Move your Money!

Eine Graswurzelbewegung nimmt den Kampf gegen die Großbanken auf

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Die Allgemeinheit rettet das Bankensystem mit astronomischen Summen und die Banker zeigen sich nicht etwa dankbar, lernen nichts aus ihren Fehlern und machen schon wieder so weiter, als hätte es nie eine Krise gegeben. Weltweit richtet sich der Zorn der Völker gegen die Groß- und Investmentbanken, die die Welt mit ihren "Finanzinnovationen" an den Rand des Abgrundes gebracht haben. Die Regierungen können und wollen dem Treiben der Turbobanker jedoch keinen Riegel vorschieben. Wer aber soll die Banker sonst zähmen? Wir, so lautet die Antwort der Graswurzelbewegung Move your Money.

Wenn wir unsere Konten von den Großbanken zu den kleinen genossenschaftlichen oder kommunalen Banken verlagern, erschweren wir den Turbobankern ihr Treiben, so die Idee hinter dieser Bewegung. In den USA ist "Move your Money" bereits mehr als ein Achtungserfolg. Nun wollen auch hierzulande Aktivisten den Kampf gegen die Großbanken führen.

Ist das Leben nicht schön?

Die Grundidee entstammt einem Hollywood-Klassiker. Frank Capras Tragikomödie Ist das Leben nicht schön? wirkt wie ein frühes Abziehbild der aktuellen Finanzkrise. Die Gemeinde Bedford Falls, ein kleines, verschlafenes Nest, in dem amerikanische Werte noch hoch gehalten werden, wird von einem bösen Kapitalisten angegriffen. Der geldgierige Banker Mr. Potter will die braven Bürger ausnehmen und versucht, die kommunale Kreditgenossenschaft in seine Hände zu bekommen, um die Häuslebauer in seine Abhängigkeit zu bringen. Sein Gegenspieler ist der naive George Bailey – ein Altruist wie aus dem Bilderbuch, gespielt vom stets welpenhaft wirkenden James Stewart. Bailey schafft es am Ende natürlich, die braven Bürger dazu zu bringen, ihre gesamten Ersparnisse der Kreditgenossenschaft zu überschreiben und damit die kapitalistische Attacke abzuwehren.

Gute Banker, böse Banker – Kapitalismuskritik in Schwarz-Weiß. Eine Vorlage, die dem bekannten Filmemacher Eugene Jarecki, der bereits mit der Kapra-Adaption "Why we fight" Erfolge feiern konnte, zu einem naheliegenden Gedanken brachte: Lasst es uns so machen wie die braven Bürger von Bedrock Falls. Lasst uns den Turbobankern das Geld wegnehmen und es den lokalen Kreditgenossenschaften und Kommunalbanken geben. Move your Money, wechsele deine Hausbank. Jareckis Idee wäre wohl in Vergessenheit geraten, hätte sich nicht die bloggende Multimillionärin Arianna Huffington an die Spitze der Bewegung gesetzt. Auf ihrem Blog Huffington Post startete sie zusammen mit einigen Mitstreitern kurz vor Silvester die Aktion Move your Money. Mit im Boot befinden sich auch die Bankanalysten von Institutional Risk Analytics (IRA), die der Aktion ihre Datenbank zur Verfügung stellten.

Seit Beginn des Jahres können Amerikaner auf den Internetseiten von "Move your Money" die zu ihrer Postleitzahl passenden Kommunalbanken finden, die nach dem Rating von IRA solide sind. Aktionen von Ariana Huffington bleiben in den USA nicht unbeachtet, schließlich ist ihr Blog der reichenweitenstärkste der Welt. Innerhalb einer Woche wurde der Aktionsaufruf der Huffington Post 2,3 Millionen mal gelesen, das Aktionsvideo von Jarecki, angereichert mit Szenen von "Ist das Leben nicht schön?", sah bis heute fast eine halbe Million Menschen. Das verwundert nicht, schließlich berichteten fast sämtliche großen Networks über Huffingtons Coup. Wie viele "Graswurzelbewegte" bislang auch tatsächlich ihr Konto wechselten, ist jedoch unbekannt. Darum geht es eigentlich auch nicht – die ganze Aktion zielt weniger auf die Konten, als vielmehr auf die Berichterstattung und die öffentliche Meinung. Zumindest in diesem Punkt kann "Move your Money" auch als voller Erfolg angesehen werden.

Wohlfühlaktivismus oder Bedrohung des Bankensystems?

Jede Bank arbeitet mit den Einlagen ihrer Kunden. Auf Basis dieser Einlagen kann eine Bank nicht nur Kredite vergeben, sondern auch Eigenhandel betreiben und munter im Finanzkasino mitzocken. Wichtiger als die Einlagen selbst jedoch ist die Möglichkeit, Fremdkapital auf Basis dieser Einlagen aufzunehmen. Das Girokonto ist für Banken eine wichtige Einlageform, immerhin parken auf jedem deutschen Girokonto durchschnittlich fast 10.000 Euro Guthaben. Bei 93 Millionen Girokonten ist das eine gewaltige Summe. Girokonten sind für die Banken allerdings nur wenig attraktiv, da sie zu den Sichteinlagen zählen, die jederzeit verfügbar sein müssen. Den größten Teil dieser Gelder dürfen Banken daher auch nicht langfristig verleihen. Natürlich verdienen Banken auch an Girokonten gut – hohe Gebühren, niedrige Guthabenzinsen und exorbitant hohe Verzugszinsen sind die Regel. Ob ein Aktivist also mit seinem Bankenwechsel den gewünschten Effekt erzielt, hängt einzig und allein von seiner finanziellen Situation ab. Wenn die Multimillionärin Arianna Huffington ihre Bankverbindung ändert, so ist dies für die betroffene Geschäftsbank ein herber Verlust. Wechselt hingegen ein permanent klammer Graswurzelaktivist sein Konto, so wird man dies in den New Yorker Bankenzentralen mit einem Lächeln auf dem Gesicht quittiert. Solche "Problemkunden" sind nämlich arbeitsaufwändig, risikobehaftet und wenig lukrativ. Großbanken haben kein gesteigertes Interesse an derlei Kunden.

Die Deutsche Bank gliederte vor elf Jahren sogar einmal ihre 6,8 Millionen Kleinkunden in eine Tochter aus, die an der Börse veräußert werden sollte. Erst Josef Ackermann erkannte den Fehler und holte die Kleinkunden zurück zur Mutter – klamme Problemkunden fassen die Deutschbanker jedoch auch heute noch mit der Kneifzange an. In den USA kommt das Problem der hohen Verschuldung der Privathaushalte hinzu. Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen – so einfach geht es nicht. Wer seine überzogenen Kreditkarten mit zur kommunalen Bank nehmen will, braucht da schon risikoaffine Kommunalbanker. So sehr sich die kleinen Genossenschaften und Kommunalbanken über finanzstarke Neukunden freuen dürften, so sehr gefährden Problemkunden die finanzielle Stabilität dieser Institute.

Falsche Zielgruppe?

"Move your Money" ist daher im Kern elitär und richtet sich implizit an Vermögende – freilich sucht man vergebens nach einem Hinweis, dass weniger solvente Bankkunden eher kontraproduktiv für diese Aktion sind. Womöglich setzen Huffington und Co. dabei auf die normative Kraft des Faktischen. Potentielle Aktivisten, deren Briefkasten bereits mit Mahnungen vollgestopft ist, werden die Aktion ignorieren, da für sie ein Wechsel der Bank kaum in Frage kommt. Kleinkunden, deren Girokonten selten mehr als ein Monatsgehalt ausweisen, können zwar wechseln, lösen mit ihren Mikroeinlagen aber kein Bankenbeben aus. Bleiben die Bankkunden, deren Konten prall gefüllt sind - sie zum Wechsel zu überreden, wäre zwar ganz im Sinne von "Move your Money", eine Graswurzelbewegung für Besserverdienende ist jedoch ein Widerspruch in sich. Aber darum geht es den Initiatoren wohl auch nicht. Es geht um Meinungsmache und das ist auch gut so. Allein die Berichterstattung über Huffingtons Bankenkeile ist gute PR im Sinne der Aktion. Wer wirklich etwas am Finanzsystem ändern will, muss politischen Druck aufbauen. Die Lobbyisten und Interessengruppen der Großbanken und der Finanzindustrie scheinen übermächtig und schafften es auch im letzten Jahr, jeglichen Reformansatz – und sei er noch so klein – zu verhindern. Dieses Phänomen ist diesseits und jenseits des Atlantiks zu beobachten. Einen ähnlichen Einfluss hatten vor wenigen Jahrzehnten auch noch die Tabaklobbyisten. Erst die Öffentlichkeit zwang die Politik, zumindest in Teilen auf Distanz zur Tabaklobby zu gehen.

Das Finanzkasino lässt sich erst dann schließen, wenn Finanzlobbyisten ihre Interessen in der Politik nicht mehr durchsetzen können. Um dies zu erreichen, ist eine kritische Öffentlichkeit vonnöten. "Move your Money" erzeugt eine kritische Öffentlichkeit, die Aktion ist Populismus im besten Sinne des Wortes. Auch wenn die Kontenverlagerungen selbst kaum einen spürbaren Effekt haben dürften, so ist der Bewusstseinswandel, der mit solchen Aktionen einhergeht, wahrlich revolutionär.

"Move your Money" kommt nach Deutschland

Die Attac-Sektion Frechen will nun die Aktion "Move your Money" nach Deutschland bringen. Ähnlich wie beim amerikanischen Pendant soll auch die deutsche Kopie eine Postleitzahlensuche nach kommunalen und Genossenschaftsbanken bieten, anhand derer die Aktivisten eine geeignete Bank finden können. Dabei würde ein Blick ins lokale Telefonbuch ausreichen. Anders als in den USA haben hierzulande die kommunalen Sparkassen und die Raiffeisen- und Genossenschaftsbanken im Privatkundengeschäft einen überragenden Marktanteil. In den meisten Ortschaften ist es wesentlich schwerer, eine Filiale der Deutschen Bank zu finden, als eine Sparkasse oder eine Volksbank. Lediglich 29% aller Girokonten liegen bei den sogenannten Kreditbanken, 44% liegen bei den Sparkassen und Landesbanken, 27% bei den Kreditgenossenschaften. Sieben von zehn Deutschen gehören somit noch nicht einmal zur Zielgruppe der Aktion. Streng genommen konzentrieren sich die Aktivisten auch auf das falsche Finanzprodukt. Otto Normalverbraucher hat relativ wenig Geld auf dem Girokonto, dafür aber umso mehr Geld, das in Altersvorsorgeprodukten geparkt ist. Was nutzt ein Wechsel des Girokontos zur kommunalen Sparkasse, wenn Riesterrente, Lebensversicherung und Fondssparplan in Produkte der Großbanken investieren oder sich sogar an ihnen beteiligen? Wem gehört eigentlich die Deutsche Bank? Sie ist nahezu komplett im Streubesitz, 71% des Grundkapitals werden von so genannten "institutionellen Anlegern" gehalten. Dies sind zumeist Aktien- und Pensionsfonds sowie Lebensversicherungen.

Wer dem Finanzkasino das Spielgeld entziehen will, sollte daher einmal etwas genauer hinschauen, in was seine Altersvorsorgeprodukte eigentlich investiert sind. Es ist sehr leicht, einen Fondssparplan zu wechseln, bei Lebensversicherungen oder Riester-Produkten ist dies indes nicht ganz so einfach. Sinnvoller wäre es daher, sich vor dem Abschluss solcher Verträge Gedanken zu machen, wen man mit seinen Ersparnissen eigentlich unterstützen will. Es gibt Alternativen. Wer die George Baileys unserer Zeit sucht, der wird sie auch finden – über die Suche bei "Move your Money" oder anderswo.