Knabenliebe zum pädagogischen Prinzip erhoben

Auch an der Odenwaldschule, einem reformpädagogischen Vorzeigeprojekt, wurden der Rousseauismus und die "Erziehung vom Kinde aus" allzu wörtlich genommen

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Jüngst haben wir am Ende unseres ausführlichen Kommentars über die "schwarzen Netzwerke" des "Geheimen Deutschlands" darauf hingewiesen, dass der pädagogische Bildungsprozess der Bundesrepublik ebenso "untergründig" wie entscheidend von dem Kreis um den Dichter Stefan George mitgeprägt worden ist, namentlich von den Familien Weizsäcker, Picht und Becker.

Darin hatten wir zu zeigen versucht, dass der "Katastrophen-Sound", den die George-Jünger Georg Picht und Hellmut Becker Anfang der Sechziger Jahre anrührten, nachhaltig dazu beigetragen hat, dass das Mündigkeit- und Emanzipationspostulat von einem Verbund aus kritischen Kritikern, kritischen Psychologen und kritischen Erziehungswissenschaftlern bis in die Mitte der deutschen Gesellschaft getragen werden und sich zum Mainstream derselben entwickeln konnte.

Problemlos ließ sich nämlich das seit Humboldt und Schleiermacher verbürgte deutsche Konzept von Bildung mit der Idee der "Höherbildung des Einzelnen", die der George-Kreis verfolgte, verbinden. Gewechselt werden musste nur der Sprachcode, der geisteswissenschaftliche Duktus der Menschenbildung, den Ellen Key, Maria Montessori oder Martin Wagenschein mit ihren Lehr- und Lehrmethoden noch in den zwanziger Jahren angeschlagen hatten, mit dem gesellschaftstheoretischen Neusprech von Adorno, Horkheimer und Co.

Dass diese von Reformeifer, Menschenbildung und Hingabe an den Zögling getragene Geschichte so schnell "aus der Dunkelheit des Kellers ans Licht der Öffentlichkeit", so auch ein Aufsatztitel von Hartmut Alphei, Pädagoge und Wissenschaftler der Odenwaldschule, gezerrt werden könnte, haben weder wir noch wohl Ulrich Raulff geahnt oder ahnen können.

Reformpädagogischer Übereifer

Spätestens seit gestern ist bekannt, dass man auch an der Odenwaldwaldschule, jahrzehntelanges Vorzeigeprojekt der Reformpädagogen, den Rousseauismus, die "ganzheitliche Erziehung" und die "Pädagogik vom Kinde aus", die uns seit den seligen Tagen der Bildungsreform in den 60er und 70er Jahren auf Schritt und Tritt verfolgen, allzu ernst und wörtlich genommen hat.

Anstelle von Zucht und Drill sollten Lehrer, so das pädagogische Konzept auch an dieser Schule, auf die spezifischen Bedürfnisse ihrer Schutzbefohlenen eingehen und deren freie Entfaltung fördern. Prinzipien der antiautoritären Erziehung, womit sich die Schule gern öffentlich brüstete, bevor der Begriff als solcher allgemeinen Eingang in den Wortschatz fand, sollten dort angewendet werden. Darum fungiert der Klassenlehrer auch offiziell als "Familienoberhaupt", der Tür an Tür mit seinen Schülern lebt.

Zum Leitspruch erkor man einen Satz des griechischen Dichters Pindar: "Werde, der du bist". "Ganzheitlichkeit", "Selbsttätigkeit" und "Gemeinschaftlichkeit" im "Werkstattunterricht", aber auch die "andere Rolle des Lehrers" und des "Unterrichts" scheint man dort aber sehr eigenwillig gedeutet und vieldeutig ausgelegt zu haben.

Missbrauch altbekannt

Einem Bericht der Frankfurter Rundschau zufolge sind in den 70er und 80er Jahren auch dort etliche Minderjährige "Opfer sexueller Übergriffe" geworden. Ehemalige Schüler, in der Regel Männer, berichten, dass sie als Dreizehn- und Vierzehnjährige von ihren Lehrern regelmäßig durch das Streicheln der Genitalien geweckt, als "sexuelle Dienstleister" für ganze Wochenenden eingeteilt und weitergereicht oder zu Oralverkehr gezwungen worden sind.

Schon vor mehr als zehn Jahren hatte ein Bericht der FR (Der Lack ist ab) auf diese Missstände an der Reformschule hingewiesen. Eine echte und vollständige Aufarbeitung des Skandals fand aber trotz des Eingeständnis des damaligen Leiters der Schule und strafrechtlicher Verfolgung durch die Behörden niemals statt.

Nie wurde ganz oder genau geklärt, welche und wie viele Lehrer an den Übergriffen und Missbräuchen beteiligt waren. Ein Ex-Lehrer, der dazu damals etwas sagen wollte, wurde vom damaligen Vorstandsmitglied und langjährigen SPD-Bundestagsabgeordneten Peter Conradi seinerzeit noch rüde mit den Worten abgekanzelt: "Nur dumme Lehrer sprechen mit Journalisten."

Obwohl der Beschuldigte seine Taten zugegeben und in einem offenen Brief an einen der missbrauchten Schüler sich auch dessen "geschämt" hatte, versuchten die Verantwortlichen der Schule damals alles, um die Ereignisse und Vorfälle unter den Teppich zu kehren. Eine Dekade später geht das offensichtlich nicht mehr. Zu groß ist die Empörung, zu groß der öffentliche Druck, und zu groß auch "das Ausmaß der Verbrechen", die, so die jetzige Rektorin gegenüber der FR, "ihre Schule massiv erschüttert und irritiert" habe.

Das Netzwerk lebt

Brisant werden die Vorfälle, Ereignisse und Übergriffe aber erst mit dem Namen des Beschuldigten. Geleitet wurde die Odenwaldschule in den Jahren 1972-1985 nämlich von Gerold Becker, einem Intimus, Schützling und langjährigem Vertrauten von Hellmut Becker, jenem "Bildungsbecker" (U. Raulff), der den Diskurs, die Reformidee und die Geschichte der Bildung in der Bundesrepublik durch seine kluge und geschickte Vernetzungspolitik maßgeblich mitbestimmt und mitverfasst hat.

Nicht zu unrecht nannte Ulrich Raulff die Seilschaften, die Hellmut Becker heimlich um sich gesponnen hatte, und zu dem neben dem Leiter der Reformschule vor allem auch Hartmut von Hentig gehört haben, "protestantische Mafia". Den bildungspolitischen Weg, der hierzulande eingeschlagen werden sollte und zum großen Teil auch wurde, war geprägt vom Gedanken des "Landschulheims".

Die Bundesrepublik, so die Idee der George-Jünger, sollte demnach in ein "Landerziehungsheim" umgewandelt werden, weg von Noten, Ausfragen und Hierarchien, zurück zur "platonischen Höhle", zu den Idealen von Erziehung und Menschenbildung.

Die Erziehung der Bildungsreformer war ein durch und durch elitäres Projekt, ersonnen von sendungsbewussten Angehörigen der Eliten, die für die Massen und massengerecht zu handeln meinten, während sie in Wahrheit an Chiron und Achill dachten und Ideen generalisierten, die großenteils aus der Reformschulbewegung (der 20er Jahre – RM) stammten.

Ulrich Raulff

Von Hellmut zu Gerold

In welcher Beziehung der des groben Missbrauchs beschuldigte, heute dreiundsiebzigjährige Theologe und Pädagoge zu seinem Namensvetter Hellmut stand, ob er, wie es Name und Alter nahelegen könnten, ein Sohn oder ein Neffe war, konnte auf die Eile und trotz intensiver Recherche weder erfragt noch ermittelt werden.

Herauszufinden war jedoch, dass Gerold Becker seinem geistigen Mentor Hellmut nicht nur sehr viel zu verdanken hatte, sondern ihm auch sehr verbunden war. Ihm hat er nicht nur eine Festschrift zu dessen 80. Geburtstag gewidmet (Lust und Last der Aufklärung. Ein Buch zum 80. Geburtstag von Hellmut Becker. Beltz, Weinheim 1993), seiner hat er auch stets in unzähligen Aufsätzen, Vorträgen und Schriften gedacht, die er vor und auch noch nach den pädophilen Handlungen verfasst und gehalten hat, in Berlin, Bremen und anderswo.

So ist etwa ein Aufsatz von ihm, den er 1996 in der Schweiz zu Ehren von Martin Wagenschein gehalten hat und der sich im Archiv der Uni-Marburg, einer George-Hochburg, befindet, mit dem Motto überschrieben: "Dem Andenken von Hellmut Becker gewidmet, der mich gelehrt hat, die Landerziehungsheime mit großer Sympathie, ihre Geschichte aber auch verblüfft und amüsiert zu betrachten."

Von Gerold zu Hellmut

Zur Erinnerung: Hellmut Becker war Gründungsrektor des 1963 neu geschaffenen "Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung" in Berlin (MPI), das er bis 1981 geleitet hat. Während dieser Zeit ging er auch am Frankfurter Institut für Sozialforschung ein und aus. Zusammen mit Adorno stellte er sich damals, als viele von uns darüber räsonierten, ob nach Auschwitz Denken noch möglich sei, die Frage: Erziehung wozu?

Den "pädagogischen Eros" (H. Nohl), der damals gleichzeitig revitalisiert und zur Hervorbringung "radikaler Subjektivitäten" gebraucht wurde und der bis auf den heutigen Tag das Denken allzu bewegter Pädagogen noch immer um- und vernebelt, nahm der George-Jünger und Netzwerker aber offenbar sehr ernst.

"Schöpferische Kräfte", so legt es eine unbedachte Äußerung nahe, die Hellmut Becker in einer nächtlichen Gesprächsrunde verlauten ließ, werden erst richtig frei, wenn man "eine homoerotische Leidenschaft in sich entdecke und ihr stattgebe."

Das Erotische als Projekt

"Das Erotische", so der linke Jurist und Becker-Intimus Hans Ulrich Preuß in dem Buch "Aufklärung als Beruf", das der kritische Pädagoge Fritjof Hager zu Ehren Hellmut Beckers zusammen mit ihm publizierte, sei am MPI für Bildungsforschung in Berlin "immer Teil der Arbeitsbeziehungen gewesen."

Stets nahm der Chef danach regen Anteil an den beruflichen Karrieren junger Männer, als deren Mentor er oft agierte. Und immer waren all die Gespräche, die er mit ihnen führte, vom "pädagogischen Eros" bestimmt. So auch die mit dem linken Literatur- und Medienkritiker Peter Szondi, dessen enger und wohl auch intimer Freund er war, wie Raulff vom jüngst verstorbenen Gert Mattenklott erfahren haben will, einem intimen Kenner der Schriften Georges.

Verheiratet war Hellmut Becker mit Antoinette Mathis, einer ehemaligen Sekretärin am Lehrstuhl des nationalsozialistischen Staatsrechtlers Ernst Rudolf Huber, der während des Zweiten Weltkrieges an der Reichsuniversität Straßburg lehrte. Huber, der Schüler von Carl Schmitt war und nach dem Krieg seine Lehrbefugnis für einige Jahre verlor, machte den Kriegsverletzten Hellmut in Straßburg zu seinem Assistenten.

Zu seinen vielen prominenten "Busenfreunden" zählte neben Carl Friedrich von Weizsäcker, dessen Bruder und späterer Bundespräsident Richard Carl auch einen seiner Söhne auf die Odenwaldschule schickte, auch Georg Picht, der den "Birklehof", eine Eliteschule im Schwarzwald, lange Jahre geleitet hatte und später zusammen mit Gerold Becker und Hartmut von Hentig in erziehungswissenschaftlichen Zeitschriften seine Erziehungsideen publizierte.

Homoerotische Zentren

Bemerkenswert ist, dass Picht, der unter dem Dach der Schule ein Platon-Archiv eingerichtet hatte, von dem aus er seine vielfältigen wissenschaftlichen und bildungspolitischen Aktivitäten bestritt, enge Beziehungen zu der Jesuitenschule in St. Blasien unterhielt, die neben dem Canisius-Kolleg in Berlin und dem Kloster Ettal jetzt unter dem Verdacht steht, sexuellen Missbrauch an Kindern und Schutzbefohlenen lange Zeit nicht nur geduldet, sondern auch und vor allem noch vertuscht zu haben.

Hoch interessant, und da schließt sich ein homoerotischer Kreis, der durch Jugendbewegung und Erziehungsreform, sexuelle Abhängigkeiten und intime Männerfreundschaften geprägt war, wird die Geschichte, weil auch Hartmut von Hentig, Nestor der Reformschulbewegung und langjähriger Leiter der Laborschule in Bielefeld, nicht nur Günstling und intensiver Gesprächspartner von Hellmut Becker, sondern auch, wie die Frankfurter Rundschau heute zu berichten weiß, Lebensgefährte von Gerold Becker war.

Pädagogik der Zuneigung

Dieser wiederum war nicht nur Leiter der von der UNESCO geehrten und vielfach ausgezeichneten Odenwaldschule, sondern auch noch langjähriger Leiter der Vereinigung Deutscher Landerziehungsheime. In dieser Eigenschaft arbeitete er nicht nur im Hessischen Institut für Bildungsplanung und Schulentwicklung in Wiesbaden, sondern galt lange Zeit, auch noch nach den Vorwürfen, als ein wichtiger Exponent der deutschen Pädagogik, der als Redner, Gutachter und Autor gern gebucht und angefragt wurde und immer noch wird.

Zusammen mit Jürgen Zimmer und Hartmut von Hentig gab er die "Neue Sammlung" heraus, eine linksliberale Fachzeitung, die die Nachfolge der Zeitschrift "Die Sammlung" Anfang der Siebziger angetreten hatte und von Hermann Nohl, Otto Friedrich Bollnow, Wilhelm Flitner und Erich Weniger, den Koryphäen der geisteswissenschaftlichen Pädagogik, herausgegeben worden ist.

Auf Sozialpädagogen, Erziehungswissenschaftler und angehende Pädagogen, Lehrer und Erzieher hatten die Texte vor allem in den 70er und 80er Jahren großen Einfluss. In den gesellschaftlich bewegten Seminaren wurden sie häufig zitiert und rezipiert. Erst vor fünf Jahren stellte die Zeitschrift ihr Erscheinen ein. Bis dahin hatte auch Gerold Becker die Nachfolge von Hellmut Becker in der Herausgeberschaft angetreten.

Der Dampf muss endlich raus

Unter dem Eindruck der Vielzahl an Missbrauchsfällen an katholischen Einrichtungen ist der Dampf scheinbar nicht mehr unter dem Deckel zu halten. Wie schon vor zehn Jahren sind einige der Missbrauchten gewillt, das Schweigen zu brechen und über das Gebaren und die pädagogischen Praktiken des hoch gelobten und hoch geehrten Charismatiker Becker öffentlich zu berichten. Mehr als hundert Fälle sollen der Schule mittlerweile gemeldet worden sein.

Von welcher Art sie sind, muss abgewartet werden. Derzeit werden in den Medien zu viele unterschiedliche Tatbestände miteinander vermischt. Als sexuelle Übergriffe gelten mittlerweile auch Streicheln über Kopf und Wangen, Sitzen auf dem Schoß eines Erziehers oder das Schießen von Fotos nackt duschender Jungmänner. Wenn all das schon Missbrauch ist oder wäre, müssten noch ganz andere Fälle zur Anzeige gebracht werden. Die Liste würde endlos und ellenlang.

Auch einer meiner Religionslehrer, zugleich Präses der Marianischen Kongregation, kurz MC genannt, hatte in den sechziger und siebziger Jahren die eigentümliche Anwandlung, unseren Kopf bei Verstößen zwischen die Beine zu klemmen und uns einen mehr oder minder sanften Klaps auf den Po zu geben. Zu Traumata gab das seltsame Gebaren des Monsignore aber keinen Anlass. Im Gegenteil, wir amüsierten uns eher darüber und meinten, dass er sich jetzt an uns wohl wieder aufgegeilt hatte.

Grobe Missbräuche

Allerdings werden nun neue und vielfach massivere Vorwürfe laut. Nicht nur Gerold Becker, auch andere Lehrer, deren Namen der FR bekannt sein sollen, werden nun offenbar des schweren Missbrauchs bezichtigt. Sie hätten danach Schüler geschlagen und gejobbt, sie mit Drogen und Alkohol versorgt oder bei mindestens einer Vergewaltigung tatenlos zugesehen. Auch Hartmut von Hentig hätte von allen diesen Vorfällen gewusst, sie beschwiegen und damit gedeckt, weist dies aber als "grotesk" zurück.

Mit einem Ultimatum, so die Zeitung, wollen sie die Schule, die sich nun um ihren schönen Ruf große Sorgen macht, endlich zur schonungslosen Aufklärung zwingen, die sie vor zehn Jahren noch versäumt hat. Auf einem eigens eingerichteten Blog können Opfer wie Verteidiger der Schule ihre Kommentare ablegen.

Hektische Betriebsamkeit

Die Schule hat sich mittlerweile zu ihrer Verantwortung bekannt, entschuldigte sich bei den Opfern und sprach den "Opfern der damaligen Missbrauchstaten" die Solidarität aus: "Wir danken ihnen für ihren Mut und ihre Bereitschaft, sich mit uns gemeinsam einem Prozess der Aufarbeitung und der Versöhnung zu stellen. Ihr Mut ist uns heute bedingungslose Verpflichtung, das Geschehene aufzuarbeiten und uns unserer Geschichte zu stellen."

Zurzeit werden dort etwa 225 Schüler unterrichtet. Dort, in Heppenheim, leben sie in naturnaher Umgebung in sogenannten Familien. Die Klassenstärke liegt bei etwa 16 Mädchen und Jungen. Ein Internatsplatz kostet zurzeit, ähnlich wie in Salem oder im Birklehof, an die 2200 Euro pro Monat.

Zudem haben sowohl bei der Leitung der Schule als auch beim Träger- und Förderverein der Schule, das sich gern mit den Alumni Daniel Cohn-Bendit und Amelie Fried, dem ehemaligen Präsidenten des BDI, Tyll Necker, dem Schriftsteller Klaus Mann und dem Begründer der Methode des "Exemplarischen Lernens", Martin Wagenschein, brüstet, hektische Betriebsamkeit eingesetzt.

Nicht nur sind, wie von Geisterhand, einige der Lehrernamen von der Homepage der Schule verschwunden. Auch das Motto von Hartmut von Hentig, mit dem die Schule überregional Schüler geworben hat, ist gelöscht worden. Dort hieß es noch vor ein paar Tagen: "Endlich die Schule, die Rousseau gefordert hat … Sie guckt auf die Kinder, sieht, was sie brauchen, und sieht auch die Folgen dessen, was sie selbst tut."

Was Letzteres angeht, die Folgen, scheint man sich an der Schule Jahrzehnte lang wenig Gedanken gemacht zu haben. Der Festakt, den die Schule Mitte April anlässlich ihrer hundertjährigen Gründung ausrichten will, wird so, wie man das geplant hat, sicherlich nicht über die Bühne gehen. Statt Jubelarien wird wohl nun Trauerarbeit zu verrichten sein.

Für die Deutsche Pädagogik, ihre ganzheitlichen Theorien und Ideen vom Kinde aus, ist das selbstverständlich der Super-Gau. Sie hat, global betrachtet, immer auch (darum auch mit großem D geschrieben), sehr eigenwillige Positionen vertreten. Der "Schwarzen Pädagogik", die die jüngst verstorbene Publizistin Katharina Rutschky 1977 herausgegeben hat, wird wohl ein neues trauriges Kapitel anzufügen sein.