Billigere Krankenhäuser versorgen nicht schlechter

US-Statistiker liefern ein paar interessante Argumente zur Kostendiskussion im Gesundheitswesen

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Krankenhäuser stellen in der Gesundheitsversorgung den größten Kostenfaktor dar. Deshalb ist klar, dass sie sich der Kostendiskussion im Gesundheitswesen am allerwenigsten entziehen können. Mit der Einführung der diagnoseabhängigen Fallpauschale kommt denn auch kein Krankenhausbetreiber mehr um eine nüchterne ökonomische Betrachtung herum: Wie viel Betreuung kann sich eine Einrichtung leisten? So hat sich denn auch die mittlere Verweildauer eines Patienten in seinem pro Tag etwa 330 Euro teuren Krankenhausbett von 1990 bis 2007 von 13,2 Tagen auf 8,3 Tage verringert, während gleichzeitig Bettenkapazitäten abgebaut und unrentable Spitäler in nicht geringer Zahl geschlossen wurden.

Weniger weiß die Statistik allerdings darüber, wie sich dieser Prozess auf die Hauptaufgabe der Krankenhäuser auswirkt und auswirken wird. Kritiker fürchten zum Beispiel, dass die „blutige Entlassung“ zum Standard wird. Das hätte einen fatalen Effekt: Es würde sich das Risiko erhöhen, dass derselbe Patient wegen zuhause aufgetretener Komplikationen erneut eingeliefert wird. Für das Krankenhaus beginnt damit ein neuer Fall, für den Kranken eine unnötige Leidensgeschichte. Doch ist die Befürchtung real?

Hier hilft vielleicht ein Blick in die USA. Und zwar trotz der Unterschiedlichkeit der Gesundheitssysteme, die zum Beispiel dazu führt, dass in Amerika mit über 13000 Dollar weit höhere Behandlungskosten pro Fall entstehen als hierzulande, wo es knapp 5500 Dollar sind. Das liegt daran, dass an der Kostenstruktur eines Krankenhauses Personalkosten zu etwa zwei Dritteln beteiligt sind - und amerikanische Gesundheitseinrichtungen verfügen einfach über weit mehr Beschäftigte, nämlich gut 16 Mitarbeiter pro 1000 Einwohner. Bei uns übernehmen hingegen nur knapp 11 Beschäftigte die Versorgung von je 1000 Einwohnern.

Die Kostendiskussion führen die Amerikaner aber auf sehr ähnliche Weise - und vor allem mit ähnlichen Befürchtungen. In den Archives of Internal Medicine, einem medizinischen Fachmagazin, hat sich deshalb ein Team von Medizin-Statistikern auf die Suche nach relevanten Daten gemacht und kam zu interessanten Ergebnissen. Die Forscher verglichen dabei in öffentlichen US-Datenbanken verfügbare Zahlen zu den Fallkosten einzelner Krankenhäuser mit Qualitätskriterien wie der 30-Tage-Sterberate und dem Anteil erneut eingelieferter Patienten. Dabei half den Wissenschaftlern, dass all diese Daten seit 2008 für fast alle US-Krankenhäuser erhoben werden, um die Gesundheitskosten transparenter zu gestalten.

Das wichtigste Ergebnis: Wieviel ein Krankenhaus für einen Patienten aufwendet, hat meist wenig mit dem Behandlungserfolg zu tun. Die Forscher betrachteten hier insbesondere an Herzinfarkt und an Lungenentzündung Erkrankte. Dabei zeigte sich, dass teurere Hospitäler zwar bei Herzinfarkt-Patienten weniger Sterbefälle binnen 30 Tagen verkraften mussten als die Discount-Krankenhäuser. Umgekehrt verhielt es sich aber bei der Lungenentzündung. An dieser Krankheit starben in den teuren Krankenhäusern mehr Menschen als in den billigen.

Der Anteil erneuter Einlieferungen lag in günstigen Einrichtungen etwas höher (bei Herzinfarkt) oder gleich hoch (bei Lungenentzündung), verglichen mit den Edel-Krankenhäusern. Doch auch auf sechs Monate gerechnet, blieben die billigeren Hospitäler mit ihren Kosten unter den teuren Krankenhäusern. Die Befürchtung, Patienten würden aus Kostengründen zu früh entlassen, trifft also zumindest im US-Gesundheitswesen nicht zu. Die Forscher warnen allerdings vor der Schlussfolgerung, man könne trotz einer Senkung der Ausgaben eine gleich bleibende Betreuungsqualität erreichen. Entscheidend ist offenbar, worauf man gewillt ist zu verzichten: Die hier untersuchten billigeren Einrichtungen verfügten zum Beispiel seltener über eine Herz-Intensiveinheit als die teure Konkurrenz, was das etwas höhere Sterberisiko bei Herzinfarkt erklären könnte. Zudem haben die Wissenschaftler, wie sie selbst zugeben, die Patienten-Zufriedenheit nicht in ihre Analysen einbezogen.