toxin Amygdalin an. Dabei stellte sich heraus, dass Bienen Nektar mit Nikotin, Koffein und Amygdalin gegenüber solchen ohne bevorzugen. Die Pflanzen, welche diese Zusätze entwickelten, haben also potenziell einen evolutionären Vorteil gegenüber anderen.

Allerdings bewiesen die Versuche bisher nur eine Präferenz, und keine Sucht, wie man sie vom Menschen kennt: Denn beim nikotinhaltigen Nektar vermeiden die Bienen eine "Überdosierung" und bevorzugen ihn nur in einer Konzentration, wie sie auch in der Natur vorkommt. Auch Entzugserscheinungen konnte Izhakis Team bei den Bienen bisher nicht beobachten. Freilich hat man auch keine genauen Vorstellungen davon, wie solche Entzugserscheinungen bei Bienen aussehen würden, und will deshalb besonders in diesem Bereich weiterforschen.