Gewalt in Computerspielen verstärkt Aggression - Punkt!

Eine Metastudie sieht die Frage, ob Computerspiele Gewalt fördern, als beantwortet an, jetzt gehe es darum, wie man mit dem Risikofaktor gesellschaftlich umgehen soll

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Ein internationales Team von Psychologen behauptet, mit einer Metastudie belegen zu können, dass Computerspiele, die Gewalt beinhalten, die Spieler aggressiver machen. Die US-amerikanischen, japanischen und holländischen Psychologen gehen sogar so weit, dass gewalthaltige Computerspiele ein kausaler Risikofaktor für erhöhtes aggressives Verhalten und sinkende Empathie sind. "Wir können nun mit höchster Zuversicht sagen", so Craig Anderson, Direktor des Center for the Study of Violence an der Iowa State University und Mitautor der Studie, "dass man unabhängig von der Forschungsmethode und von den Kulturen, die in dieser Studie getestet wurde, dieselben Ergebnisse erhält", also dass mit gewalthaltigen Computerspielen die Wahrscheinlichkeit für kurz- und langfristig erhöhtes aggressives Verhalten steigt.

Für die Studie "Violent video game effects on aggression, empathy, and prosocial behavior in Eastern and Western countries", die in der Märzausgabe des Psychological Bulletin erschienen ist, haben die Wissenschaftler 130 Forschungsergebnisse mit mehr als 130.000 jungen Versuchspersonen ausgewertet. Vorhergehende Metastudien hatten ergeben, dass bislang die Gewaltverstärkung durch Computerspiele überschätzt worden seien (Gewalt in Videogames versus Leben: spärliche Beweise). Die Autoren sehen aber in diesen Metastudien Mängel, beispielsweise im Hinblick auf die Vergleichbarkeit von Studien, die zu geringe Menge an Versuchspersonen für einzelne Fragen (third-person vs. First person shooter, menschliche, nichtmenschliche Darsteller etc.) oder die vorherrschende Untersuchungen in den westlichen Ländern. So werde oft davon ausgegangen, dass in den japanischen Medien zwar viel Gewalt dargestellt werde, die japanische Gesellschaft aber im Vergleich zu den USA, aber auch zu europäischen Ländern vergleichsweise friedlich sei.

Da die letzte Metastudie 2004 veröffentlicht wurde, seitdem aber unzählige Forschungsergebnisse zum Thema erschienen sind, sei es an der Zeit gewesen, mit einer genaueren Qualitätsauswahl eine neue Metastudie mit mehr Daten und verbesserter statistischer Auswertung durchzuführen, die auch kulturübergreifend ist und einige Langzeitstudien einschließt. Die Untersuchung der möglichen Veränderungen des Verhaltens durch gewalthaltige Computerspiele konzentrierte sich auf sechs Kategorien: aggressives Verhalten, aggressive Kogntion, aggressives Gefühl, prosoziales Verhalten, Empathie/Desensibilisierung und physiologische Erregung.

Es scheint die Zeit zu sein, die jemand mit gewalthaltigen Computerspielen zubringt, die Aggressivität kurz- und langfristig erhöhen. Letzteres würde sich aus den Langzeitstudien ergeben, die zusätzlich zeigen, dass Computerspielen über die Jahre hinweg Aggressivität verstärken. Weder Alter, noch Geschlecht oder Kultur scheinen dabei eine nennenswerte Rolle zu spielen. Eingeräumt wird allerdings, dass Kinder ein wenig stärker auf Mediengewalt zu reagieren scheinen als Jugendliche. Ähnliches lässt sich für die Zunahme der aggressiven Kognition und von aggressiven Gefühlen sowie der Abnahme des prosozialen Verhaltens sagen. Für die Reduzierung von Empathie oder die Zunahme von Desensibilisierung gibt es ebenso wie für die verstärkte physiologische Erregung allerdings keine Langzeitstudien, sondern nur Experimente.

Nach der Studie gibt es auch keine nennenswerten kulturellen Unterschiede zwischen westlichen Ländern und Japan. Problematisch ist, dass dann, wenn in nicht-experimentellen Studien die Zeit, in denen Personen gewalthaltige Computerspiele spielen, durch Befragungen erhoben wird, keine wirklich verlässlichen Daten vorliegen, obgleich diese dann das Ergebnis erheblich beeinflussen können. Auf der anderen Seite würden die nun vermehrt vorliegenden Langzeitstudien erkennen lassen, dass das Spielen von gewalthaltigen Computer "ein kausales Risiko für langfristige schädliche Folgen" darstellen, vor allem was aggressives Verhalten, aggressive Kognition und Empathie/Desensibilisierung betrifft.

Der Sachverhalt ist für die Autoren so eindeutig, dass sie sagen, nur eine Beschränkung auf eine "unglaublich kleine Zahl der existierenden Forschungsliteratur", zu denen auch die "methodologisch schwächsten Studien" gehören, und der Ausschluss von normalen meta-analytischen Techniken, könne Ergebnisse hervorbringen, in denen sich nicht die vielen kausal schädlichen Folgen von gewalthaltigen Computerspielen zeigen. Die Debatte könne sich nun nicht mehr darauf konzentrieren, ob gewalthaltige Computerspiele Aggression verstärkt. Das sei nun ganz klar mit einem Ja zu beantworten. Die öffentliche Diskussion müsse sich nun damit beschäftigen, wie man am besten mit diesem Risiko umgehen soll. Zudem könne man sich vorstellen, was aber praktisch noch kaum untersucht worden sei, dass andere Spiele auch das prosoziale Verhalten und die Empathie fördern könnten. "Content matters".

Das Risiko, das von gewalthaltigen Computerspielen ausgeht, so räumt Anderson in einer Pressemitteilung ein, sei nicht "gewaltig" und viel geringer, als wenn man sich einer Gang anschließt oder nicht, aber keineswegs trivial. Zudem handele es sich um einen Risikofaktor, den Eltern selbst sehr viel leichter verändern könnten als andere Risikofaktoren für Aggressivität wie Armut oder genetische Veranlagung. Man müsse die Benutzung von Computerspielen der eigenen Kinder ebenso im Auge behalten wie das, was sie Zuhause zu trinken und zu essen bekommen. Und man müsse erklären können, warum manche Computerspiele Zuhause verboten sind, indem man erklärt, dass man immer nach konstruktiveren Lösungen als Konflikten suchen müsse. Nun ja, eben dann wird man sich in einem Konflikt befinden.